Gibt es den besten Roman der Welt?

Ansprache zum Thema Betrachtung

von  EkkehartMittelberg

Kein Geringerer als Marcel Reich-Ranicki hat dieses monumentale Werk als „den besten Roman der Welt“ bezeichnet. Sigmund Freud nannte ihn mit Hinweis auf die ödipale Thematik „einen der gewaltigsten Romane der Weltliteratur.“ (Wikipedia) Zu den zahlreichen Bewunderern gehört auch Albert Camus. Aber es gab auch kritische Stimmen, wie zum Beispiel „Henry James, D. H. Lawrence, Vladimir Nabokov und Milan Kundera, welche unter anderem die morbide und depressive Grundstimmung des Romans bemängelten.“ (Wikipedia)

Das Werk ist wie eine Kriminalgeschichte mit einem Justizirrtum am Ende aufgebaut. Es spiegelt die gesellschaftliche Struktur und Philosophie des damaligen Russlands.

Vier Brüder, unter ihnen ein illegitimer Sohn, hassen ihren vergnügungssüchtigen Vater und verkörpern unterschiedliche Geistesrichtungen. Der Älteste, großzügig, aber seinen Emotionen ausgeliefert, ähnelt dem zügellosen Vater, einem Lebemann. Der Mittlere ist ein atheistischer Intellektueller, der die Autorität Gottes anzweifelt, und der Jüngste, offensichtlich der Sympathieträger des Autors, ist fest im Christentum verwurzelt. Der Halbbruder, dem Intellektuellen verbunden, ist Vollstrecker der kriminellen Handlung des Vatermords.

Die weibliche Hauptfigur ist schön und attraktiv, liederlich und leidenschaftlich, zugleich berech- nend und hingebungsvoll. Sie wird von einem der Brüder und dem Vater umworben.

Die Nebenfiguren unterstreichen die philosophischen Spannungen des Romans und geben ihm noch mehr Tiefe, zum Beispiel der hochangesehene Starez eines orthodoxen Klosters als Gegengewicht zu dem atheistischen Bruder, die Geschichte eines Kindes, das in bedrückender Armut lebend an die Leiden Christi erinnert.

Neben philosophischen kreist der Roman hauptsächlich um theologische Fragen. So scheitert der atheistische Bruder u.a. an dem Problem, dass unschuldige Kinder für die Sünden der Menschheit leiden müssen. Im Zentrum des Buchs steht die Parabel vom Großinquisitor, der dem Wunder wirkenden Jesus in einem langen Monolog erklärt, dass sein Erscheinen mit der Botschaft der Freiheit die Menschen überfordere und die kontrollierende und Sicherheit bietende Arbeit der Kirche störe.

Der Autor hat es verstanden die großen geisteswissenschaftlichen Fragen seiner Zeit in eine faszinierende Handlung zu übersetzen, die seine LeserInnen zugleich emotional und intellektuell anspricht.



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Kommentare zu diesem Text


 Regina (28.04.25, 03:34)
Die Brüder kennen wir ja. Genial, jeder Figur eine Lebensausrichtung zuzuschreiben und sie miteinander agieren zu lassen. Aber wo sind die Schwestern?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.04.25 um 16:42:
Merci, Gina, berechtigte Frage. Frauen werden in diesem Roman leidenschaftlich umworben, aber die Gesellschaft ist noch patriarchalisch.

 AchterZwerg (28.04.25, 07:36)
Lieber Ekki,

es ist sicherlich nicht einfach, diesen so bekannten und großartigen Roman ins Rätselhafte zu hüllen.
Und du siehst ja, die Brüder werden sofort erkannt.

Klammheimlich stimme ich Reich-Ranicki zu, der D. (dieses eine Mal) qualitativ noch vor seinem über alles geliebten Thomas Mann einordnete.

Herzliche Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 28.04.25 um 16:47:
Grazie, da sind wir schon drei, Piccola. Mich hat nie wieder ein Buch so in den Bann geschlagen und ich habe wie Reich-Ranicki über der Lektüre meine Umwelt total vergessen.

