Wintereinbruch

Gedicht zum Thema Krieg/Krieger

von  AchterZwerg


Ein Sturm vereitelt jeden Schlummer,

mit seinen Orgelpfeifen bläst der Föhn;

prophetisch türmt sich, schwarz, der Kummer

und übertönt das zage Lustgestöhn,

das sich zwei Menschen noch entlocken.


Dämonenhaft erklingen Lieder,

von allzu grellem, atonalen Klang.

Und ich? Ich denke immer wieder:


Wenn doch nur Frieden wär'

mir wird so bang.


Denn unaufhaltsam läuten Glocken,


die Krieg und Mördertaten künden.

Du löst den Schuss am Fortnite-Sturmgewehr,

in dem die Freiheitsgründe münden,

und dein Gewissen lastet furchtbar schwer,


von oben schneits die ersten Flocken.





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Kommentare zu diesem Text


 Quoth (06.11.23, 10:41)
Schöner poetischer Querschnitt durch die sehr durchwachsene momentane Stimmungslage. Entlocken, Glocken und Flocken - dies Reimtrio hält den Text zusammen. Das Wort Krieg bleibt kunstvoll ausgespart - wir kennen ihn ja nur noch aus Computerspielen ...

 AchterZwerg meinte dazu am 06.11.23 um 12:39:
Lieber Quoth,

der Text ist ja komplett durchgereimt, nur eigentümlich gesetzt; dem Chaos eines Kriegs angemessen (hoffe ich).  :)

Herzlichst
der8.

 FrankReich antwortete darauf am 06.11.23 um 15:27:
Das Wort Krieg bleibt kunstvoll ausgespart 
Na ja, nicht ganz:

die Krieg und Mördertaten künden.
Ciao, Frank

 Quoth schrieb daraufhin am 06.11.23 um 23:09:
@FrankReich: Stimmt! Jetzt gehöre ich hier auch schon zu den Schnelllesern - und das bei so einem Text!
@AchterZwerg: Aber Du gibst zu, dass die drei 5. Zeilen auf -ocken ein besonderes Gewicht haben. Sie rocken den Text - der so verzweifelt gar nicht ist.

 AchterZwerg äußerte darauf am 07.11.23 um 07:06:
Stimmt schon,
ein kleines bisschen Liebe ist ja noch vorhanden ... :ermm:

 Saira (06.11.23, 12:23)
Liebe Heidrun,
 
ich verstehe dein Gedicht als düstere Betrachtung auf die aktuellen Kriege, denn wenn das eigene Leben von äusseren Einflüssen  so erdrückt wird, dass wir des Nachts nicht mehr schlafen können und die eigentlich schönen Dinge in den Hintergrund rücken, dann kommt einem das Leben dämonenhaft vor. 
 
Kriege lähmen, sie lassen uns ohnmächtig sein.
 
Wir sehen die ersten Flocken, der Winter kommt. Doch können wir uns noch freuen?
 
Traurige und nachdenkliche Grüße
Sigi

 AchterZwerg ergänzte dazu am 06.11.23 um 12:37:
Das sehe ich genauso.
Und deshalb finde ich die Aufrechnung von Toten und anderen Opfern absolut unangemessen und grausam.

Am Ende ist es vollkommen wurst, wer die Kriege angefangen hat: Das Leid der Zivilpersonen, der Frauen und Kinder ist unermesslich. 
Und nutzt nur den Waffenhändlern!

Liebe Grüße
Heidrun

 TassoTuwas (06.11.23, 15:08)
Hallo Zwerg,
am Ende wird der Schnee wird sein Laken ausbreiten. 

Für mich ein Bild über die Vergeblichkeit allen menschlichen Treibens.

LG TT

 AchterZwerg meinte dazu am 06.11.23 um 16:18:
Man kann nur hoffen, lieber Tasso, dass nicht eines Tages die gesamte Menschheit mit einem Schlag / Gegenschlag ausgelöscht wird. Möglich wäre dies schon lange. -

So viel Schnee kann gar nicht fallen, um all die Gräuel abzudecken, die Menschen ihren Mitmenschen antun. Immer und immer wieder.

