Rattenstammtisch, diesmal wieder mit Ratten
Einakter zum Thema Humor
von Dart
Personen:
Jörg
Gisela
Ginger
Ludwig
Martina
Andreas
Oskar
Kellner
Koch
Diverse Ratten und ähnliche Tiere
Die Bühne ist der Innenraum eines Lokals. In der Mitte steht ein langer Tisch, auf dem zwei Schilder mit dem Wort „Stammtisch“ darauf sind. An der Längsseite sitzen von links nach rechts Andreas, Martina, Gisela und Jörg. Vor Andreas und Gisela steht jeweils eine Rattenbox. Vor Jörg liegen ein Ordner und mehrere kleinere Papierstapel.
Jörg:
Nun denn, hiermit beginnen wir mit der diesjährigen Vereinssitzung des Rattenstammtisches, e. V.
Martina:
Jörg, wollen wir nicht auf Oskar warten?
Jörg:
Martina – Oskar ist nicht Mitglied des Rattenstammtisches! Das wird man nur, wenn man eine Ratte hat.
Gisela:
Ach, nun hab dich nicht so. Irgendwie gehört er halt dazu. Und die Bisamratte vom letzten Mal kam doch wenigstens schon mal in die Nähe.
Jörg:
Verdammt, wie oft denn noch? Bisamratten im Sinne von Bisamratten sind keine Ratten im Sinne des Rattenstammtisches.
Andreas:
Ganz richtig, aber irgendwie ist er halt ein Teil von uns.
Jörg:
Nein, Paragraph eins der Statuten des Rattenstammtisches lautet: Nur wer Rattenhalter oder Rattenhalterin ist, darf zum Mitglied des Rattenstammtisches ernannt werden! Wenn jeder bei uns einfach so mitmachen darf, ist das der direkte Weg in den Kommunismus!
Andreas:
Ganz sicher?
Kellner:
[Er kommt auf die Bühne und bleibt verdutzt stehen.]
Sie!
Jörg:
Das gibt es doch nicht. Warum haben sie immer Dienst, wenn wir hier unsere Sitzungen abhalten?
Kellner:
Was machen sie an diesem Tisch?
Andreas:
Gruppentherapie.
Martina:
Wissen sie, das ist bloß die alljährliche Mitgliedervollversammlung.
Kellner:
Ach, das ist mir doch völlig egal. Und wissen sie auch warum? Weil sie in zehn Minuten sowieso wieder wilde Sau spielen. Und dann werde ich sie auch wie eh und je wieder rauswerfen müssen. Aber…was machen sie an diesem Tisch?
Gisela:
Na, wir sitzen hier und halten unsere Sitzung ab. Was war daran falsch verständlich?
Kellner:
Dieser Tisch ist reserviert! Da waren sogar Kärtchen drauf, wo genau das drauf stand!
Martina:
Kärtchen?
Kellner:
Ja, da stand ziemlich deutlich drauf: Dieser Tisch ist reserviert.
Jörg:
Nun, ich dachte, sie wollten uns eine Freude machen.
Kellner:
Ihnen? Warum sollte ich ihnen eine Freude machen?
Andreas:
Gruppenfeeling?
Jörg:
[Er schaut Andreas verwirrt an.]
Gruppenfeeling?
Kellner:
Hören sie, da sie sowieso im Durchschnitt nur eine Viertelstunde bleiben, können sie mir den Buckel runterrutschen. Aber dieser Tisch ist reserviert! Suchen sie sich also bitte einen anderen.
Martina:
Kein Problem.
Andreas:
Geht in Ordnung.
Gisela:
Machen wir.
Jörg:
[Er steht auf.]
Niemals! Ich berufe mich auf das allgemeine Versammlungsrecht, das uns vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewährt wird.
Kellner:
Können sie denn nicht einmal hierher kommen, ohne irgendwie rumzuschreien oder Ärger zu machen?
[Martina, Andreas und Gisela schauen gleichzeitig nach rechts.]
Martina:
Oh…
Gisela:
…mein…
Andreas:
…Gott!
Kellner und Jörg:
Was?
[Von rechts kommt Oskar mit einem sehr großen Paket an den Tisch.]
