Stätte der Entscheidung

Glosse zum Thema Tod

von  loslosch

Hic locus est, ubi mors gaudet succurrere vitae (Quelle unklar; vermutlich aus dem Mittelalter). Hier ist der Ort, wo sich der Tod freut, dem Leben zu helfen. Oder: An diesem Ort freut sich der Tod, dem Leben beizustehen.

Dieser tiefsinnige, zutiefst ironische, resignative Hexameter findet sich als Aufschrift in vielen anatomischen Instituten und Präpariersälen weltweit. In Bologna (1316) nahm diese Tradition ihren Anfang. Freund Hein, Gevatter Tod, begleitet fürsorglich das Leben, um nur ja nichts zu verpassen.

Für die Mitarbeiter anatomischer Institute ein sarkastisch tröstendes Wort: Wir können die zeitliche Grenze vom Leben zum Tod hinausschieben. Doch wenn unsere Kräfte endlich und endgültig versagen, versagt der Tod es sich nicht, dem Leben beizustehen.

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Kommentare zu diesem Text


 ViktorVanHynthersin (09.03.12)
Der Tod ist ohne das Leben nicht denkbar, umgekehrt ist ein Leben ohne Ende/Ziel nicht wirklich erstrebenswert - oder? Die Stätte der Entscheidung ist dabei ist für Freund Hein und/oder dem Gevatter, wahrscheinlich, sch... egal.
Herzliche Grüße
Viktor
(Kommentar korrigiert am 09.03.2012)

 loslosch meinte dazu am 09.03.12:
es menschelt halt, erst recht in der diktion der religion. (unter freunden des makabren.) lo

 Bergmann (09.03.12)
Zähneknirschend (noch) stimme ich zu ...

 loslosch antwortete darauf am 09.03.12:
das wesen mit dem tödlichen blick. lo
Nimbus (37)
(09.03.12)
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 EkkehartMittelberg (09.03.12)
Die schonungslose Offenheit des mittelalterlichen Hexameters ist verblüffend.
Im 30jährigen Krieg, zur Zeit des Barock, als der Tod allgegenwärtig war, dachten nicht nur Geistliche und Dichter ständig über ihn nach und nahmen ihm dadurch scheinbar etwas von seinem Schrecken. Ob das wirklich gelang, wüsste man aber nur, wenn man damals zahlreiche Sterbende begleitet hätte.

 loslosch schrieb daraufhin am 09.03.12:
wie uli einmal öffentlich schrieb: sterben lernen geht nicht. so sind die jeweils lebenden dazu verdammt, in diesem segment anfänger zu sein. manche gottes-"fürchtigen" kriegen auf dem sterbebett sogar schweißausbrüche - in erwartung ewiger strafen. ich denke, es ist auch temperamentssache, sich in das sterben mental hineingleiten zu lassen, wenn das berühmte letzte stündlein zu schlagen beginnt, ekki. manchmal trifft einen schon der (erste) schlag, und aus dem stündlein wird ein sekündlein. lothar
ichbinelvis1951 (64)
(09.03.12)
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 loslosch äußerte darauf am 09.03.12:
klaus, du propagierst die ganzheitsmethode zum erlernen der lat. sprache. wenn ich dich erwische!

stark in der tat, milde in der art, das ist ausgezeichnet übersetzt, ein klanglicher reim, der flott ins gedächtnis geht. danke. lothar
ichbinelvis1951 (64) ergänzte dazu am 10.03.12:
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 loslosch meinte dazu am 10.03.12:
flauschig. fühlt sich gut an. klaus, du wiedergeborener. lo

 tigujo (09.03.12)
.

Anatomische Institute als Trutzburgen: Trutzen dem Tod etwas Leben für die Zukunft anderer ab, fiel mir spontan ein.

Rosen für loslosch, der wieder einmal nüchtern-schnippisch einen Blick in sein Schatzkästlein zuließ...
lg tigujo

 loslosch meinte dazu am 09.03.12:
ich wollt dir schon eine pm schicken: es heißt doch trotzen und nicht trutzen. dann dachte ich: vorsicht vor den alpenhochtälern, schaute nach, und siehe da: trutzen = veraltend für trotzen.

österreichisch, eine sprache mit stärkerem historischen bezug. die rosen gehören aufs grab, auf meines ... lothar

 tigujo meinte dazu am 09.03.12:
You made my day...Ja, die Ösis mit ihren Alpentalern, die Gralshüter des Veralternden, die trutzen der Trotzburg
Trutzdem, sie akzeptieren ja mit der Zeit doch diese neumodischen Sprachveränderungen der letzten paar hundert Jahre...
lg tuguju
magenta (65)
(09.03.12)
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 loslosch meinte dazu am 09.03.12:
du versuchst eine strenge interpretation: der tod als erlösung vom unerträglichen leiden. dann passt es nicht so gut in die anatomischen institute, denke ich. wenn der spruch dort weltweit schon im spätmittelalter hing, bleibt nur die ins makabre gehende deutung. resignativ und ehrlich dazu. man versetze sich in die seele der heilkünstler. lothar
Caty (71)
(09.03.12)
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