Missverstandener Quintilian

Groteske zum Thema Sprache/ Sprachen

von  loslosch

Potius amicum quam dictum perdere (Quintilian, 35 n. Chr. bis ~96 n. Chr.). Eher einen Freund verlieren als ein Wort. - Wie bitte?

Quintilian genießt in Fachkreisen kein geringes Ansehen als Rhetoriklehrer. Die Essenz seiner Gedanken und Ideen bietet indessen wenig Eigenständiges, wenn aber doch, sind es oft Trivialitäten oder Tautologien. Hier nun scheint ihm ein kleines Wortspiel geglückt zu sein. Und was machen die Übersetzer daraus? Einige Muster: Eher einen Freund als einen Witz verlieren. Oder: Eher einen Freund verlieren als ein wahres Wort. Andere Übersetzungen bemühen Umschreibungen: "Wenn nur in Gelächter sich ausschütten kann, so verschont der selber den Freund nicht." (Ernst Lautenbach, Latein-Deutsch: Zitaten-Lexikon.)

Die Doppeldeutigkeit von perdere lässt sich im Deutschen nicht nachbilden: Eher einen Freund verlieren als ein abfälliges Wort? Daher: Eher einen Freund verlieren als ein (abfälliges) Wort unterdrücken. (Heinz Erhardt würde bevorzugen: Lieber einen Freund fallen lassen als ein abfälliges Wort.) Übrigens stammt die Idee von Demokrit (5. Jh. v. Chr.) und wurde von Horaz in seinen Satiren verarbeitet. Wieder einmal eine epigonale Leistung von Quintilian.

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Kommentare zu diesem Text

AronManfeld (43)
(20.05.13)
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 loslosch meinte dazu am 20.05.13:
ich habs doch gestern versucht! - nee, doch nicht ...

 DanceWith1Life (20.05.13)
ich tippe mal der Heinz Erhard haette da ein:
die Freunde fallen nich weit vom Wort, geunkt, kurz geraeuspert, nicht jedem Wort gefaellt der Freund, aeh, nicht jeder Freund faellt dir ins Wort, ach sie wissen schon

 loslosch antwortete darauf am 20.05.13:
trotzdem: seine bonmots sind schlüssiger. lo

 Bergmann (20.05.13)
Oscar Wilde: Lieber einen guten Freund verlieren, als auf eine Pointe verzichten.
(Talleyrand soll Ähnliches gesagt haben.)

 loslosch schrieb daraufhin am 20.05.13:
tayllerrand traue ich es zu: das war schlimmer als ein verbrechen, es war ein fehler:  ein zyniker. der knabe diente vielen herren und ist im bett gestorben. t.t. lo

 TrekanBelluvitsh (20.05.13)
Der Zusammenhang ist mir nicht bekannt. Aber das ganze hört sich doch nach einer Anleitung zur absoluten Wahrheit an. Demnach sollte man selbst einem Freund sagen können: "Hey, was du da machst ist Babyaa!"
Ist vielleicht für einen Freundschaft nicht der schlechteste Tipp, auch wenn man ihn sprachlich vielleicht nicht in dieser Eindeutigkeit befolgen sollte.

 loslosch äußerte darauf am 20.05.13:
es gibt bonmots, auf die man ungern verzichtet. aber bedenke: die freude verrauscht schnell ... endet im katzenjammer.

ein StS soll gewettert haben: morgens die verspätungen. dieser heinrich auch. pache, aufstiegsbeamter in spe und notorischer spätling: kann nicht sein, herr StS, ich sehe heinrich morgens immer um 8 uhr pünktlich.

großes lachen. pache wurde nicht in den höheren dienst übernommen. lo

 EkkehartMittelberg (20.05.13)
Dass Quintilian trotz seiner schon zu Lebzeiten bekannten Trivialitäten und Tautologien ein angesehener Rhetoriklehrer war, lässt Rückschlüsse auf die Substanz der Rhetorik in der Antike zu, der es immer mehr um die Wirkung ging als um den Wahrheitsgehalt der Aussagen.

 loslosch ergänzte dazu am 20.05.13:
der wahrheitsgehalt schwankte zwischen wahr (leerformel) und banal (leuchtet jedem ein). du bringst mich auf was: scharf hingeschaut, hat sich bei manchem rhetoriker der moderne nur wenig geändert.

 niemand (20.05.13)
Ein Wort/ein paar Worte über etwas verlieren bedeutet doch etwas zu sagen, sich zu etwas äußern. Könnte es hier auch nicht bedeuten, dass viele Leute so feige sind sich zu etwas zu äußern, persönlich zu äußern (Meinung sagen) dass sie im Wertevergleich lieber einen Freund verlieren würden (dies besser verkraften könnten) als sich dazu durchzuringen ihre ehrliche Meinung zu etwas abzugeben. Hier denke ich an Mitläufer etc. die kein Arsch in der Hose haben zu ihrer eigenen Meinung zu stehen und zu allem schweigen, alles hinnehmen etc. LG niemand

 loslosch meinte dazu am 20.05.13:
im vorfeld hatte ich diese deutung erwogen. aber obiges zitat (und weitere) sind m.E. im tenor richtig:

"Wenn nur in Gelächter sich ausschütten kann, so verschont der selber den Freund nicht." (Ernst Lautenbach, Latein-Deutsch: Zitaten-Lexikon.) geschwurbeltes deutsch, wohl eine sehr alte übersetzung. s. o. unter Bergmann. danach ist der spruch verbreitet: lieber einen freund verlieren als auf eine pointe zu verzichten. ein galliger humor. lo
Graeculus (69)
(04.06.13)
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 loslosch meinte dazu am 04.06.13:
lustig dagegen die überetzungsbemühungen, oder?
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