Oskar:
Hallo, meine Freunde – wie geht es euch?
Martina:
Nun geht es wohl wieder los.
Jörg:
Was ist in der Box?
Kellner:
Moment mal, haben sie etwa schon wieder diese Rattenviecher mitgebracht? Das hier ist ein Lokal! Haben sie denn noch nie etwas von Hygienevorschriften gehört?
Jörg:
[Er öffnet die Box.]
Oskar?
Oskar:
Ja?
Jörg:
Was soll das sein?
Oskar:
Na, nachdem du meine Bisamratte so harsch verurteilt hast nach dem letzten Mal, da dachte ich…
Jörg:
Was? Dass du jetzt gleich drei von diesen Biestern mitbringst?
Martina:
Drei?
Oskar:
Ja, ist das nicht toll?
Kellner:
Sind in der Schachtel da auch Ratten drin?
Jörg:
Oskar, verdammt noch mal – Bisamratten im Sinne von Bisamratten sind keine Ratten im Sinne des Rattenstammtisches! An der Tatsache ändert sich auch nichts, wenn du drei dieser Bastarde mitbringst!
Kellner:
Ist ihnen eigentlich klar, dass sie uns die Seuchenkontrolle an den Hals hetzen?
Oskar:
Jörg, du hattest nur gesagt, dass meine EINE Bisamratte nicht erwünscht ist! Du hast nichts gegen drei Bisamratten gesagt!
Jörg:
[Er faltet die Hände wie zum Gebet und blickt zur Zimmerdecke.]
Oh Herr, gib mir Taubheit, damit ich ihn mir nie wieder anhören muss! Oh Herr, segne mich mit Stummheit, damit ich mich nie wieder mit ihm unterhalten muss! Oh Herr, segne mich mit Blindheit, damit ich nie wieder diese abartigen Absonderlichkeiten namens Bisamratten anschauen muss, die er ständig anschleppt und von denen ich weiß, dass sie der Teufel in Nussknackergestalt persönlich auf diese Erde geschickt hat, um uns in unserem Glauben an die glorreiche Hoheit der Ratten zu verwirren! Aber, oh Herr, bitte – gib mir keine Kraft, denn sonst hau ich ihm eins in die Fresse!
Kellner:
Komisch, den letzten Satz sage ich jedes Mal, bevor ich schlafen gehe. Verfolgen sie mich?
Martina:
[Sie, Andreas und Gisela sind aufgestanden.]
Also, wir suchen schon mal einen neuen Tisch.
[Alle drei ab, stattdessen kommen Ludwig und Ginger auf die Bühne.]
Kellner:
Oh mein Gott, jetzt müssen sie aber wirklich gehen! Die Gäste, die den Tisch bestellt haben, sind da!
Jörg:
Wie? Die schon wieder?
Ginger:
Ich habe doch gesagt, wir sollten ein anderes Restaurant nehmen!
Oskar:
[Er nimmt den großen Karton.]
Also ich folge den anderen. Jörg, kommst du mit?
Jörg:
[Er atmet tief ein.]
Oskar, du bist nicht Mitglied des Rattenstammtisches! Also lauf mir auf gar keinen Fall hinterher!
[Mit dem Kellner ab.]
Oskar:
[Er setzt sich seufzend an eine Tischecke. Ginger und Ludwig setzen sich genau gegenüber hin.]
Manno. Jörg hat so was von keine Ahnung von Gruppenfeeling!
Ludwig:
Gruppenfeeling? Der einzigen Gruppe, der dieser Psychopath jemals angehört hat, war die, die sich auf Stühle im Kreis hingesetzt hat. Der kommt doch direkt aus der Anstalt!
Ginger:
Glaub mir, gegen den wirkst du viel normaler.
Oskar:
[Seine Miene hellt sich auf.]
Du hast recht – ich bin der Bessere von uns beiden!
[Er steht auf und nimmt den Karton.]
Jörg, du elender Mistkerl, jetzt werde ich dir gehörig mal die Meinung geigen!
[Ab, der Kellner kommt zurück.]
Kellner:
Die Menükarten. Äh, wo sind die Verrückten?
Ludwig:
Na, die haben sich doch an einen anderen Tisch gesetzt.
