Ode auf einen Kleiderbügel

Prosagedicht zum Thema Nonsens

von  EkkehartMittelberg

Mit deinem eleganten Schwung
begleitest du mich
fast ein Leben lang,
treuer Kleiderbügel.

Wie viele modische Torheiten
hast du geduldig (er)getragen:
In den Fünfzigern war es ein Hawaiihemd,
harmloses Symbol eines kraftlosen Protests,
das damals reichte,
einen Mitschüler zum Umziehen
nach Hause zu schicken.
Dann folgte in den frühen Sechzigern
der brave Nicki-Pullover und
am Ende dieses Jahrzehnts
das Che Guevara-Hemd mit der geballten Faust.

In der Studienzeit hast du mich ergeben begleitet
von Bude zu Bude und ich ritzte
vorsorglich meine Initialen in deinen Corpus,
damit du mir nicht verloren gehen konntest.
Doch dann nach einem Umzug in das bürgerliche Leben
entschwandest du meinen Blicken,
bis ich dich neulich verstaubt
auf dem Dachboden wiederfand.

Nun hast du einen Ehrenplatz
neben jungen Bügeln,
ehrwürdiger Veteran,
und auf deinen noch immer starken Schultern
hängt das Jackett für festliche Tage
des in die Jahre gekommenen Ekki.

Ich verspreche dir,
du anhänglicher Kamerad,
dass ich dich nicht mehr
aus den Augen lassen werde,
bis du ein leichtes Sommerkleid
meiner schönen Enkelin tragen wirst.

© Ekkehart Mittelberg, Februar 2014


Anmerkung von EkkehartMittelberg:

Anmerkung: Bei der Besprechung einer Lehrprobe sollte der Kandidat eine unsinnige Frage beantworten. Der Prüfungsvorsitzende unterband das mit der Bemerkung an den Fragesteller, man könne den Examinierten auch auffordern, eine Rede über einen Kleiderbügel zu halten.
Mir hat das damals imponiert, und der Gedanke an die Rede auf einen Kleiderbügel stellte sich gelegentlich wieder ein, bis ich heute „Ernst“ damit gemacht habe.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (16.02.14)
Ja, bei näherer Betrachtung sind es doch die unerwarteten Dinge im Leben, die bleiben!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Danke, Trekan, dem widerspreche ich nicht.

 SapphoSonne (16.02.14)
Wir vermissen sie erst, wenn sie weg sind. Recht getan, Ekki.
LG Sappho
(Kommentar korrigiert am 16.02.2014)

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 16.02.14:
Merci, Sappho, eigentlich sind wir herzlos.^^
LG
Ekki
MelodieDesWindes (36)
(16.02.14)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 16.02.14:
Gracias, Melo, die Ironie hat Recht. Der Ernst kann von ihr lernen.
MelodieDesWindes (36) äußerte darauf am 16.02.14:
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 Jorge (16.02.14)
Die Aussicht auf das Sommerkleidchen macht diese Ode auf den alten Bügel sehr sympathisch.

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 16.02.14:
Merci, Jorge, schöne Sommerkleidchen machen das Leben lebenswert.

 susidie (16.02.14)
Oh,und wenn sie sprechen könnten, wo sie schon so überall "rumhingen"? Halte ihn in Ehren und gebe ihn beizeiten weiter...seine starken Schultern werden noch gebraucht. Dieses Ende finde ich einfach herrlich. Liebe Grüße von Su :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Grazie, Su. Die so genannten toten Dinge sprechen zu lassen, das Unmögliche möglich zu machen, ist einer der Reize von Poesie.
Liebe Grüße
Ekki

 HerrSonnenschein (16.02.14)
Sehr, sehr schön, Ekki! Und poetisch! Und gar kein Nonsens.
Hör mal in diesen Song rein ( Text von mir)da findest du meine Kleiderbügel wieder...Liebe Grüße Jörg

https://soundcloud.com/asli-and-me/nichts-von-mir

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Nachdem ich reingehört habe, kann ich dein schönes Kompliment nur zurückgeben. Jörg.
Liebe Grüße
Ekki
chichi† (80)
(16.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Thank you, Gerda. Halte das uralte Teil in Ehren, auch wenn es von der Schwiegermutter ist.^^

 Lluviagata (16.02.14)
Es sind die kleinen Dinge, die uns zur Ordnung rufen. Zur inneren wie äußerlichen. ;)

Danke für diese kurzweilige Erörterung, Ekki.

