Ein Lamm – böööh - im Schaf – blööök - +das Wolf frisst – blööök böööh schmatz – das Lamm - hurtz – scheißt – hurtz!

Schundroman zum Thema Allzu Menschliches

von  alter79

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Schlussakkord mit klagendem Schlagzeug, dass verwischt ein gesamtes Dasein, das Klaus erlöst verließ, letztlich die Zunge sich dickte, färbte, die hing im Lampenschein bläulich aus verzerr­ter Fratze; und Pause, dann. Sekunden später entwirrten sich eben entgleiste Züge, die Nase ver-warf im Schatten, die Nerven tot, das Lebensmühen ver-fallen; sein Gesicht in Gänze entspannt, -man könnte neidisch werden, -verdammt!

Eingeschlafen sah der zwanzig Jahre jünger aus, das nervt. Und wenn man so will, sollte er die Sau doch letztlich ausgeweidet haben, den blutigen Matsch aus dem Fenster raus, den Nachtratten zum Fraß.

Sein Herz, medium, könnte seines sein, aber nun schmeckt's Kurt nicht mehr, er bringt es auch nicht runter.

...Ulkig, die Augen hielt der geschlossen. Kurt wüsste' zu gern was die sehen konnten, viel­leicht ein winselnder Blick, eine Entschuldigung im brechenden Netzhautblau, Geständnis persönlicher Schuld? Nur der 'Kohle ' wegen hat der (mein-sein) Glück zerstört, Freundschaft dem Machtbestreben geopfert, die Vergangenheit nichts wert: „Erfolg ist heute, er war er, er-er, hätt' mich ohnehin selbst in seiner Iris gesehen.“

Der nickte im Luftzug: 'Klaus Exspezi!'

Ein letztes 'fuck you'. Und ob der nun Mörder seines Sohnes war oder nicht, wen kümmerts. Verraten hat der ihn so­wieso und Kurt hat's nie vergessen? Klaus hat ihn ans Messer geliefert. Das Eisenteil in seinem Schädel, das ewig wandernde, dass zeugt's.

Zusätzlich Jahre Klapse, vertan im Pillenrausch, und Gino ist tot.

Nun ist Klaus endlich tot. Die Ordnung wieder hergestellt! Die Schmerzen aller Welt müssen ab nun schweigen... Kurts Puls wieder 75, Blutdruck 140 zu 95. Leicht adipös die Erscheinung. Aber es wird.

Bald stellte er den Zellenhocker nahe dem Platz, drehte die Birne aus der Fassung, zog die Tür ins Futter, verschloss geräuschlos, in dem er die Schließzunge zwischen zwei Fingern führte, doppelt, staunte wie ruhig und sicher die Arbeit ging, riegelt oben wie unten den Stahl in die Fut, meldete: Nachtverschluss!

Doch Melina pausierte atemlos fest, die hörte Kurts Meldung nicht. Der Pater lag in beseelter Haltung rück-lings, die Hände zur Andacht gekreuzt. Callas quer zu seinen Füßen. Im Bau ohnmächtiger Friede; der Satan tot.

Warum sollte er seiner Brüder Hüter sein?

Von innen hatte Kurt die Zellentür durch die ehemalige 'Futterluke' verschlossen, seine Einriege­lung selbst vollzogen, indem er mit vorab präparierten Tuch den Schieber bewegte, das Auflass einrastete, so ein unbehelligtes Verweilen sicherte.

Die selbst gefertigten Schlüssel bunkerte er im präparierten Absatz seiner Arbeitsstiefel. Morgen will er ihnen entsagen, obwohl die schwiegen;...anders sein Hirn, wie der Mammut im kanadischen Urwald gedieh, spross das Tatmal in seiner Seele. Schon als er den Spezi verließ, merkte er Scham. Eilig zog er sich nackend aus, fierte Leinen, spreizte das Segeltuch, und großflächig trieb es ihn in den Wind, zwecklos die Versuche einen bereinigten Strand zu hinterlassen.