Kellner:
Oha, dann entschuldigen sie mich bitte, ich werde sehr wahrscheinlich gleich jemanden rauswerfen müssen!
[Ab, Ginger und Ludwig blättern in den Karten.]
Ginger:
Weißt du, ich bin jetzt zum dritten Mal hier. Und zum dritten Mal rennt auch dieser Irre hier rum!
Ludwig:
Hm, nur Jörg im Sinne von Jörg ist Jörg im Sinne des Rattenstammtisches.
Ginger:
Der Spruch war nicht annähernd so witzig wie du denkst.
Ludwig:
Ach komm schon, vielleicht benehmen sie sich ja dieses Mal.
Ginger:
Würdest du darauf wetten?
Ludwig:
Nicht mal eine Minute.
[Im Hintergrund wird die große Schachtel von Oskar auf die Bühne geworfen. Jörg kommt mit einer Schachtel Streichhölzer hinterher.]
Jörg:
Na los, du impertinenter Schwachkopf! Sag das noch einmal über meine Bettina Michaela von Ferdinand-Schaufelsheim und ich zünde dein Bestien an!
Oskar:
[Er kommt aufgebracht auf die Bühne.]
Du widerlicher Widerling von einem Wiederkäuer!
Jörg:
Wiederkäuer? Mehr fällt dir dazu nicht ein?
Oskar:
Als Kuh kann ich dich nicht schimpfen, weil ’Kuh’ weiblich ist! Und Stier geht auch nicht, weil du das als Kompliment auffassen würdest!
Jörg:
Natürlich würde ich das! Aber warum sagst du dann nicht einfach, ich sei ein Ochse?
Oskar:
Ha – weil du es gerade selbst gesagt hast!
Ginger:
Soso, diesmal könnten sie sich benehmen?
Ludwig:
Hey, ich hätte keine Wetten darauf abgeschlossen!
Kellner:
[Er kommt mit einem Feuerlöscher.]
Also meine Herren, entweder, wir regeln das wie üblich, sprich, ich werde sie jetzt hochkant rauswerfen. Oder ich hole den Koch!
Oskar:
Den Koch?
Jörg:
Warum sollten wir Angst vor einem Koch haben?
Kellner:
Weil sie Jean-Luc offenbar noch nie begegnet sind.
Koch:
[Er taucht hinter Jörg auf. Er ist hünenhaft gebaut, hat ein martialisches Aussehen und ein Fleischerbeil in der Hand. Oskar schreckt zusammen.]
Grmpf!
Jörg:
[Er dreht sich langsam um.]
Sind sie der Koch oder der Fleischlieferant?
Kellner:
Das ist Jean-Luc, unser Koch. Er macht eine ausgezeichnete Lasagne.
Oskar:
Und wenn wir uns benehmen?
Kellner:
Dann gibt es heute keine Lasagne.
Oskar:
Okay, Jörg, wollen wir das nicht friedlich am Tisch regeln?
Jörg:
Erst, wenn du das, was du über meine Bettina Michaela von Ferdinand-Schaufelsheim gesagt hast, auch zurücknimmst! Und wenn du dir endlich mal eine echt Ratte zulegst!
Ginger:
[Sie legt die Menükarte ab und schaut zu den Streithähnen.]
Weißt du Ludwig, jetzt habe ich echt für einen kurzen Moment geglaubt, er wäre zur Vernunft in der Lage.
Ludwig:
Ja, es irrt der Mensch, solang er lebt.
Oskar:
Jörg, überdenke, was du tust! Der Kerl hat ein sehr großes Beil in der Hand und er sieht aus, als würde er nicht zum ersten Mal Lasagne machen wollen!
Jörg:
[Er dreht sich entschlossen zum Koch.]
Haben sie eine Ratte?
Koch:
Ich habe viele Ratten.
Jörg:
[Er dreht sich wieder zu Oskar.]
Er ist Rattenhalter. Das heißt, in seinem tiefsten Inneren kann er kein böser Mensch sein!
Koch:
Ich wohne in einer ziemlich miesen Gegend. Glauben sie mir, ich halte mir diese Viecher nicht freiwillig! Aber da sie sich ja sowieso mit Ratten auskennen…
Jörg:
Ja?
