Der Pietismus oder Die Rückbesinnung auf das Eigentliche

Essay zum Thema Vergangenheit und Zukunft

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)

Die beherrschende Figur der deutschen Aufklärung war Immanuel Kant (1724-1804). ... Seine Kritik der reinen Vernunft und Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft verwarfen den herkömmlichen christlichen Supranaturalismus, ließen keinen Raum für einen persönlichen Erlöser, kein Bedürfnis für Wunder, keinen Platz für mystische Erfahrungen. Religiöse Ereignisse waren von gleicher Art wie natürliche Ereignisse - vernünftig (erklärbar) und einsehbar. ( aus "Atlas zur Geschichte des Christentums")
Ich denke, dass in diesen wenigen Sätzen deutlich wird, welch eine geistige Revolution sich da im deutsch-sprachigen Raum ( und weit darüber hinaus) vollzogen hatte. Eine völlige Abkehr von dem, was das ganze Mittelalter hindurch unumstößlich feststand: Die Wahrheit der Bibel und das übernatürliche Wirken Gottes (und des Teufels) hier auf Erden.
    Aber wo die Gefahr groß, war das Rettende nicht weit entfernt. Gemeint ist eine neu entststehende Bewegung, die allgemein als Pietismus bekannt geworden ist.
   
Der Pietismus war eine sich aus dem Protestantismus herausbildende

Bibel-, Laien- und Heiligungsbewegung. Er betonte die subjektive Seite des Glaubens, entwickelte aber auch einen starken missionarischen und sozialen Grundzug. In der pietistischen Praxis haben Konventikel (heute: Hauskreise) mit gemeinsamem Bibelstudium und Gebet oft mehr Bedeutung als Gottesdienste. (wikipedia)
Und selbstverständlich  rechneten diese Pietisten auch mit dem (übernatürlichem) Wirken Gottes in ihrem Leben. In gewisser Weise nahm hier die evangelisch-freikirchliche Entwicklung ihren Anfang. Zurück zum Ursprung, hin zum wahren Christentum des ersten Jahrhunderts, ohne weltliche Machtansprüche!
    Es ist wirklich erstaunlich, dass das Christentum nach weit über 1000 Jahren der Irrungen und Wirrungen diese innere Kraft zur positiven Erneuerung aufgebracht hat. Nun ist es sicher nicht so, dass innerhalb dieses evangelikal-frommen Christentum immer alles rund gelaufen ist. Aber die eigentliche Grundidee des Christentums, ein friedlicher, hoffungspendender Glaube, ist wieder erkennbar geworden.
    Es ist wieder deutlicher geworden, um was es im Neuen Testament eigentlich geht: Eine persönliche Beziehung mit Gott über Jesus Christus, unseren Erlöser
   
Gedankenimpuls:
Manchmal schiebt sich eine dunkle Wolke vor die Wahrheit, aber irgendwann leuchtet sie doch wieder hell auf

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 FrankReich (28.09.20)
Wikipedia ist in erster Linie zu entnehmen, dass Pietismus zunächst eine Strömung war, die die Orthodoxie zu überwinden suchte und damit offensichtlich als christlich reformatorischer Vater zum weltlichen Aufklärungsgedanken zu verstehen sein dürfte, zu Kants Zeiten jedoch in eine radikale Richtung abdriftete und Wahrheit ist etwas, das sich, solange es nicht beweisbar ist, bezweifeln lässt. 😂

Kommentar geändert am 28.09.2020 um 14:35 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 28.09.20:
Es handelt sich hier im Artikel natürlich um eine von mir geglaubte und postulierte "Wahrheit"! Die selbstverständlich bezweifelt werden darf ..