Schade, er wusste es nicht besser, rieb sich Schlaftropfen in die Maulung, rollte den gläsernen Inhaltsbewahrer stramm ins dreifach gelegte Papier und schlug fest, und um den Beweis zum Bröseln zu bringen, derb mit dem Schuh da drauf. Noch mal und noch mal. Letztlich war der Beweis kleingehackt, passte ins Klo, konnte unwiederbringlich abgespült werden. Ein feiner Hauch 'Noludar' verging im Wasserrauschen.

Nun zit­terte er nicht mehr, wusste, was schon immer und ewig hinter dem Spiegel verborgen...

Dann schlief er fest, ohne müde zu sein.

So, jetzt brauchte er für sein Seelenheil nichts 'Großes' mehr. Das Restbedürfen Geborgenheit, Zuneigung, zärtlicher Liebe, sexueller Betätigung, wollte er von Katia fordern, wenn er frei wäre.

- Gegen zehn Uhr am Morgen wurde der 'Ex' entdeckt. Sonntags konnte man länger schla­fen, weil das Frühstück eine Stunde später verteilt wurde.

Als der Abteilungsschließer Klaus fand, ein Rufen, Schreien um Hilfe, übliches Getrappel auf dem Flur; der ’Sani’ kam, ein zweiter und folgend Aufregung im Haus, wie wenn in einem Wespenschwarm die Königin abgängig. Endlich polterte der fluchende Not­arzt über den Flur, murmelte dass in Moabit schließlich auch jemand hinge, der Hilfe bedurfte, dass 'der hier' letztlich Stunden kalt sei, und warum man 'den' nicht früher entdeckte?

- Die Nachsorge des Gelages mussten die schuldbewuss­ten Wärter, Melina?, bereits vor An­kunft des Doktors besorgt haben. Der murmelte zu denen was von 'unerhörter Bierfahne am frühen Morgen!' Und nicht der Staub eines Verdachtes, dass Klaus ermordet wurde, lastete irgendwo. Lediglich die Folge einer disziplinarischen Maßnahme gegen Melina und Pater Angelo drangen zu Kurt durch, und von Stunde an blieben beide sonst wo. Dienst in Tegel taten sie nie mehr, sagt man.

Mein war die Rache, und sie war gelungen.

- Katia blieb traurig. Tagtägliches Weinen schwächte ihre Physik (Physe?), auch die Psyche. Nichts auf der Welt ist kraftraubender als Trauerarbeit, als Weinen, als tägliche Klage gegen sich selber; solch Schmerz ist vergleichbar mit Stumpfkribbeln eines amputierten Arm oder Bein.

Mit der Zeit passte ihr das Leiden allerdings bequem. Ein Maßschuh den sie nicht ungern trug, mit dem sie sich vor sich selbst und anderswo sehen lassen konnte, und allseits Beachtung findet, wenn man fragt wie es ihr geht.

Diese Pseudobetroffenheit mancher Leute, von denen Kurts neuer Zellen­nachbar sagte, 'dass die sich solches Mitleid in den Arsch stecken sollten!'; der kann es nicht besser wissen, der sitzt wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein kurzes Lebenslang...

- Mein Gott, Kati sollte den Dämon Pein nicht unter-schätzen, ohne Friedensvertrag ist der Krieg nicht beendet, er kämpft (in ihr) mit anderen Mitteln, benistet ihre Seele als Überlebens­neurose getarnt, vereinsamt, isoliert sie, und er war nicht da, um ihren Kummer zu trinken. Ausgedorrt und lebensabgezehrt musste er untätig noch Monate im Kriegsgefangenenlager Tegel harren; 'die korrumpierte Blinde' ließ ihn erst laufen, als Kati bereits tot war.