Koch:
Wie sterben die Viecher am schnellsten? Ich habe schon hunderte an Fallen aufgestellt, überall Rattengift verteilt, aber glauben sie, die werden weniger?
Jörg:
[Entsetzt.]
Sie töten Ratten?
Koch:
Ja, ich will die schließlich nicht in meiner Wohnung haben!
Jörg:
Und sie legen dafür Fallen? Wissen sie was das ist? Geplanter Genozid ist das!
Kellner:
Ist ihnen eigentlich bewusst, dass sie ständig überreagieren?
Ginger:
Weißt du Ludwig, jedes Mal, wenn dieser Chaot hier einen seiner Anfälle kriegt, habe ich Spaß.
Ludwig:
Aha, was meinst du damit?
Jörg:
[Er tippt mit dem Finger auf der Brust des Kochs um.]
Wie können sie nur so grausam zu der schönsten Kreatur sein, die je auf Erden wandelte? Seine erhabene Göttlichkeit, der große Rattenkönig droben im Himmel wird am Ende aller Tage über sie richten und ich prophezeie ihnen die schlimmsten Höllenquallen!
Oskar:
[Zum Kellner.]
Ich bin ganz ruhig und außerdem allergisch gegen Lasagne. Darf ich ganz friedlich und protestlos an meinen Platz zurück gehen?
Kellner:
Von mir aus, aber keinen Mucks mehr und die Tiere bleiben in ihren Behältern!
[Oskar nimmt den großen Karton, ab.]
Jörg:
[Mit theatralischem Gebären.]
Das ist Feigheit vor dem Feinde! Kein Mitglied des Rattenstammtisches darf ein solches Verhalten an den Tag legen!
Kellner:
Jean-Luc, der Herr möchte dringend frische Luft schnappen.
Jörg:
[Scharf zum Koch.]
Wahrlich, ich beschwöre dir die Hölle hinauf!
Koch:
[Ängstlich.]
Chef, hat er recht?
Kellner:
Nein, der Typ ist einfach nur wahnsinnig!
Ginger:
Tust du mir einen Gefallen?
Ludwig:
Was denn?
Jörg:
Ewiges Höllenfeuer wird dich erwarten, brennen wirst du ewiglich!
Koch:
[Er fällt vor Jörg auf die Knie.]
Herr, vergib mir, denn ich habe gesündigt!
Kellner:
[Entsetzt.]
Jean-Luc!
Ginger:
[Sie greift Ludwigs Arm.]
Ludwig!
Ludwig:
Ginger!
Ginger:
[Sie greift den andern Arm.]
Ludwig!
Ludwig:
Ginger!
Kellner:
Ist jetzt mal Ruhe hier?
Jörg:
Bete zum ewigen Rattenkönig! Flehe um Vergebung! Hoffe darauf, im nächsten Leben als majestätischstes Geschöpf wiedergeboren zu werden, das es gibt!
Kellner:
Lassen sie das Personal sofort in Ruhe!
Koch:
Eine Küchenschabe?
Jörg:
Besser – eine Ratte!
Koch:
Eine Bisamratte zum Beispiel?
Jörg:
[Schreiend.]
NEIN!!
Kellner:
[Ebenfalls schreiend.]
RUHE!!
Ginger:
Ludwig – ich will eine Ratte!
Ludwig:
[Irritiert.]
Was, wieso das denn?
Ginger:
Weißt du, dieser Idiot ist so was von bescheuert, dass ich jedes Mal Spaß habe, wenn der austickt.
Ludwig:
Ginger, hast du einen Knall? Was soll denn…
Jörg:
Oh, ihr Elenden, möget ihr verrecken, wenn ihr nicht die Ratten dieser Welt preiset und lobet!
Koch:
Oh je, was sollen wir nur tun?
Jörg:
Seid unbesorgt, denn vor euch steht der größte Rattenzüchter aller Zeiten! Pro Stück nur zwanzig Euro!
Koch:
Da habe ich aber echt Glück gehabt.
Kellner:
Ist das bescheuert!
Ludwig:
Was bitte gefällt dir daran?