Liebe Grüße
Llu ♥

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Merci, Andrea, die kleinen Dinge und die Ordnung, das ist ein neuer wichtiger Aspekt, der in der Literatur eine beträchtliche Rolle spielt. Wenn es dich interessiert, schau mal bei Adalbert Stifter: Das sanfte Gesetz
Liebe Grüße
Ekki
Graeculus (69)
(16.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Vielen Dank, Graeculus, es ist schön, dass du ihn so empfindest.
Graeculus (69) meinte dazu am 16.02.14:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
ja, es war die mildere Form. Manchen Frauen dichtet man an, sie hätten für den ungezogenen Gatten eine Nudelrolle parat gehabt.^^
LottaManguetti (59)
(16.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Grazie, Lotta, für die Weitung der Perspektive. Ich habe versucht, dem Kleiderbügel lebensgeschichtlich ein paar Aspekte abzugewinnen. Du verweist darauf, dass es die Kleiderbügel ja schon viel länger gibt. Ich habe das jetzt auch nicht gegoogelt. Aber es wäre doch denkbar, dass so ein Bügel Zuckmayer im Traum die Geschichte der Uniform des Hauptmanns von Köpenick geflüstert hat.^^
Lieb gebügelte Grüße
Ekki
Fabi (50)
(16.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Merci, ja, merkwürdig, Fabi, dass so banale Dinge eine symbolische Bedeutung gewinnen können.
Ich freue mich, dass dir mein Text gefällt.
LG
Ekki
Fabi (50) meinte dazu am 18.02.14:
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Fabi (50) meinte dazu am 16.03.14:
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 AZU20 (16.02.14)
So einen habe ich auch, habe ihn mir gerade noch einmal angesehen. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Vielen Dank, Armin, ich vermute, dass du auch einen Bügel mit deinen Initialen hast. Schon komisch, zu welchen Blüten der Eigentumstrieb führte, als man kaum etwas besaß.
LG
Ekki

 AZU20 meinte dazu am 16.02.14:
Habe ich. LG
Pocahontas (54)
(16.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Grazie, Sigi, es ist tatsächlich reizvoll, die Dinge des Alltags erzählen zu lassen. In der Folge der Klassik tat man das nur, wenn sie besonders schön waren, wie zum Beispiel Eduard Mörike: "Auf eine Lampe".
Liebe Grüße
Ekki

 Didi.Costaire (16.02.14)
Ein Kleiderbügel, die Grundlage des Odedesigners.
Liebe Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Didi, es sind nicht "Die Götter Griechenlands", auf die sich der Blick des Odedesigners richtete, der sich manchmal ein bisschen Selbstironie erlaubt, die dir nicht entgangen zu sein scheint.^^
Liebe Grüße
Ekki
LancealostDream (49)
(16.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.14:
Gracias, Lanze, du hast es auf den Punkt gebracht.
LG
Ekki

 Strobelix (16.02.14)
Eine schöne Geschichte, die einen Alltagsgegenstand mit einer "tragenden Rolle" zum Leben erweckt. Der Text hat trägt den Leser mit Nachdenklichkeit zu einer sympathischen Pointe. Gerne gelesen!
Viele Grüße, Strobelix

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.02.14:
Ich danke dir für deinen feinen Kommentar, Strobelix.
Viele Grüße
Ekki

 ViktorVanHynthersin (17.02.14)
Ich glaube die Zahl der Gedichte über Kleiderbügel wurde mit dieser Ode verdoppelt. Die Zeit war reif dafür )) Gerne gelesen, lieber Ekkehart.
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.02.14:
Merci, Viktor. Das nenne ich einen witzigen Kommentar.
Herzliche Grüße
Ekki
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