An der Garderobe abzugeben

Persiflage zum Thema Religion

von  loslosch

Sacrificium intellectus (nach Ignatius von Loyola, 1491 bis 1556). Opfer des Verstandes.

In der katholischen Theologie spielt dieser Leitspruch eine herausragende Rolle. Er besagt im Kern, dass der Katholik zur Not seinen Denkapparat abzugeben hat - wie einen Mantel beim Empfang an der Garderobe. Man denke an die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel oder die Unfehlbarkeit des Papstes, um nur diese Punkte anzuführen. Auch die sog. Trinitätslehre ist ein logisches Fallbeil.

Für den profanen Bereich hatte Fürst Otto von Bismarck (1815 bis 1898) diesen Spruch verinnerlicht, im Umgang mit dem jungen Kaiser Wilhelm II. (1859 bis 1941). Was der Kaiser nicht hören will, darf man nicht vortragen.

Bei den priesterlichen sexuellen Übergriffen, die im Jahre 2010 vor allem im deutschen Sprachraum an die Oberfläche schwappten, verhält es sich - auf etwas verschrobener und verschobener Ebene - ähnlich: Der sakramental (halt nur nicht mental) geweihte Priester hat im Zeitpunkt seines Übergriffs, von seinen "Gefühlen" überwältigt, seinen Verstand abgegeben; pervertiert zwar, aber ganz nach dem antiken römischen Motto: Amantes, amentes. Verliebte sind ohne Verstand. Hier viel schlimmer noch, weil psychischer Druck und Zwang auf den meist minderjährigen "Partner" ausgeübt wird. Sacrificium intellectus mal ganz anders.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (21.10.11)
Im Verlauf der Geschichte wurde aus dem jüdischen Monotheismus im Christentum zunächst Vater und Sohn, der sich (im NT) opfert (vgl. AT: Abraham und Isaac), dann kommt der heilige Geist dazu, später Maria (vielleicht die beste Erscheinung auf dem Weg zum christlichen Polytheismus), und die vielen Heiligen und Päpste, bis hinunter zum Pfarrer und Ministranten.

Die Naivität, mit der insbesondere fromme Katholiken eine solche Theologie glauben können, steht in einem faszinierenden Widerspruch zu der kanonischen Kirchenwirklichkeit in Sachen Glaube und seine Umsetzung in moralische Realität.

So kritisch ich diese Theologie sehe (die teilweise ihre Entsprechungen in den protestantischen Kirchen hat), so sehr schätze ich sie als prämoderne Mythologie, die bis auf den heutigen Tag ästhetisch wirkt (z. B. der Malerpriester Herbert Falken).

Ich will ausnahmsweise bei dieser Gelegenheit mitteilen, dass ich examinierter Theologe bin, und ich gab über 15 Jahre lang (ev.) Religionsunterricht bis zum Abitur einschließlich.

Mein Kommentar ist natürlich nur eine sehr kurz gefasste Darstellung eines Sachverhalts, der ziemlich komplex ist und, da Theologie sich permanent wandelt, auch nicht abgeschlossen ist, von Rom abgesehen.

Ich bin nie gläubig gewesen, immer aber an Religion interessiert. Ich sehe die Religion(sgeschichte) wie die Kunst(geschichte) - als spannende Sache, als art work in progress...

 Irma meinte dazu am 21.10.11:
Darf ich einfach mal neugierig nachfragen, wieso man ausgerechnet Religionslehrer wird, wenn man selbst nie gläubig war? Und kann man denn etwas überzeugend vermitteln, von dem man selbst nicht überzeugt ist? (Nicht falsch verstehen, die Frage. Interessiert mich wirklich!) LG BirmchenIrmchen