Herzliche Grüße
Ekki

 FRP (28.04.25, 09:02)
Mal abgesehen von der Narretei seiner Slawophilie liebe ich diesen Autoren. Sehr. Aber Reich-Ranicki hat sich geirrt. Den besten Roman aller Zeiten hat er wahrscheinlich gar nicht gelesen. Es sind jene anderen Brüder, 12 an der Zahl.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 28.04.25 um 16:59:
Merci, FRP, eine Deutung, die Reich-Ranicki bestimmt nicht einkalkuliert hat.

 hehnerdreck (28.04.25, 13:15)
Gibt es den besten Roman der Welt?
.
Nun Cervantes Don Quijote sollte eigentlich auch ganz gut im Rennen sein.

LG

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 28.04.25 um 17:03:
Gracias, können wir uns darauf einigen, Hehni, dass Don Quijote der beste komische Roman aller Zeiten ist?

LG
Ekki

 uwesch (28.04.25, 16:16)
Welch ein Unsinn. Die Geschmäcker und Kriterien dafür sind doch zwangsläufig unterschiedlich, z.B. Sprache, Thema, Kreativität usw. LG Uwe

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 28.04.25 um 17:16:
Hallo Uwe,

Ich bin mir nicht so sicher, ob die Frage Reich-Ranickis und seine Antwort unsinnig sind, denn zu dem wichtigsten Kriterium eines Romans sind sich alle Rezensenten einig: Ein Roman sollte möglichst viel Welt enthalten. Um das zu erreichen, war es eine geniale Idee Dostojewskis, die Welt durch die unterschiedlichen Sichtweisen von vier Brüdern einzufangen.
Gleichwohl kann einem ein anderer Roman besser gefallen. Aber mit diesem sehr subjektiven Begriff verzichtet man auf Kriterien.
LG
Ekki

 uwesch meinte dazu am 28.04.25 um 20:46:
Entscheidend ist doch wer und wieviele Menschen einen Roman lesen und davon angetan sind. Die Bildungselite hat sicher auch andere Kriterien als der/die einfache LeserIn. Und KritikerInnen sind sich oft auch uneins.
LG Uwe

 harzgebirgler (28.04.25, 18:37)
hallo ekki,

ein bahnbrechendes werk, monumental
und allemal auch künftig erste wahl. :D

lg
henning

 Saudade (28.04.25, 20:31)
Nein, finde ich nicht, dass das "der beste Roman der Welt" ist, denn das ist für mich "Verbrechen und Strafe". Siehst du, alles subjektiv.
(2. Stelle "Ulysses"... anderes Kaliber)

Kommentar geändert am 28.04.2025 um 20:33 Uhr

 uwesch meinte dazu am 28.04.25 um 20:53:
Vieles ist doch sehr subjektiv. Insofern sind Besprechungen und Kritiken es auch. Ich habe noch einige Romane und Geschichtensammel-bände aus meiner Buchhändlerzeit, die ich jetzt als Rentner lese. Manchmal teile ich die Meinung der Kritiker, manchmal nicht. Wir sind doch alle durch unsere individuelle Sozialisation geprägt. Als Jungendlicher habe ich viel Karl-May gelesen. Heute lese ich "gute" und "weniger gute" - subjektiv betrachtet - Romane oder Erzählbände, weil ich als Rentner viel mehr Zeit dafür habe. Als Jugendlicher habe ich mir fast jede Woche mehrere Titel aus der Leihbibliothek in Flensburg geholt. Das prägt die "Leseratte". Den besten Roman gibt es nicht.
LG Uwe

Antwort geändert am 28.04.2025 um 20:59 Uhr

Antwort geändert am 28.04.2025 um 21:06 Uhr

Antwort geändert am 28.04.2025 um 21:12 Uhr

Antwort geändert am 28.04.2025 um 21:14 Uhr

Antwort geändert am 28.04.2025 um 21:15 Uhr

Antwort geändert am 28.04.2025 um 21:17 Uhr

 FrankReich meinte dazu am 28.04.25 um 21:22:
Ich habe jetzt mehrere Top-100 Listen über Bücher abgeglichen und egal ob es um den besten, beliebtesten, bzw. meistgelesenen Roman aller Zeiten ging, "Die Brüder Karamasow" war ebenso wenig auf den ersten 3 Plätzen zu finden wie "Schuld und Sühne", wenn es sich allerdings um Dostojewski-Romane im Besonderen handelt, wird "Schuld und Sühne" stets vor "Die Brüder Karamasow" genannt. 👋😂
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