Ginger:
Das Gruppenfeeling!
[Licht aus, Ende.]
Jörg
Gisela
Ginger
Ludwig
Martina
Andreas
Oskar
Kellner
Koch
Diverse Ratten und ähnliche Tiere
Die Bühne ist der Innenraum eines Lokals. In der Mitte steht ein langer Tisch, auf dem zwei Schilder mit dem Wort „Stammtisch“ darauf sind. An der Längsseite sitzen von links nach rechts Andreas, Martina, Gisela und Jörg. Vor Andreas und Gisela steht jeweils eine Rattenbox. Vor Jörg liegen ein Ordner und mehrere kleinere Papierstapel.
Jörg:
Nun denn, hiermit beginnen wir mit der diesjährigen Vereinssitzung des Rattenstammtisches, e. V.
Martina:
Jörg, wollen wir nicht auf Oskar warten?
Jörg:
Martina – Oskar ist nicht Mitglied des Rattenstammtisches! Das wird man nur, wenn man eine Ratte hat.
Gisela:
Ach, nun hab dich nicht so. Irgendwie gehört er halt dazu. Und die Bisamratte vom letzten Mal kam doch wenigstens schon mal in die Nähe.
Jörg:
Verdammt, wie oft denn noch? Bisamratten im Sinne von Bisamratten sind keine Ratten im Sinne des Rattenstammtisches.
Andreas:
Ganz richtig, aber irgendwie ist er halt ein Teil von uns.
Jörg:
Nein, Paragraph eins der Statuten des Rattenstammtisches lautet: Nur wer Rattenhalter oder Rattenhalterin ist, darf zum Mitglied des Rattenstammtisches ernannt werden! Wenn jeder bei uns einfach so mitmachen darf, ist das der direkte Weg in den Kommunismus!
Andreas:
Ganz sicher?
Kellner:
[Er kommt auf die Bühne und bleibt verdutzt stehen.]
Sie!
Jörg:
Das gibt es doch nicht. Warum haben sie immer Dienst, wenn wir hier unsere Sitzungen abhalten?
Kellner:
Was machen sie an diesem Tisch?
Andreas:
Gruppentherapie.
Martina:
Wissen sie, das ist bloß die alljährliche Mitgliedervollversammlung.
Kellner:
Ach, das ist mir doch völlig egal. Und wissen sie auch warum? Weil sie in zehn Minuten sowieso wieder wilde Sau spielen. Und dann werde ich sie auch wie eh und je wieder rauswerfen müssen. Aber…was machen sie an diesem Tisch?
Gisela:
Na, wir sitzen hier und halten unsere Sitzung ab. Was war daran falsch verständlich?
Kellner:
Dieser Tisch ist reserviert! Da waren sogar Kärtchen drauf, wo genau das drauf stand!
Martina:
Kärtchen?
Kellner:
Ja, da stand ziemlich deutlich drauf: Dieser Tisch ist reserviert.
Jörg:
Nun, ich dachte, sie wollten uns eine Freude machen.
Kellner:
Ihnen? Warum sollte ich ihnen eine Freude machen?
Andreas:
Gruppenfeeling?
Jörg:
[Er schaut Andreas verwirrt an.]
Gruppenfeeling?
Kellner:
Hören sie, da sie sowieso im Durchschnitt nur eine Viertelstunde bleiben, können sie mir den Buckel runterrutschen. Aber dieser Tisch ist reserviert! Suchen sie sich also bitte einen anderen.
Martina:
Kein Problem.
Andreas:
Geht in Ordnung.
Gisela:
Machen wir.
Jörg:
[Er steht auf.]
Niemals! Ich berufe mich auf das allgemeine Versammlungsrecht, das uns vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewährt wird.
Kellner:
Können sie denn nicht einmal hierher kommen, ohne irgendwie rumzuschreien oder Ärger zu machen?
[Martina, Andreas und Gisela schauen gleichzeitig nach rechts.]
Martina:
Oh…
Gisela:
…mein…
Andreas:
…Gott!
Kellner und Jörg:
Was?
[Von rechts kommt Oskar mit einem sehr großen Paket an den Tisch.]
Oskar:
Hallo, meine Freunde – wie geht es euch?