Nun dann, zum Ende des Lebens hin ist aller Traum geträumt, alles um einen herum ist wieder friedlich wie am Tag der Geburt und:

<>

Die Tat ist vergolten!

<>

Eigentlich sollte der Journalist Dannenberg, Zeitzeuge seiner Revolution, der die fleischgewordenen Triviali­tät ins geschriebene Wort stellen sollte, Befindlich­keiten protokollierend, längst auf der Matte stehen.

Vorab, aus langer Weile, auch um sein Gewis­sen zu entlassen, hatte er die Geschichte auf drei Bänder von Pauls Diktierge­rät gesprochen. Gut, manch eine Minute will durchgerutscht sein als er den unweigerlich gedankenlosen Sekundenschlaf hielt, das Wesentliche, sein Totschlag an Klaus, 'Auge um Auge', dass sollte drauf sein.

- Im Schädelteil, wo normaler Weise die Erinnerung wohnt, kann nun als Ansatz erst neuen Lebens flächiges Moos wachsen; so wird es sich einen Teppich bereiten, und er möchte darin suchen was zu tun ist, wo das, was ihm lieb und teuer war neu gelebt.

Und nun war er raus, stand wieder ein mal vor der Tür.

Will ihn das Leben verhöhnen?

... Als erstes Banker Herrmann anrufen, damit es im Tritt weitergehen konnte.

Susa meldete sich mit aufgeregter Stimme. „Wir haben schon gehört, dass du draußen bist“ und dann atemlos: „Dietrich ist seit gestern weg!“

Ist die Sekretärin mit?“

Ja die auch. Und das ganze Geld!“ schluchzte sie nervend empört.

Wie, 1,3 Millionen? Also meins auch?“, und er kannte die Antwort. Er kannte immer alle Antworten; warum ihm solch Echo sogleich in die Ohren blies, blieb ihm ver­schlossen, aber es war so sicher, so wahr, wie die Erde um die Sonne kreist.

Er wusste eben; und schon sah er die schlanke Gestalt, wie sie die Promenade vor dem Haus querte. Minuten später trat sie in den Raum. Verheult wie erwartet. Schminke in schwarzen Schleiern, die ihre Wangen kriegsbemalten. Den Lippenstift um Zentimeter am Mund vorbei. Früher konnte sie gut ausse­hen. Ein 'Goldesel' meinte ihr Loddel...

- Irgendwie war seinem Bewusstsein feierlich, deshalb, weil er nun neuerlich eine Aufgabe hatte; 'Auge um Auge Zahn um Zahn', das waren ihm die Liebsten; man muss schon was einsetzen, um den Gegner zum Spiel zu bringen, ein Auge zumindest, um einem Goldzahn zu triumphieren.

Ja ja mein Banker, du dachtest wohl du könntest mir nichts dir nichts einen Krüppel bescheißen? Ach Bruder, die Auflösung ist mir alleweil vertraut...’

Kati ich liebe dich“, flüsterte er Susa; strich über schweißnasses Haar, das ihr das Gesicht tarnte, und führte seine Zunge ihren Busen entlang, tastete am Universum, dass ihm Ruhe und Kraft versprach, ent­rückte als ihr Mund sich neu den Weg abwärts suchte, zuckte, stram­pelte, wiegte sich, ein wieder erstarktes Kind um das man sich kümmert...

- Der Krieg kann sich nicht irren, du und er, ich, wir können uns irren, der Krieg nie. -

Ja, aber er lebt doch noch!

Zufall..., und außerdem lag die Betonung auf noch...,

und die Abwesenheit von Krieg bedeutet nicht automatisch Frieden. Frieden muss man in sich tragen, wer will sich schon damit ab buckeln, wer will schon? Also: Krieg ist so oder so Salz auf dem Lebens- ei

- Die aufkommende Hast unterdrückte er.

