Auf der Kegelbahn

Gedicht zum Thema Lebensbetrachtung

von  EkkehartMittelberg

Als Erster
betritt der mit den breiten Schultern
und den großen Händen
die Bahn.
Er geht nur leicht in die Hocke,
holt schwungvoll aus,
setzt präzise auf und
die Kugel schlägt dynamisch
in die Vollen,
dass die Kegel auseinander spritzen.
Alle Neune!
Mit nur angedeutetem Lächeln
wendet er sich um.
Business as usual.

Dann kommt der Schmale
mit den kleinen Händen,
mustert die Bahn,
als wäre sie ganz neu.
Hochkonzentriert geht er
in die Knie
und wirft zaghaft,
mit risikofreier Bewegung, ab.
Kraftlos rollt die Kugel in die Gasse,
und lustlos fallen ein paar Kegel um.
Er atmet erleichtert auf.
Es ist nichts passiert.

Jetzt folgt der mit dem Tremor.
Ängstlich blickt er kurz nach vorn
und sucht die Mitte der Bahn.
Er wäre beim Abwurf
fast gestolpert.
Die Kugel, nur angestupst,
schleicht ins Ziel.
Langsam, nach und nach,
stürzen die Kegel
wie Asthmakranke.
Nur der König bleibt grinsend stehen.
Die Glocke schrillt: Ein Kranz
des Zufalls.
Er kann es nicht fassen.
Er wollte doch nur
die Gosse vermeiden.

© Ekkehart Mittelberg, Januar 2014

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (23.01.14)
Ein König ganz ohne Gefolge? Ist er denn da noch ein König? Woher das feiste Grinsen? Vielleicht hat er da jemanden einfach mal unterschätzt...

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Merci, Trekan. An diese Deutung habe ich gar nicht gedacht. Umso besser!
Anne (56)
(23.01.14)
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 23.01.14:
Grazie, Anne. Ich schweige wie ein Grab.
LG
Ekki

 susidie (23.01.14)
Nein, kein Zufall. Eine zitternde Kugel, die trotzdem weiß, in welche Richtung sie möchte, erreicht mehr als eine "in die Vollen". Nur mal so als Bild fuer mich betrachtet. On a Long Term Perspektive. Gut Holz wünscht Su :)

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 23.01.14:
So ist es, Su, aber nur, wenn der Zufall es will.
Gracias.
LG
Ekki

 susidie äußerte darauf am 23.01.14:
Zufall ist der Ersatz der Planung durch den Irrtum. Or, Vice Versa.
Ich glaube nicht an Zufall, nicht mal beim Kegeln :)

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 23.01.14:
Dem schlechten Werfer ist der Kranz zugefallen oder es hat sich so gefügt, dass er ihm zufiel. ^^
Scrag (28)
(23.01.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Vielen Dank, Markus. Man kann es so interpretieren, muss es aber nicht; denn es war ja nur e i n Kranz. Bei dem ersten Werfer fallen oft alle Neune: "Business as usual".
LG
Ekki
Scrag (28) meinte dazu am 23.01.14:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Deine Interpretation ist textnah, Markus, und deswegen nicht von der Hand zu weisen. Mir ging es nur um den Hinweis, dass auch andere möglich sind.

 Didi.Costaire (23.01.14)
Hallo Ekki,
man freut sich über die mehr oder weniger großen Erfolgserlebnisse der Underdogs, weiß aber auch, dass sie bei jedem weiteren Wurf Gefahr laufen, in der "Gosse" zu landen, während der mit den breiten Schultern auf Dauer immer vorne stehen wird.
Liebe Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Merci, Didi. Deine Interpretation entspricht meiner Intention. Aber es gibt hier wohl mehrere Perspektiven.
Liebe Grüße
Ekki

 AZU20 (23.01.14)
Bloßer Zufall? Gern gelesen. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Vielen Dank, Armin. Was dem einen Zufall ist, ist dem anderen Fügung und dem Dritten ganz natürliche Abfolge.
LG
Ekki

 loslosch (23.01.14)
die spielertypen sind gut beschrieben. genosse zufall wirkt stets mit. ob kegeln, skat oder schach (ja, selbst dort!), der faktor zufall kann nicht verhindern, dass auf die dauer und im durchschnitt können und routine sich durchsetzen. dann gibt es noch die sog. pechsträhnen, eine verhüllende sprache für eigene fehlentscheidungen bzw. verkettung von neg. umständen.

fortuna bulla est. das glück ist eine seifenblase.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Gracias, Lothar, dem Kommentar schließe ich mich gerne an. Die prägnante lateinische Sentenz über fortuna kannte ich noch nicht.
wa Bash (47)
(23.01.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Ich danke dir.
LG
Ekki

 Galapapa (23.01.14)
Hallo Ekkehart,
ein interessanes Gedicht, das verschiedene Typen Mensch darsellt und im Spiel deren Lebensart verdeutlichen soll.
Hier steht das Können dem Erreichen mit Glück gegenüber.
Ein gelungener Text.
Herzlichen Gruß!
galapapa

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Merci Galapapa, deine Deutung kommet meiner Intention sehr nahe.
Herzliche Grüße
Ekki

 ViktorVanHynthersin (23.01.14)
Jeder kegelt/lebt im Rahmen seine Möglichkeiten und Fähigkeiten. Wer den Sieger-Kranz bekommt, steht dabei nicht im Vorfeld fest - zum Glück. Eine feine Lebensbetrachtung, lieber Ekkehart.
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Gracias Viktor. Wie langweilig wäre es, wenn es nicht immer wieder diese Überraschungen gäbe.
Herzliche Grüße
Ekki

 irakulani (23.01.14)
Lieber Ekki, da ich weiß, dass du kegelst, konnte ich mir ein Grinsen beim Lesen nicht verkneifen.
Aber mit deiner kleinen Geschichte erzählst du noch viel mehr. Neben der vordergründigen Geschichte, spannst du einen weiten Bogen. Lebensbetrachtung eben.

Oft erschließen sich einem durch die kleinen, alltäglichen Geschehnisse ganz große Betrachrungen.

L.G.
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Grazie, Ira. Es wäre schade, wenn du nicht gegrinst hättest.
Ich mag sie auch, diese kleinen alltäglichen Geschehnisse, die manchmal über sich hinausweisen.
LG
Ekki
gaby.merci (61)
(23.01.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Merci, Gaby. Es freut mich, dass ich mit diesem banalen Thema Nachdenken auslösen konnte.
LG
Ekki
Dieter Wal (58)
(23.01.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Vielen Dank, ja, der bin ich u. a. auch. ^^
MarieM (55)
(23.01.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.01.14:
Vielen Dank, Marie.
Parabel? In die Richtung geht es. Ich würde mal sagen: ein gleichnishaftes Gedicht.
Typ1: Er kam, sah und siegte. Ja, so sehe ich ihn. Aber auch ihn könnte mal der Tremor treffen wie Typ3. Wie sähe es dann mit seinem Selbstbewusstsein aus?
Typ 2: Er ist der unscheinbare Mittelmäßige, der nichts riskiert.
Typ 3: ist durch sein Leiden beeinträchtigt und deswegen alles andere als ein Siegertyp. Es macht ihn fassungslos, dass er den besten Wurf gebracht hat. Zufall, Fügung oder einfach Glück? Das bleibt offen.
Liebe Grüße
Ekki
Piroschka (55)
(20.11.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.12.18:
Vielen Dank, Piri, ich freue mich immer sehr, dass du meine alten Gedichte noch einmal würdigst, auch jene, die ich schon fast vergessen hatte.
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