Martina:
Nun geht es wohl wieder los.
Jörg:
Was ist in der Box?
Kellner:
Moment mal, haben sie etwa schon wieder diese Rattenviecher mitgebracht? Das hier ist ein Lokal! Haben sie denn noch nie etwas von Hygienevorschriften gehört?
Jörg:
[Er öffnet die Box.]
Oskar?
Oskar:
Ja?
Jörg:
Was soll das sein?
Oskar:
Na, nachdem du meine Bisamratte so harsch verurteilt hast nach dem letzten Mal, da dachte ich…
Jörg:
Was? Dass du jetzt gleich drei von diesen Biestern mitbringst?
Martina:
Drei?
Oskar:
Ja, ist das nicht toll?
Kellner:
Sind in der Schachtel da auch Ratten drin?
Jörg:
Oskar, verdammt noch mal – Bisamratten im Sinne von Bisamratten sind keine Ratten im Sinne des Rattenstammtisches! An der Tatsache ändert sich auch nichts, wenn du drei dieser Bastarde mitbringst!
Kellner:
Ist ihnen eigentlich klar, dass sie uns die Seuchenkontrolle an den Hals hetzen?
Oskar:
Jörg, du hattest nur gesagt, dass meine EINE Bisamratte nicht erwünscht ist! Du hast nichts gegen drei Bisamratten gesagt!
Jörg:
[Er faltet die Hände wie zum Gebet und blickt zur Zimmerdecke.]
Oh Herr, gib mir Taubheit, damit ich ihn mir nie wieder anhören muss! Oh Herr, segne mich mit Stummheit, damit ich mich nie wieder mit ihm unterhalten muss! Oh Herr, segne mich mit Blindheit, damit ich nie wieder diese abartigen Absonderlichkeiten namens Bisamratten anschauen muss, die er ständig anschleppt und von denen ich weiß, dass sie der Teufel in Nussknackergestalt persönlich auf diese Erde geschickt hat, um uns in unserem Glauben an die glorreiche Hoheit der Ratten zu verwirren! Aber, oh Herr, bitte – gib mir keine Kraft, denn sonst hau ich ihm eins in die Fresse!
Kellner:
Komisch, den letzten Satz sage ich jedes Mal, bevor ich schlafen gehe. Verfolgen sie mich?
Martina:
[Sie, Andreas und Gisela sind aufgestanden.]
Also, wir suchen schon mal einen neuen Tisch.
[Alle drei ab, stattdessen kommen Ludwig und Ginger auf die Bühne.]
Kellner:
Oh mein Gott, jetzt müssen sie aber wirklich gehen! Die Gäste, die den Tisch bestellt haben, sind da!
Jörg:
Wie? Die schon wieder?
Ginger:
Ich habe doch gesagt, wir sollten ein anderes Restaurant nehmen!
Oskar:
[Er nimmt den großen Karton.]
Also ich folge den anderen. Jörg, kommst du mit?
Jörg:
[Er atmet tief ein.]
Oskar, du bist nicht Mitglied des Rattenstammtisches! Also lauf mir auf gar keinen Fall hinterher!
[Mit dem Kellner ab.]
Oskar:
[Er setzt sich seufzend an eine Tischecke. Ginger und Ludwig setzen sich genau gegenüber hin.]
Manno. Jörg hat so was von keine Ahnung von Gruppenfeeling!
Ludwig:
Gruppenfeeling? Der einzigen Gruppe, der dieser Psychopath jemals angehört hat, war die, die sich auf Stühle im Kreis hingesetzt hat. Der kommt doch direkt aus der Anstalt!
Ginger:
Glaub mir, gegen den wirkst du viel normaler.
Oskar:
[Seine Miene hellt sich auf.]
Du hast recht – ich bin der Bessere von uns beiden!
[Er steht auf und nimmt den Karton.]
Jörg, du elender Mistkerl, jetzt werde ich dir gehörig mal die Meinung geigen!
[Ab, der Kellner kommt zurück.]
Kellner:
Die Menükarten. Äh, wo sind die Verrückten?
Ludwig:
Na, die haben sich doch an einen anderen Tisch gesetzt.