'Keine Panik jetzt!' besänftigte er sein springendes Herz. Es war ihm in letzter Zeit nicht oft passiert, dass ihn Unruhe überkam. Auch nicht wenn die Zelle geschlossen wurde, Riegel knallten, Einsamkeit zum zeitigen Kumpan wurde; 'Pillen und Aufgesetzter hatten sich noch nie miteinander vertragen' wusste er, dachte an die gestrige Abschiedsfeier.

Zu dritt hatten sie auf der Zelle gehockt, Speed geschluckt, Schabau (den besten Aufgesetzten seit langem!).

Seine Abschiedsparty. Eine jämmerlich lächerliche Gesellschaft heruntergewirt­schafteter Knackis, denen man endloses Knastsitzen ansah.

Zehn Jahre waren rum. Totschlag, Mord!

So oder so...; Gut, es hätte schlimmer kommen können.

- Dann ein Rundumschlag in der Werkstatt, im Haus. Händeschütteln.Um­armungen anderer Knackis, die ihm die Freiheit nicht gönnten; drei, vier Wärter, gute Wünsche vom Schlosser­meister der in den Jahren zum Vertrauten geworden. „’Ne lange Zeit diesmal, Kurt!“

Eben noch ein letzter Gruß zu irgendwem. Nach dem Mittagesseneinschluss würde er nicht mehr ausgeschlos­sen. Arbeitsfrei bei voller Bezahlung, wie der Meister zwinkerte. Warum zwinkert der laufend? Der hat niemals zuvor gezwinkert...

Gott, er sollte nun endlich packen, sich auf die morgige Entlassung einstellen, der Sozialarbei­ter wollte noch mal 'nach ihm sehen'. 'Was?'; wollte der das Erbe abgreifen um’s zu verteilen, den guten Onkel spielen auf Kuttes Kosten? 'Nee, falsch gedacht Sozi!', der Nachlass war geregelt. Bergfell, Muttermörder, Zellennachbar, Kumpel schwerer Zeiten, Schlossereiarbeiter wie er, bekam was ihm zustand. Sonst war niemand mehr da; alle ’über'n Jordan...' Basta!

Hier wird man hart wie ’ne Kokosnuss.

Er sah im Fernseher wie Elefanten mit einer Kokosschale bearbeitet wurden. Die Reiter badeteten die Tiere, schabten anschließend die Schale über deren Schwarte. Kurt stellt es sich großartig vor geradeso 'durchgeschrubbt' zu werden. Was hatte er sonst an Wünschen? Was blieb nach zehn Jahren Knast?

Er hockte auf dem Zellenbett, sinnierte wie Tage zuvor, warum er wesentlich früher als vorgesehen entlassen werden sollte?

'Weihnachtsamnestie?', lachte, zog ihn der Meister ver-traulich am Arm, kniepte in seine dunkle Gedanken. Und Angst schlich sich ihm an einen Platz, drinnen, wo sie nichts zu suchen hatte. Dagegen kämpfte er, wie gegen das Kotzegefühl nach durchsoffenen Tagen und Nächten. Hier begann es vor Monaten, ohne dass er ge­trunken hatte.

- Entlassung! Gestern ein Wort Hoffen das er in Gold geschlagen hätte. Heute, bei der Abhandlung, Seelen-würgen. Flattern im Magen, und zum Ganzen sollte er ein fröhliches Gesicht tun, danke sagen, auf die Knie fallen, womöglich in der Anstaltskirche eine Messe lesen.

- Auf dem Bett sitzend, nachdem letztes Bare verzockt, ab­gepillt, eines knackigen Rausches wegen und lieber das, als eine Dankkerze zu zünden, blickte er wiederholt auf die 'Spindkarte'. Ja, da stand doch, deutlich mit blauem Kugelschreiber, dass sein Entlassungstag der achte Februar wär, nicht jetzt schon, nicht jetzt; ...jetzt doch nicht!

