Meine erste Liebe

Bericht zum Thema Liebe und Traurigkeit

von  EkkehartMittelberg

Graeculus hat recht. Auch nach meiner Beobachtung gelingt die erste Liebe selten für lange Dauer und es ist oft der junge Mann, der sie „verpfuscht“, aufgrund mangelnder Erfahrung in der Liebe und in meiner Jugend besonders oft aufgrund falscher rigider Erziehung.

Dabei stand meine erste Liebe scheinbar unter einem sehr günstigen Stern. Ich habe 17jährig 1957 einen Schüleraustausch nach England mitgemacht und saß auf der Heimfahrt vom Lake Windermere nach Blackpool etwas verloren im Bus, als sich eine junge Dame neben mich setzte, die ein paar Jahre älter war als ich. Später erfuhr ich, dass sie bereits fest angestellte Lehrerin war.

Ich weiß gar nicht, wie mir, dem unerfahrenen Jüngling geschah, aber auf einmal küssten wir uns, ohne dass ein Wort gesprochen wurde.

Ich verbrachte schöne 14 Tage mit Dorothy, doch es blieb wegen meiner Unerfahrenheit beim Petting. Das wussten aber die deutschen Mädchen, die mitgereist waren, nicht. Beim Abschied küsste mich Dorothy noch einmal liebevoll vor dem abfahrbereiten Zug. Ich muss den anderen jungen Damen als ein potenter Liebhaber erschienen sein. Jedenfalls scharten sie sich bei der Abreise um mich und setzten sich kühn für die prüden Fünfziger Jahre sogar auf meinen Schoß.

Dorothy war aber noch nicht meine erste Liebe. Doch schmeichelte ihre Zuwendung meiner Eitelkeit sehr.

Ich war wieder zuhause und nahm an den heimischen Tanztees teil wie einige junge Damen, die an dem Austausch teilgenommen hatten. Bedingt durch die Erfahrungen in England führte ich meine Tänzerinnen sicher und selbstbewusst, ohne linkisch herumzuhampeln wie die meisten jungen Männer bei dem Tanztee.

Es waren große Ferien und ich saß lesend zuhause im Garten, als meine Mutter mir überrascht den Besuch einer jungen Dame ankündigte. Ich merkte, dass sie ihr gefiel und obwohl sie kurz darauf einer Einladung nach auswärts folgte, überließ sie uns jungen Leute sorglos die „sturmfreie“ Wohnung. Sie konnte tatsächlich sorglos sein, denn da ich einen kranken Bruder hatte, dessen Pflege viel Geld erforderte, hatte sie mich einer besonderen Gehirnwäsche unterzogen, dass in der Liebe nichts „anbrannte“. Sie hatte mir wortreich und raffiniert eingeredet, dass man einer jungen Dame besondere Ehre erwiese, indem man ihre Unschuld respektierte.

Mit dieser Erwartung war aber meine Besucherin gerade nicht gekommen. Sie hatte mich ein England beobachtet und erwartete auch aufgrund meines selbstbewussten Auftretens bei den Tanztees einen in der Liebe erfahrenen jungen Mann. Total harmlos waren die Stunden in unserer Wohnung zwar nicht, aber ich stümperte unentschlossen mit meiner liebesbereiten Partnerin herum und überdeckte meine Verlegenheit mit süßlich moralischem Geschwätz.

Als ich sie abends nach Hause brachte, spürte ich ihre Enttäuschung. Heftig verliebt suchte ich sie am anderen Tag in ihrer Wohnung auf, wo wir ebenfalls allein waren. Aber sie hatte mich, von dem sie offensichtlich Courage erwartete, bereits als Blender durchschaut und ich wiederholte meine Fehler vom Vortage. Schon nach einigen Wochen war sie mit einem wirklich liebeserfahrenen jungen Mann liiert und ich pflegte enttäuscht meinen Liebeskummer.


Anmerkung: Graeculus gewidmet



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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (28.10.22, 15:30)
Ja, mein Lieber, man muss sich langsam aber sicher auf die große Liebe vorbereiten. Fehler gehören dazu, bis es irgendwann klappt. L

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.10.22 um 16:36:
Merci, Armin, mir scheint, dass junge Menschen sehr von ihren Ratgebern abhängig sind.

