Tausend Tode sterben?

Glosse zum Thema Tod

von  loslosch

Mortem timere crudelius est quam mori (Publilius Syrus, 1. Jh. v. Chr.; Sententiae). Den Tod fürchten ist grausamer als sterben.

Dieser Spruch hält für den grüblerischen, furchtsamen Leser etwas ungemein Tröstendes bereit. Keiner vermag uns Lebenden von seinen Erfahrungen mit dem Tod zu berichten. Wenn nach aktuellem medizinischen Wissensstand sog. hoffnungslose Fälle, z. B. Komapatienten, wider Erwarten Bewusstsein erlangen und von ihren Wahrnehmungen an der vorgeblichen Schwelle des Todes berichten, so sollte kein vernünftiger, klar denkender Mensch jenseitige Erfahrungen herauslesen. Bestenfalls kann der Betroffene von Fieberträumen und Halluzinationen erzählen, schlimmstenfalls einer subjektiven Selbsttäuschung erlegen sein. Forschungsanliegen könnte indessen sein, herauszufinden, wie das menschliche Gehirn in Extremsituationen tickt.

Die antike, kurze wie knappe Sentenz ist psychologisch eine kleine Meisterleistung. Launig-modern formuliert: Warum willst du tausend Tode sterben? Belass es bei diesem einen, unabwendbaren Ereignis. Tröstliche Worte.

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Kommentare zu diesem Text


 irakulani (16.11.12)
Der vorgenommene (gedachte) Tod ist schlimmer (und vor allem öfter ) als der eigentliche.
Ähnliche ist es mit Angst vor Katastrophen. Diese vergällt den daran leidenden Menschen kostbare Jahre des Lebens...
ich denke, es reicht, wenn man sich fürchtet, wenn es dann soweit ist.
Manche Dinge sind einfach unabänderlich.

L.G.
Ira
AronManfeld (43) meinte dazu am 16.11.12:
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 loslosch antwortete darauf am 16.11.12:
@ira: ja, die parallele zu katastrophen passt. auch darüber haben die alten schon nachgedacht, über traumata.

@aron: Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage:
Whether 'tis nobler in the mind to suffer Ob's edler im Gemüt, die Pfeil' und Schleudern
The slings and arrows of outrageous fortune Des wütenden Geschicks erdulden, oder,
Or to take arms against a sea of troubles Sich waffnend gegen eine See von Plagen,
And by opposing end them. To die, to sleep - Durch Widerstand sie enden. Sterben - schlafen -
No more - and by a sleep to say we end Nichts weiter! - und zu wissen, daß ein Schlaf
The heartache and the thousand natural shocks Das Herzweh und die tausend Stöße endet, ... (trans. August Wilhelm von Schlegel) lo

 Bergmann (16.11.12)
Ein Lotino bester Art (art).
Der Spruch ist aber auch echt gut.
ttU

 loslosch schrieb daraufhin am 16.11.12:
frustrierte mögen das anders sehen. im mittelteil wollte ich darstellen, dass es nur diesen EINEN tod gibt. t.t. lo

 Bergmann äußerte darauf am 16.11.12:
Physisch gibts nur einen Tod, aber der kann in Scheiben kommen. Metaphorisch gibt es viele Tode, schöne und gute und schmerzliche. Aber das ist in der Sentenz wohl nicht so angelegt, lieber Archeologicus.
ttU

 loslosch ergänzte dazu am 16.11.12:
richtig. und das gilt auch für den beobachterstatus, uli!
Möwe (63)
(16.11.12)
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 loslosch meinte dazu am 16.11.12:
naja, eigentlich wars publilius syrus. wobei der schon vieles gekupfert hatte. danke. lo
LudwigJanssen (54)
(16.11.12)
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 loslosch meinte dazu am 06.06.17:
bezaubernder kommi.

 Lluviagata (16.11.12)
Ich fürchte den Tod nicht, bin trotzdem ein sehr ängstlicher Mensch. Hier klafft m.E. eine Schere zwischen meinem Denken und meinem Empfinden. Das Beste wäre wohl, einen Mittelweg zu finden. Wer zeigt ihn mir?

Regt an, wieder mal über den Tod nachzudenken, lo!

Liebe Grüße
Llu ♥

 loslosch meinte dazu am 16.11.12:
regt an ... aber bitte nicht zu sehr nachdenken, andrea. danke. lo
Regentrude (53)
(16.11.12)
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 loslosch meinte dazu am 16.11.12:
dIeses "jeder stirbt ..." hatte ich auch im kopf. dann fand ichs gestern, als ich arons tod des autors über der tastatur kommentierte, bei fallada in anderem kontext wieder. danke, silke lolo

 ViktorVanHynthersin (16.11.12)
Warum tausend Tode sterben, wenn der eine, der eigene, liegt so nah? Wir können den Tod nicht abwenden, nicht den einer geliebten Person, noch unseren eigenen. Darüber nachdenken ja, grübeln nein.
Herzliche Grüße
Viktor

 loslosch meinte dazu am 16.11.12:
schön makaber: warum denn in die ferne schweifen, wenn ... (-_-)
danke, viktor. lo
ichbinelvis1951 (64)
(16.11.12)
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 loslosch meinte dazu am 16.11.12:
in abwandlung schreibt seneca an anderer stelle: "Kein Übel ist groß, wenn es das letzte ist."

nach dem tod hat man keine schmerzen mehr und kann sich an dieses allerletzte übel nicht mehr erinnern, klaus. das war ein impuls. danke. lo

 EkkehartMittelberg (16.11.12)
"Die antike, kurze wie knappe Sentenz ist psychologisch eine kleine Meisterleistung.", die anschließende moderne Übersetzung (besser Übertragung) stilistisch.

 loslosch meinte dazu am 16.11.12:
ich darf doch sehr bitten, ekki. t.t. lo
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