 FrankReich antwortete darauf am 28.09.20:
Oh Du heilge Arroganz,

erteilst Du doch nicht nur Erlaubnis, sondern ignorierst sogar geflissentlich. 😂

 Graeculus (28.09.20)
Daß Du auf Kants Argumente eingehst, damit rechne ich schon gar nicht mehr. Es ist nicht meine Aufgabe, dies nachzuholen, aber ich möchte Kant doch wenigstens zu Wort kommen lassen:
[...] Nun liegt es gewiß nicht an der innern Beschaffenheit des christlichen Glaubens, sondern an der Art, wie er an die Gemüter gebracht wird, wenn ihm an denen, die es am herzlichsten mit ihm meinen, aber vom menschlichen Verderben anhebend, und an aller Tugend verzweifelnd, ihr Religionsprinzip allein in der Frömmigkeit (worunter der Grundsatz des leidenden Verhaltens in Ansehung der durch eine Kraft von oben zu erwartenden Gottseligkeit verstanden wird) setzen, ein jenem [sc. dem hinduischen Glauben] ähnlicher Vorwurf gemacht werden kann; weil sie nie ein Zutrauen in sich selbst setzen, in beständiger Ängstlichkeit sich nach einem übernatürlichen Beistande umsehen, und selbst in dieser Kleinmütigkeit (die nicht Demut ist) ein Gunst erwerbendes Mittel zu besitzen vermeinen, wovon der äußere Eindruck (im Pietismus oder der Frömmelei) eine knechtische Gemütsart ankündigt.
(Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft B 285 f./A 269)

Damit bist Du m.E. ganz gut charakterisiert.

 Bluebird schrieb daraufhin am 28.09.20:
Ich persönlich würde meinen Glauben nicht als pietistisch definieren, obwohl ich "Frömmigkeit" und das Rechnen mit "übernatürlichem Beistande" durchaus bejahe ...

Mein Glaube ist aber auch stark von nüchterner Reflexion und tieferem Verstehen geprägt, hat wie bei Augustinus auch eine deutliche philosophische Komponente.

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 28.09.20:
@Graeculus:
"Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? - Nein.
Wir wollen weniger erhoben
und fleißiger gelesen sein."
Lessing: Sinngedichte an den Leser
Die Rolle, die Klopstock in der Dichtung spielt, spielt Kant in der Philosophie. Ich freue mich immer wieder, wenn jemand in der Lage ist, dieses Licht der Vernunft in originalem Wortlaut leuchten zu lassen.
LG
Ekki

 Graeculus ergänzte dazu am 28.09.20:
Bluebirds Neigung zu nüchterner Reflexion mit philosophischer Komponente wird natürlich verdeckt durch seine ständige Beschäftigung mit einem lenkenden und durch Wunder in das persönliche Leben eingreifenden Gott, was Kant als "knechtische Gemütsart" bezeichnet.
Sein Standpunkt: Du willst ein Christ sein? Dann tue deine moralische Pflicht!

Soll man Klopstock lesen? Das habe ich bisher noch nicht getan - ihn aber - neben Dante und Milton - erwähnt, als kürzlich jemand im Gespräch mir gegenüber behauptete, es gebe keine religiöse Weltliteratur. Da war ich dann doch fassungslos.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.09.20:
Da wäre ich auch fassungslos gewesen. Ich würde in diese Reihe noch die Parabel vom Großinquisitor aus Dostojewskis "Die Gebrüder Karamasov" stellen und die Streitgespräche zwischen dem Jesuiten Naphta und dem Aufklärer und Humanisten Settembrini in Thomas Manns "Zauberberg".
Dieter Wal (58) meinte dazu am 02.10.20:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 02.10.20:
Gut, überredet. Ich schau einmal rein.

 harzgebirgler (28.09.20)
oh PIA DESIDERIA -
kant klärt' auf, was kein SPENER sah!

beste grüße
harzgebirgler

 Bluebird meinte dazu am 28.09.20:
Der Wunsch nach einem einfachen, gottgefälligem Leben ist sicher nicht zu tadeln ... wer ständigmit komplizierten Sachverhalten beschäftigt ist, kann leicht auch mal in die Irre gehen
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