Sch..., nicht allzu oft hatte er sich trüb Vergangenem hingegeben. Halluzinogene waren hier gern hilfreich, wenn er in die positive Welt vor der Haft finden wollte. Leider, allzu oft (als er wollte), drehte sich der Wahrnehmungskreis in entgegengesetzte Richtung. Und wieder beschlich ihn Angst vor der Zukunft.

Horror im Schädel, als er dachte erneut für sich selber verantwortlich zu sein, und was noch alles kommen könnte wenn er Pflichten über­nehmen sollte. Für jemanden anderes denken, handeln, Gefühle in eine Partnerschaft einbringen? Wo sollten die herrühren? Er sollte allein bleiben.

Aus, weg mit den Gedanken! Es war zu spät, nicht möglich, den richtigen Dreh in die Vergangenheit zu kriegen, an schönen Erinnerung festzuhalten; letztlich wollte er immer das Gleiche, wie jedermann, beabsichtigte an eine Frau zu denken, zwischen Schenkel, den Busen, an DieDie, JeneJene, es blieb egal. Wenn er Ficken dachte, waren alle austauschbar; meist dachte er nur Ficken und dass er’s lange nicht getan, vielleicht nicht konnte?

'Es gibt Leute hier die sind wesentlich jünger, die kriegen ihn überhaupt nicht mehr hoch!', -die trugen Arme in Gips, einen Penis in Gold um den Hals, suchten vermutlich je-manden der ihnen einen bläst; und Kurt fluchte: „Ver­dammt; Verdammt!“, - verdammt die vertane Zeit, die ’getanen Sachen’ die ihn her brachten. Es schüttelte ihn Ekel, Abscheu vor sich, der Blödheit ein Leben zu ver­schenken, so hart brutal war er sich schuldig; und dann hing auch noch der Schwanz lustlos, als wenn er in Scheiße getreten wär. Doch nein, noch war er lediglich müd-kaputt, nicht ausgebrannt, verblasst nur.

Halt die Schnauze’; Er musste Trost zum Versagen heut nicht noch einmal nachzeichnen; nein, an den warmen Mund einer Frau wollte er denken, -und immer, wenn er dies schaffte, war Zeit hier nicht gänzlich umsonst; dazwi­schen lag er starr gebettet im betäubten Leben, als hätte ihn der Feuersturm des Knastalltags verbrannt, ein SchuldigSein erstickt.

Unfähig blieb er zu realisie­ren dass er den Banker umge-bracht, um ans Geld zu kommen: 'Mein Geld...! Herr Richter...', schrie, und Frau Boden beruhigte und am liebsten wäre er in ihre Aktentasche gekrochen; die große viel zu schwere..., und sie hätte ihn in die Freiheit getra­gen... 'Es wird schon', tröstet sie. 'Jaja, wenn ich rauskomm bin ich 'Siebzig' oder so!' Und nun musste er hier raus, die bleierne Zeit um..., und er weiß nicht was er will.

- Auf eigenen Wunsch war er mal aus dem Krankenhaus entlassen; ein junger störri­scher Bursche, geprägt vom harten Kampf auf der Straße.

Lange her, doch er konnte zurückdenken an den Tag. Waldbühne Berlin. Die 'Stones' im Konzert. Viele wissen was abging, er erst!

Die Schramme am Schädel. Narbig wucherte wildes Fleisch eine wüste Schneise. Wenn er mit dem Finger tastet, piekt sie mit kleinen Nadelstichen den Willkommensgruß. 'Du bist unschuldig an der Delle', sprach die Hautwulst; er wusste die im Recht.

Beim Herauslaufen aus dem wundgeprügelten Kessel hatten die 'Ordnungshüter!' ihm kolossal einen übergezogen. Im schnellen Schweinsgalopp, die Freundin am Arm, wollten sie dem Mas­saker entrinnen, zu spät; Tschakos, Gummiknüppel, ein atemraubendes Sausen am Ohr, der dumpfe Druck des Brocken im Hirnstamm, Fallen in Nichts; Lampe aus. Tillt. Krankenhaus.