Kellner:
Oha, dann entschuldigen sie mich bitte, ich werde sehr wahrscheinlich gleich jemanden rauswerfen müssen!
[Ab, Ginger und Ludwig blättern in den Karten.]
Ginger:
Weißt du, ich bin jetzt zum dritten Mal hier. Und zum dritten Mal rennt auch dieser Irre hier rum!
Ludwig:
Hm, nur Jörg im Sinne von Jörg ist Jörg im Sinne des Rattenstammtisches.
Ginger:
Der Spruch war nicht annähernd so witzig wie du denkst.
Ludwig:
Ach komm schon, vielleicht benehmen sie sich ja dieses Mal.
Ginger:
Würdest du darauf wetten?
Ludwig:
Nicht mal eine Minute.
[Im Hintergrund wird die große Schachtel von Oskar auf die Bühne geworfen. Jörg kommt mit einer Schachtel Streichhölzer hinterher.]
Jörg:
Na los, du impertinenter Schwachkopf! Sag das noch einmal über meine Bettina Michaela von Ferdinand-Schaufelsheim und ich zünde dein Bestien an!
Oskar:
[Er kommt aufgebracht auf die Bühne.]
Du widerlicher Widerling von einem Wiederkäuer!
Jörg:
Wiederkäuer? Mehr fällt dir dazu nicht ein?
Oskar:
Als Kuh kann ich dich nicht schimpfen, weil ’Kuh’ weiblich ist! Und Stier geht auch nicht, weil du das als Kompliment auffassen würdest!
Jörg:
Natürlich würde ich das! Aber warum sagst du dann nicht einfach, ich sei ein Ochse?
Oskar:
Ha – weil du es gerade selbst gesagt hast!
Ginger:
Soso, diesmal könnten sie sich benehmen?
Ludwig:
Hey, ich hätte keine Wetten darauf abgeschlossen!
Kellner:
[Er kommt mit einem Feuerlöscher.]
Also meine Herren, entweder, wir regeln das wie üblich, sprich, ich werde sie jetzt hochkant rauswerfen. Oder ich hole den Koch!
Oskar:
Den Koch?
Jörg:
Warum sollten wir Angst vor einem Koch haben?
Kellner:
Weil sie Jean-Luc offenbar noch nie begegnet sind.
Koch:
[Er taucht hinter Jörg auf. Er ist hünenhaft gebaut, hat ein martialisches Aussehen und ein Fleischerbeil in der Hand. Oskar schreckt zusammen.]
Grmpf!
Jörg:
[Er dreht sich langsam um.]
Sind sie der Koch oder der Fleischlieferant?
Kellner:
Das ist Jean-Luc, unser Koch. Er macht eine ausgezeichnete Lasagne.
Oskar:
Und wenn wir uns benehmen?
Kellner:
Dann gibt es heute keine Lasagne.
Oskar:
Okay, Jörg, wollen wir das nicht friedlich am Tisch regeln?
Jörg:
Erst, wenn du das, was du über meine Bettina Michaela von Ferdinand-Schaufelsheim gesagt hast, auch zurücknimmst! Und wenn du dir endlich mal eine echt Ratte zulegst!
Ginger:
[Sie legt die Menükarte ab und schaut zu den Streithähnen.]
Weißt du Ludwig, jetzt habe ich echt für einen kurzen Moment geglaubt, er wäre zur Vernunft in der Lage.
Ludwig:
Ja, es irrt der Mensch, solang er lebt.
Oskar:
Jörg, überdenke, was du tust! Der Kerl hat ein sehr großes Beil in der Hand und er sieht aus, als würde er nicht zum ersten Mal Lasagne machen wollen!
Jörg:
[Er dreht sich entschlossen zum Koch.]
Haben sie eine Ratte?
Koch:
Ich habe viele Ratten.
Jörg:
[Er dreht sich wieder zu Oskar.]
Er ist Rattenhalter. Das heißt, in seinem tiefsten Inneren kann er kein böser Mensch sein!
Koch:
Ich wohne in einer ziemlich miesen Gegend. Glauben sie mir, ich halte mir diese Viecher nicht freiwillig! Aber da sie sich ja sowieso mit Ratten auskennen…
Jörg:
Ja?
