Ein Mann sieht rot

Alltagsgedicht zum Thema Aggression

von  EkkehartMittelberg

Er rastet wieder einmal völlig aus,
vor seinen Augen flimmert rot die Glut,
die Kinder ducken sich vor seiner Wut,
und keiner ist mehr sicher in dem Haus.

Die Hiebe prasseln auf den Leib der Frau,
die sich dem Rasenden entgegenstellt
und von der Schläge Wucht zusammenfällt,
ein Häufchen Elend, wimmernd, grün und blau.

Den Zorn beherrschen wollten schon die Alten,
doch wie den Dämon zähmen, niederringen?
Im Zorn zu handeln macht doch keinen Sinn,

der alte Cato ließ ihn erst erkalten,
den frechen Sklaven diese Botschaft bringen:
„Nun* freut euch vorerst**, dass ich zornig bin.

* und **: Die Worte „nun“ und „vorerst“ sind Ergänzungen des Originalzitats


Anmerkung: Die Stoiker glaubten ihre Affekte durch Beherrschung besiegen zu können. Heute weiß man, dass Appelle an die Vernunft nicht ausreichen. Man vertraut auf langfristige Therapie, auch nur mit mäßigem Erfolg. Überfüllte Frauenhäuser machen skeptisch.








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Kommentare zu diesem Text


 Saira (18.10.25, 09:29)
Lieber Ekki,

dein Gedicht geht tief. Diese Szene könnte überall geschehen, hinter irgendeiner Tür, mitten im Alltag. Gerade durch die klare, ruhige Sprache wirkt sie noch beklemmender.

Mich berührt, dass du den Blick nicht nur auf die Gewalt lenkst, sondern auch auf das uralte Ringen mit dem Zorn selbst. Der Schritt von der konkreten Tat zu Cato und den Stoikern öffnet eine zweite, zeitlose Ebene - die Frage, ob wir Menschen jemals gelernt haben, den inneren Dämon zu zähmen.

Deine abschließende Anmerkung holt alles zurück in unsere Gegenwart. Sie klingt nüchtern, aber sie trägt viel Traurigkeit in sich - über eine Gesellschaft, die die Wut zwar analysiert, aber zu selten auffängt.

Ein starkes, stilles Gedicht. Es hallt nach.

Herzliche Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.10.25 um 12:14:
Gracie Sigi,
besser hätte ich die Intention meines Gedichts selbst nicht ausdrücken können.

Herzliche Grüße
Ekki

 Graeculus (18.10.25, 10:39)
Der Appell, der von außen kommt, bringt mit ziemlicher Sicherheit nichts.
Ich habe die Stoiker so verstanden, daß am Anfang eine Einsicht, ein Wille des Cholerikers stehen muß. Wenn ihm seine Entgleisungen selbst ein Schrecken mit folgender Scham sind, dann gibt es eine Aussicht auf Besserung durch stoische Empfehlungen.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 18.10.25 um 12:18:
Das entspricht auch meinem Verständnis stoischen Verhaltens.

 dubdidu (18.10.25, 11:40)
Man vertraut auf langfristige therapeutische Behandlung, auch nur mit mäßigem Erfolg
Ah ja? Eine Erfolgsquote von 50% - 70% ist aus deiner Sicht mäßig?

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 18.10.25 um 12:21:
Die von dir erwähnte Erfolgsquote halte ich nicht für mäßig.
Auf welche Statistik beziehst du dich?
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