LG
Ekki

 Saira (28.10.22, 17:54)
Oje, die erste Liebe, der erste Liebeskummer … lange ist es her, aber unvergessen.
 
Deine Geschichte rührt mich.
 
Liebe Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 28.10.22 um 18:13:
Grazie Sigi, die erste Liebe vergisst wohl niemand und der erste Liebeskummer schmerzt besonders.

Liebe Grüße
Ekki

 harzgebirgler (28.10.22, 17:59)
fällt ins haus wer mit der tür
hat er chancen für und für.

lg
henning

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 28.10.22 um 18:18:
Gracias, Henning, dieses Mädchen hatte tatsächlich ungewöhnlich viele Verehrer, die alle spürten, wie emanzipiert sie in den auf Konventionen bedachten Fünfziger Jahren wie und wie unbeirrt sie ihren Weg ging.

Beste Grüße
Ekki

Antwort geändert am 28.10.2022 um 19:32 Uhr

Antwort geändert am 28.10.2022 um 19:33 Uhr

 AngelWings (28.10.22, 18:23)
Glaube da war eher das  S und nicht L.

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 28.10.22 um 19:37:
Danke, ich weiß, dass das unterschieden wird, aber sobald ich selbstständig und frei denken konnte, waren Liebe und Sex für mich eine Einheit.
Taina (39) ergänzte dazu am 28.10.22 um 19:40:
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 AngelWings meinte dazu am 29.10.22 um 19:41:
Es gibt S ohne liebe!
Taina (39)
(28.10.22, 19:38)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.10.22 um 18:33:
Grazie, Taina, so sehe ich es auch. Wir versuchen vergeblich mit unserem Verstand Dinge auseinanderzunehmen, die zusammen gehören.

 AchterZwerg (29.10.22, 07:42)
Auch die Pädagogik meiner verzwergten Eltern war recht eindrücklich.
Bis zur Taille (natürlich von oben gesehen) "ja", danach: "nein"!
Vor allem aber keine Zungenküsse zulassen, die grundsätzlich als Aufforderung verstanden werden, der Unschuld die Unschuld zu rauben!

Nostalgische Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.10.22 um 11:15:
Merci, Piccola,
noch ein Beispiel dafür, wie repressiv damals die Sexualmoral war. Auf einem unserer Klassentreffen haben wir uns offen darüber ausgesprochen. Von den 19jährigen Abiturienten hatte nur ein Einziger Geschlechtsverkehr.
Gezügelte Grüße
Ekki
Agnete (66)
(29.10.22, 10:51)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.10.22 um 18:43:
Merci, Monika, vielleicht hast du recht. Aber es gibt für mich ein paar Anzeichen, ihr Verhalten anders zu deuten. Wir führten zum Abitur von Sophokles den "König Ödipus" auf. Sie spielte nach einhelliger Meinung die Iokaste hervorragend. Da ihre Mutter früh verstorben war, "schmiss" sie zuhause neben der Schule den Haushalt. ich glaube, sie war eine frühe Feministin, die die prüde Sexualmoral der Fünfziger Jahre aus Prinzip bekämpfte.. Als ich sie später noch einmal danach befragen wollte, erfuhr ich, dass sie sehr früh verstorben war.

 AngelWings meinte dazu am 29.10.22 um 19:46:
Begriff Feminismus an das Frauenwahlrecht (gibt es seit 1918), oder das geänderte Sexualstrafrecht („Nein heißt Nein!“ seit 2016

 AngelWings (29.10.22, 19:52)
Ich weiß nicht ob das Wort Cougar, kennt! 

 Graeculus (30.10.22, 20:22)
Das Gefühl der Unzulänglichkeit umfaßte in meinem Fall auch die Tanzschule, besucht mit dem Mädchen, für das ich damals schwärmte.
Eine Besonderheit ist Dein Fall durch die vorangehende Erfahrung mit der älteren Lehrerin, die Dir ein Gefühl vermittelt hat, dem Du im Praxistest nicht gewachsen warst.
Man kann heute darüber schmunzeln, doch damals war es peinlich.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 30.10.22 um 23:55:
Das siehst du richtig. Der zeitliche Abstand schafft die Illusion von Souveränität, doch für die Betroffenen war es nicht so.
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