Koch:
Wie sterben die Viecher am schnellsten? Ich habe schon hunderte an Fallen aufgestellt, überall Rattengift verteilt, aber glauben sie, die werden weniger?
Jörg:
[Entsetzt.]
Sie töten Ratten?
Koch:
Ja, ich will die schließlich nicht in meiner Wohnung haben!
Jörg:
Und sie legen dafür Fallen? Wissen sie was das ist? Geplanter Genozid ist das!
Kellner:
Ist ihnen eigentlich bewusst, dass sie ständig überreagieren?
Ginger:
Weißt du Ludwig, jedes Mal, wenn dieser Chaot hier einen seiner Anfälle kriegt, habe ich Spaß.
Ludwig:
Aha, was meinst du damit?
Jörg:
[Er tippt mit dem Finger auf der Brust des Kochs um.]
Wie können sie nur so grausam zu der schönsten Kreatur sein, die je auf Erden wandelte? Seine erhabene Göttlichkeit, der große Rattenkönig droben im Himmel wird am Ende aller Tage über sie richten und ich prophezeie ihnen die schlimmsten Höllenquallen!
Oskar:
[Zum Kellner.]
Ich bin ganz ruhig und außerdem allergisch gegen Lasagne. Darf ich ganz friedlich und protestlos an meinen Platz zurück gehen?
Kellner:
Von mir aus, aber keinen Mucks mehr und die Tiere bleiben in ihren Behältern!
[Oskar nimmt den großen Karton, ab.]
Jörg:
[Mit theatralischem Gebären.]
Das ist Feigheit vor dem Feinde! Kein Mitglied des Rattenstammtisches darf ein solches Verhalten an den Tag legen!
Kellner:
Jean-Luc, der Herr möchte dringend frische Luft schnappen.
Jörg:
[Scharf zum Koch.]
Wahrlich, ich beschwöre dir die Hölle hinauf!
Koch:
[Ängstlich.]
Chef, hat er recht?
Kellner:
Nein, der Typ ist einfach nur wahnsinnig!
Ginger:
Tust du mir einen Gefallen?
Ludwig:
Was denn?
Jörg:
Ewiges Höllenfeuer wird dich erwarten, brennen wirst du ewiglich!
Koch:
[Er fällt vor Jörg auf die Knie.]
Herr, vergib mir, denn ich habe gesündigt!
Kellner:
[Entsetzt.]
Jean-Luc!
Ginger:
[Sie greift Ludwigs Arm.]
Ludwig!
Ludwig:
Ginger!
Ginger:
[Sie greift den andern Arm.]
Ludwig!
Ludwig:
Ginger!
Kellner:
Ist jetzt mal Ruhe hier?
Jörg:
Bete zum ewigen Rattenkönig! Flehe um Vergebung! Hoffe darauf, im nächsten Leben als majestätischstes Geschöpf wiedergeboren zu werden, das es gibt!
Kellner:
Lassen sie das Personal sofort in Ruhe!
Koch:
Eine Küchenschabe?
Jörg:
Besser – eine Ratte!
Koch:
Eine Bisamratte zum Beispiel?
Jörg:
[Schreiend.]
NEIN!!
Kellner:
[Ebenfalls schreiend.]
RUHE!!
Ginger:
Ludwig – ich will eine Ratte!
Ludwig:
[Irritiert.]
Was, wieso das denn?
Ginger:
Weißt du, dieser Idiot ist so was von bescheuert, dass ich jedes Mal Spaß habe, wenn der austickt.
Ludwig:
Ginger, hast du einen Knall? Was soll denn…
Jörg:
Oh, ihr Elenden, möget ihr verrecken, wenn ihr nicht die Ratten dieser Welt preiset und lobet!
Koch:
Oh je, was sollen wir nur tun?
Jörg:
Seid unbesorgt, denn vor euch steht der größte Rattenzüchter aller Zeiten! Pro Stück nur zwanzig Euro!
Koch:
Da habe ich aber echt Glück gehabt.
Kellner:
Ist das bescheuert!
Ludwig:
Was bitte gefällt dir daran?
Ginger:
Das Gruppenfeeling!
[Licht aus, Ende.]