Stunden später raus, auf eigenen Wunsch! 'Ich will die Lehrstelle nicht verlieren' und Zuversicht fand er bei der Freundin, reichlich Vertrauen wie Salz im Nordseemeer. Beinah hat er sie geheiratet. Es wurde nichts. Und, Überra­schung! es gibt Dinge die man sein Leben lang weiß, plötzlich dann, von einer Sekunde auf die nächste, ist all dies Wissen entleert, auf den Punkt zuverlässig blanko. Ein Brief­kasten am Eck, und Briefe, Karten, die im ledernen Beutel des Boten versacken, der mit geübter Hand den Kasten schließt, den Schlüssel zieht, lässig den Packen Post hinter den Rücksitz in's gelbe Auto pfeffert, mit brausendem Motor davon rast, so schnell ist aufgeschrie­benes Eigentum verloren; im Unterschied, dass man als Mensch nicht ahnt wann 'Leerzeit' ist, Kurts vormals festes Wissen, warum die Heirat nicht zustande kam, die Erinnerung ist verlernt. Da kann er nichts machen, ausser in den Himmel sehen ob Regen aufzieht...

Schließlich ist's ruhig in seinem Hirn. Das Dasein liegt wie ein stiller Weiher im Vollmond, gelbe Wellen, die ohne jegliches Zutun sich wie selber kräuseln, getrieben vom leis klatschendem Überschlag, der an auffliegende Stockenten denken lässt und blitzende Goldwas­ser ans Ufer führt.

In seinem Andenken dazu: Zerstörung, ein kaputter Steg ohne Bretter. Das moderige Pfahlgerippe steht sinnlos vom Ufer, ragt in den See, um den herum friedlich schwei­gend Dunkel, einzig ein bockig altersschwacher Herzschlag tief in seiner Brust kracht wie kriegerisch, als er da sitzt.

Wasserratten pfeifen, kugeln ihm im Spiel über die Füße. Landwehrkanal. Zehn Meter über sei­nem Kopf rattert die Hochbahn. 'Nächste Station Möckernbrücke!' dröhnt's runter.

'Potse' Ecke Bülowbogen, zur Currybude von Melina will er. Er weiß schon lange dass sie da steht, Würste verkauft. Angelo macht Frühdienst, Melina spät.

Bis dreiundzwan­zig Uhr halten sie offen, dann holt Angelo sie ab. Sie bringen gemeinsam die Tageskasse zum Tresor der Berliner Bank, auf der gegenüberliegenden Straßen-seite, gehen dann, Richtung UBahnhof Kurfürstenstraße, nach Hause.

Melina kommt's vor als laufen sie seit Ewigkeiten nebeneinander her wie Fremde, bestenfalls eine Zweckgemein­schaft.

Nein, nein, es ist noch gar nicht lange her, meint Angelo, da hielten sie sich bei den Händen, erst ab Neuestem laufen sie einfach so nebenher, aneinander vorbei, hören sich zu, und auch nicht, reden, oder auch nicht, tun als täten sie, hörten, redeten nichts hin und her, gleich Al­lem oder Nichts, wie egal es ist.

Doch das ist oberflächlich so, das täuscht; sie denken an früher, jeder für sich und wie es hätte sein können wenn sie dies oder das getan oder gelassen hätten, dies oder das geredet oder vom anderen gehört, oder nichts von alledem... Sinnlos jeder für sich; auch wie es gemeinsam (weiter) gehen kann ohne dass man Zweisam einsam und allein ist? Auch hier: der Knast hat solches Leid an ihnen verbrochen.