 Bergmann antwortete darauf am 21.10.11:
Das sind natürlich berechtigte Fragen.
Als ich Religion aus Interesse an der Sache studierte - als wäre es Philosophie -, sah ich mich nicht als Religionslehrer, der ich dann wurde; allerdings nur mit wenigen Stunden pro Woche.
Die 'innere Missionierung' ist nicht die Hauptsache, sondern das Fragen und Suchen nach einer weltanschaulichen und/oder religiösen Position. Das gelang mir gut. Um MEINEN Glauben oder Nichtglauben ging es in den Stunden nicht; die Schüler setzten das voraus, weil sie es für selbstverständlich hielten. Schwieriger war, dass sie auch immer annahmen, ich stünde auch felsenfest (!) hinter den Dogmen der katholischen Kirche. Überhaupt sahen mich Schüler evangelischer Herkunft im Rheinland als Repräsentant päpstlicher Haltungen... Ich merkte, dass ich im Fach Deutsch oder Geschichte wesentlich mehr religiöse und Fragehaltungen und das Suchen nach weltanschaulichen Standpunkten fördern konnte, weil hier der Kirchenaspekt entfiel.
Ich habe dann vor über 10 Jahren das Fach Religion im Einverständnis mit der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Schulaufsicht/Schulleitung aufgegeben und unterrichtete seitdem im Fach Praktische Philosophie (NRW).
(Hauptsächlich war ich Deutschlehrer (60 %), Geschichtslehrer (25 %), und machte Schülertheater.)

 Irma schrieb daraufhin am 21.10.11:
Vielen Dank für diese ausführliche Antwort. Ich schimpfe angesichts des übervollen Stundenplans meiner Tochter immer über das neue Unterrichtsfach Ethik, dass leider verpflichtend ist und nicht alternativ zum Religionsunterricht gewählt werden kann. Andererseits wird dadurch natürlich der Blick erweitert und die Religion - sofern man sich bewußt dazu entscheidet - wird zu einem Mantel, den man sich freiwillig überzieht (um mal im Bild von Lo zu bleiben).

Herzlichen Dank, Bergmann für Deine Ausführungen. Und Lo für den anregenden Text. LG BirmchenIrmchen
(Antwort korrigiert am 21.10.2011)
RobertaRupp (48)
(21.10.11)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch äußerte darauf am 21.10.11:
das standesamt erst auf der 4. position! hast du dir das auch gut überlegt, roberta? lothar
GunterRupp (51) ergänzte dazu am 21.10.11:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
ichbinelvis1951 (64) meinte dazu am 21.10.11:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch meinte dazu am 21.10.11:
die distanzierte einstellung eines augsburgers. bist du Mixa-geschädigt, klaus? lothar, bedankend
*Frieda* (48)
(21.10.11)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 loslosch meinte dazu am 21.10.11:
geht leider. wieviele dumpf-gläubige glauben an die leibliche aufnahme mariens in den himmel. credo, quia absurdum. ich glaube daran, gerade weil es absurd ist. so ähnlich ein christlicher kirchenvater (tertullian).

ein hoch den kopflosen! lohar

 EkkehartMittelberg (21.10.11)
Ich fürchte, dass in den meisten Fällen, wo es so scheint, nicht der Verstand an der Garderobe abgegeben wird, sondern der Mut zum Widerspruch. Der Verstand, der sich nur schwer ablegen lässt (sofern er denn vorhanden ist), flüstert seinem Träger zu: „Halt’s Maul und mach dir keinen Ärger.“ -)))

 loslosch meinte dazu am 21.10.11:
eigentlich wollte ich dir widersprechen, ekki. aber mit der eingeklammerten bemerkung machst du es mir unmöglich. lothar

 Bergmann meinte dazu am 21.10.11:
Und ich traue mich nicht, einem von euch beiden zuzustimmen...
:-)

 loslosch meinte dazu am 21.10.11:
kokettierende befangenheit?

 Bergmann meinte dazu am 21.10.11:
Nein, Klugheit. Ich will keine Eifersucht schüren. Ich erinnere an Schillers Bärchschaft ...

 loslosch meinte dazu am 21.10.11:
... ebenso an goethes erlgeenich ...

 Bergmann meinte dazu am 22.10.11:
un dör dahucher, blubb blubb wech woorör...

 Lluviagata (21.10.11)
Kadavergehorsam?

 loslosch meinte dazu am 21.10.11:
kennst du den kosenamen für fronleichnam (fron, herr - leichnam des herrn)? im rheinland volkstümelnd: happy cadaver. lateinisch: cadaver christi.

treffer, getroffen hast du allerdings nur ein phantom, andrea. lothar
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram