Musterphilosoph

Persiflage zum Thema Philosophie

von  loslosch

Primum vivere, deinde philosophari (vermutlich auf Aristoteles zurückgehend, in der Neuzeit bei Hobbes und de Cervantes [Don Quijote], 17. Jh., erwähnt). Zuerst einmal leben, dann erst philosophieren.

Ein naheliegender Gedanke. Im übertragenen Sinne: Der Philosoph sollte bei seiner Denkarbeit nicht die Bodenhaftung verlieren.

Martin Heidegger (1889 bis 1976) hatte immer auch den wörtlichen, platten Sinn fest im Auge. In den 30er Jahren des 20. Jhs. ließ er sich bereitwillig vor den Karren der Nazis spannen und adelte in seiner berüchtigten Antrittsrede als Rektor der Uni Freiburg gleich im Frühjahr 1933 die Prinzipien von Volk und Führer. Seine verschwurbelte Sprache wiederum missfiel den Nazis, sodass er sich in sein wissenschaftliches Seinsgebäude einschloss.

Nach 1945 kämpfte er um seine Rehabilitierung, ganz der Philosoph mit der Bodenhaftung. 1951 wurde er ehrenhaft, d. h., mit vollem Pensionsanspruch, 62-jährig emeritiert. Primum vivere ... also.

Ende der 60er Jahre erklärte Heidegger in einem ausführlichen SPIEGEL-Interview (Augstein schätzte ihn auf seltsame Weise), wenn er jünger wäre, würde er als Galionsfigur der Studiosi mitmischen. Auf seine heiklen Jahre in der Nazizeit angesprochen, raunzte er geistesgegenwärtig:

Auch ein Philosoph darf sich bei Regen unterstellen.

Heidegger, der vorwissenschaftliches Denken rehabilitieren wollte, suggerierte mit seiner mystifizierenden Sprache gedankliche Tiefe, die seinem Werk aber fehlte (Hans Albert).

Mein "Lieblings"-Spruch Heideggers:

Das Wesen ist das Haus des Seins. (Siehe Anmerkung, Korrektur.)

Wo? Im Wesen? Im Haus? Im Sein?


Anmerkung von loslosch:

Im Rahmen des Volkssturms wurde Heidegger 1944, bereits Mitte 50, zur Schanzarbeit herangezogen. Selbst die Nazis hatten etwas Wirrköpfiges bei ihm ausgemacht. Bei der Zuordnung der Dozentenschaft (Ganz-Entbehrliche, Halb-Entbehrliche, Unentbehrliche) fiel er unter die Gruppe der Ganz-Entbehrlichen.

Anmerkung: "Die Sprache ist das Haus des Seins". So lautet das Zitat am Schluss des Textes korrekt. Heidegger in einer privaten Mitteilung (1949).

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Kommentare zu diesem Text

Jack (33)
(05.02.10)
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 loslosch meinte dazu am 05.02.10:
Welcher Cattani? Es gibt da noch die spöttische Variane (nichts zu ergooglen!) der nachgelassenen Heidegger-Denkschule: Seine Schüler verteilen sich auf drei Strömungen: Heideggerini, Heideggerelli, Heideggerazzi. So einfach. Lothar

 Peer (05.02.10)
Ich hörte immer, dass Heidegger einer der einflußreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts und Begründer der Fundamentologie war. Seine Wirkung und Rezeption unterschlägt dein Text.
LG Peer

 loslosch antwortete darauf am 05.02.10:
Ja, was man so hört. Lies mal, was er sprachlich über "Technik" geschwurbelt hat (Technik als Gestell). Googeln: Heidegger->wiki->Abschnitt Technik als Gestell.

Ich erinnere mich an einen Satz von ihm, leider nicht zu ergooglen: Technik ist das be-, her- und darstellbare Gestell. hihi. Lothar

 Rudolf (05.02.10)
Philosophen haben es nicht leicht. Sie behaupten, Grenzen der Erkenntnis zu suchen, und erkennen nicht, dass sie von Naturwissenschaftlern rechts und links überholt werden.

 loslosch schrieb daraufhin am 05.02.10:
Das schönste Beispiel liefert uns Hegel: Er hatte um 1820 was über die "Electricität" aufgeschnappt und verband sie auf wirre Weise mit seiner Dialektik von These, Antithese und Synthese. :) Lothar
KoKa (41)
(05.02.10)
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 loslosch äußerte darauf am 05.02.10:
Was ich hier zusammengefasst habe, wusste ich im Prinzip längst, mit einer Ausnahme - siehe meine Anmerkung: Heidegger musste 1944 bei Schanzarbeiten mit Hand anlegen. Schade, dass es keine Fotos davon gibt. Wie von Kaiser Wilhelm II, der mit Schnappschuss seinen 1000. Baum im Exil in Holland sägte. :) Lothar
mathis (48)
(05.02.10)
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 loslosch ergänzte dazu am 05.02.10:
Hübsch, das Bild vom Torfkahn. Gibt es den bei Euch noch?

Hoffentlich sehen die Leser, möglichst die jüngeren auch, einen Anlass, im Internet über Heidegger und sein Geschwurbel (Heideggerei) zu surfen. Wenn nur alles von ihm Geschwurbel wäre! Er hat nach 1945 nur ein einziges Mal zum Judenmord Stellung, als er die Technik als eine Art Gottheit denunzierte. Etwa so: Menschen wurden in Gaskammern mit industrieller Technik vergast. Die industrielle Technik war anstößig!

Seine Grundhaltung war, mehr oder minder verbrämt, antisemitisch - jedenfalls in der Vertikalen. In der Horizontalen gabs Ausnahmen (Hannah Arendt).
Lothar
Klopfstock (60)
(05.02.10)
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 loslosch meinte dazu am 05.02.10:
Klasse. Leider gibt Dir Martin dafür nur eine Sechs minus. :) Lothar
Klopfstock (60) meinte dazu am 05.02.10:
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 loslosch meinte dazu am 05.02.10:
... Wir sind sein Haus, sozusagen ...

Dazu such ich mir einen Römer, evtl. Seneca, raus und bastle was. Lo
scalidoro (58)
(05.02.10)
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 loslosch meinte dazu am 05.02.10:
... billig ... Boulevard-Sicht.

Ich kann nur auf inhaltliche Kritik antworten. Möglicherweise erwartest Du keine. Lothar
scalidoro (58) meinte dazu am 05.02.10:
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 loslosch meinte dazu am 05.02.10:
Ich lese heraus (" ... Wer sich mit Philosophie ..."), dass sich der Kommentator mit Philosophie befasst (hat). Für mich ist H. kein Philosoph, sondern ein rückwärts gewandter, technikfeindlicher Mystifizierer usw. Journalistisch - obwohl man das auch als Kompliment auffassen kann - ist mein Text schon deshalb nicht, weil der Heidegger-Spruch vom Unterstellen bei Regen nicht zu googeln ist, sondern aus meinem Mini-Langzeitspeicher abgerufen werden musste. Journalistische Recherche lässt das idR im wilden Tagesgeschäft nicht zu.

Wie ich sehe, hast Du viele Beiträge von den relativ wenigen, gemessen an der Verweildauer hier, zZ in Arbeit, so dass ich Dein Interesse an Ph. nicht ergründen kann. :) Lo
scalidoro (58) meinte dazu am 06.02.10:
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