 GastIltis (06.11.23, 15:16)
Hallo Achter, deine Zeilen haben mich tief beeindruckt!

Noch ist es nicht so weit, mein Kind.
Bei zehn Grad plus fällt keine Flocke.
Und ob wir traurig-lustig sind,
das läutet keine Friedens-Glocke.

Es ist schon das Dämonenhafte,
das unser Dasein so ins Dunkel,
ins Laubverfärbte-Fleischerschlaffte
gestellt hat und wo die Furunkel

am Mors des Bösen bald zerplatzen.
Die Freiheit wird bald nicht mehr wach,
und Frieden pfeifen letzte Spatzen
verspätet noch einmal vom Dach!

Viele Grüße von Gil.

 AchterZwerg meinte dazu am 06.11.23 um 16:22:
Eine Super-Mittelstrophe, Gil! :)

Das Absurde ist ja, dass ausnahmslos alle Kontrahenten glauben, für die sog. Freiheit zu kämpfen ...

Herzlichst und mit Dank
der8.

 ginTon (06.11.23, 18:30)
ich denke da leider an alle Kinder und bunten Menschen, die mit Krieg & Terror mal überhaupt gar nichts am Hut haben...  ;)

Kommentar geändert am 06.11.2023 um 18:41 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 07.11.23 um 07:10:
Zu Recht, ginTon!
Was will man einem Kind erklären, dessen Mutter neben ihm zusammenbricht, das mit einem Schlag sein Zuhause verliert und das ziellos in Trümmerlandschaften umherirren muss ...

 ginTon meinte dazu am 07.11.23 um 11:16:
stimmt, und was will man einem Kind erzählen, welches bestialisch umgebracht und zerstückelt wurde, zumindest hat die eine Seite einen Evakuierungsfahrplan erhalten, die andere hat einfach nur bestialisch zugeschlagen. erinnert mich irgendwie an ganz bestimmte Lagermitarbeiter...

 Didi.Costaire (06.11.23, 19:02)
Hallo 8.,

dieser Einbruch sollte mit unverzüglicher Abschiebung geahndet werden. Dein Gedicht darf bleiben.

Schöne Grüße,
Dirk

 AchterZwerg meinte dazu am 07.11.23 um 07:12:
Danke schön, Dirk! <3 
Selbst eine "Duldung" bedeutet mir schon viel.

 Tula (06.11.23, 20:40)
Hallo lieber 8er
Gewiss, es ist schon beängstigend, auch wenn das Böse schon immer da war, wie auch das Gute, im weiteren Sinne.

Hier mal ein ernsthafter Beitrag zum Thema, leider nur in Englisch. 

 post 1989 order collapse

LG Tula

 AchterZwerg meinte dazu am 07.11.23 um 07:39:
Lieber Tula,
tausenfachen Dank für diesen klugen, wunderbaren Clip,
der überdeutlich das Karussell der globalen Krisen aufzeigt - und dessen Mitfahrer. Der die Gründe benennt und den voraussehbaren Niedergang der Demokratie.
Ein wenig Hoffnung bleibt. Doch auch der Hass auf Intellektuelle, der jedwede Idee im Vorfeld zunichte macht ...

Herzlichst
Heidrun

 EkkehartMittelberg (16.11.23, 18:05)
Liebe Piccola,

dein hochpoetisches Gedicht lässt mich die kalte Nüchternheit moderner Kriege umso schmerzlicher empfinden, weil die Kriegstreiber sich immer weniger Mühe geben, ihre brutalen ökonomischen Interessen zu verschleiern. Man fühlt sich wehrlos angesichts von Kindern und unschuldigen Zivilisten in den Feuerzonen. 
Dennoch darf die Humanität, der du Stimme gibst, niemals schweigen.
Herzlichst
Ekki

 AchterZwerg meinte dazu am 17.11.23 um 07:22:
Danke, lieber Ekki,

diese Stimme wird wohl niemals schweigen; sie wird nur immer leiser ... :ermm:

Herzlichst
Piccola

 Teo (16.11.23, 18:15)
Hi Zwerch,
was hat der Winter verbrochen, dass er für diesen Vergleich herhalten muss?
Ein wortstarkes Gedicht, ohne Zweifel.
Ich mag an dem Winter diese ruhigen, friedlichen Tage. Besonders nach Schneefall. Aber der Frieden hat da wohl gerade frei.
Schönes Gedicht.
LG
Teo

 AchterZwerg meinte dazu am 17.11.23 um 07:28:
Bezüglich der Schönheiten von Herbst und Winter sind wir uns durchaus einig. Als Metaphern für Tod und Verfall dienen sie aber seit eh und je ... wie soll ich armer kleiner Dichtungszwerg mich dem versagen? :ermm:
 
Vielen Dank für deinen Besuch (so viele Empfehlungen hatte ich mein' Forenlebtach noch nich!)

Echt getz

 Dieter Wal (18.11.23, 09:51)
Halte dies Gedicht bis auf die letzte Strophe für relativ misslungen, doch es erinnert mich in seinem Sprachmaterial an eins der bekanntesten aus den Blumen des Bösen von Baudelaire:


La Cloche fêlée

II est amer et doux, pendant les nuits d'hiver,
D'écouter, près du feu qui palpite et qui fume,
Les souvenirs lointains lentement s'élever
Au bruit des carillons qui chantent dans la brume.

Bienheureuse la cloche au gosier vigoureux
Qui, malgré sa vieillesse, alerte et bien portante,
Jette fidèlement son cri religieux,
Ainsi qu'un vieux soldat qui veille sous la tente!

Moi, mon âme est fêlée, et lorsqu'en ses ennuis
Elle veut de ses chants peupler l'air froid des nuits,
II arrive souvent que sa voix affaiblie

Semble le râle épais d'un blessé qu'on oublie
Au bord d'un lac de sang, sous un grand tas de morts
Et qui meurt, sans bouger, dans d'immenses efforts.

 Charles Baudelaire

 Nachdichtung Wolf von Kalckreuth:


DIE ZERSPRUNGENE GLOCKE

Wohl ist es herb und süß in langer Winternacht,
wann durch den trüben Rauch die Flammen flackernd dringen,
zu lauschen, wie Erinnern fern erwacht
beim Klang der Glocken, die im Nebelmeere singen.

Glückselge Glocke siegender Gewalt!
Von der trotz ihres Alters über Welten
stark und getreu der heilge Ruf erschallt,
dem grauen Krieger gleich, der wacht in den Gezelten.

Jedoch mein Herz zersprang, und wenn sein gramvoll Lied
in tiefer Pein die Luft der kalten Nacht durchzieht,
so gleicht sein schwacher Ruf dem bangen Röcheln dessen,

den man an einem See von dunklem Blut vergessen,
von Leichen ganz bedeckt, in fürchterlichem Krampf,
und der nun reglos stirbt trotz ungeheurem Kampf.

Dass Du in Deinen Kommentarantworten überaus empathisch über die schrecklich vielen Kriegsopfer des nahen Ostens schreibst, berührt mich. Ich danke Dir.

Kommentar geändert am 18.11.2023 um 11:46 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 18.11.23 um 18:11:
Lieber Dieter,
größere Ähnlichkeiten kann ich jetzt nicht festellen ... allenfalls im Anliegen.
Da ich aber Baudelaire von Herzen liebe, fühle ich mich eher geschmeichelt. Gern gebe ich auch zu, dass der etwas besser schreiben kann als ich!
Aber nur gaaanz wenig! 8-)

 Oops (07.12.23, 11:39)
Tief beeindruckt.

LG Oops

 AchterZwerg meinte dazu am 07.12.23 um 12:37:
Dankeschön, Oops. <3 
Nach der nötigen Abstandsphase denke ich mittlerweile auch, dass dieses Gedicht recht gut gelungen ist.
Es gibt im Grunde nur ein paar Gedichte, mit denen ich selbst zufrieden bin.
Das Gleiche sagte übrigens, selbstreflektierend, Altmeister Rilke. - Der allerdings per se noch einen Tic besser dichten konnte als ich. :D ;)
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