Heute, nach dem Einwurf der Geldbombe in den Tresor, nimmt Melina Angelo bei der Hand. Zu seinem Erstaunen greift sie einfach zu ihm 'rüber, packt ihre schwielige Hand in seine, drückt die in einem aufwallenden Liebesbeweis; ihr Atem duftet nach Curry als sie sagt: „Duuu, Kurt Babig war eben am Stand...“

Ach, ist er raus?“

Seit heute!“

Und, was wollt' er?“

Er hat mir ein Diktiergerät und besprochene Bänder gegeben. Er sagt ein Journalist, ein gewisser Dannenberg, wird sie abholen.“

Weißt du was drauf ist?“

Er hat's angedeutet. Die Sache mit dem Banker Herrmann vor allem.“

Aha!“

- Kurt war inzwischen auf der Route Chamissoplatz. Im 'Falken', an der Arndtstrasse, klemmt er sich in's hinterste Eck.

Ne Molle und'n Korn!“ Die haut er locker runter. Betrunken ist er. Raucht. Spuckt den krümeligen Tabak der Selbstgedrehten in die Ecke; fasert längere Tabakstrunken von seiner Lippe, zerbröselt's zwi­schen zwei Fingern der Linken. Hustet. „Eenen nehm wa noch, denn wecken wa de Kinder!“ brüllt er gleich nochmal nach Bedienung.

Der Banker Dietrich Herrmann steht neben seinem Stuhl. Der haut's Bier uff'n Tisch dat'et nur so staubt... Benehm er sich! schnauzt Kurt, fast amüsierts ihn...

- 1,3 Millionen! Nach Thailand musst' er dem nach. Susa im Schlepp. Phuket; ein Zipfel kurz vor Malaysia in der Andamanensee. Er, Kurt, der kaum aus seinem Kiez raus, nur in Träumen, und nicht weiter als bis nach Tegel, in Thailand. Und er wollte, endlich und ausschließlich, seinen Anteil, mehr nicht, letztlich hatte er dafür Jahre Knast gesessen; wenn er's hatte, 'nichts wie weg hier!'

Ein grausliches Land. Das Fressen ekelhaft. Ungeziefer in der Suppe und das Bier so pupig warm.

Kurt nahm sich einen heimischen Stadtführer. Der musste nicht lange suchen. Herrmann residierte, mit Sekretärin und Personal, auf einer Jacht im Hafen.

Der Banker tat nicht überrascht Kurt zu sehen. Susa ver-wirrte ihn um so mehr. Die fällige Aussprache beendete Kurt mit einem knackigen Jagdhieb in's Genick des Bocks. Danach war der Banker schlachtreif. Kommenden Morgen wollte er zahlen; denn das Geld hätte er auf der Bank; ja wo sonst, und seit einer Stunde war dort Geschäftsschluss. „Morgen, ja?“

Einheimische Schläger erwarteten Kurt und Susa nächsten Morgen. Und wie es so kam: Der Banker ging bei der Ran­gelei über Bord und ertrank.

Sein Abflug über die Reling war völlig unspektakulär. Der ist über ein herumliegen­des Tau gestolpert“, erklärte Kurt bei der Verhandlung in Bangkok, dort saß er, bereits acht­zehn Monate, in U-Haft.

Susa blieb frei, mit ihr ging die Yacht auf Reisen. Das Geld.

- Tatort Waldfriedhof Dahlem: 'Hier ruht in Frieden Dietrich Herrmann; allseits geschätzter Kollege, usw. usw. usw'...

Kurt wurde in Bangkok zu 'Lebenslänglich' wegen erwiesenem Mord verurteilt.

Am Hinterkopf der Leiche Herrmann fand sich eine lange wie tiefe Wunde, die unzweifelhaft von einem Schlag auf den Schädel herrührte.

Zwei Jahre vegetierte er in der Hölle, dann überstellte man ihn nach Berlin. Hier hat alles angefangen, hier dreht sich der Reigen dem Ende zu. Frau Boden war froh ihn wieder-zuhaben.

Ein hartes Stück Arbeit Kurt“ meinte sie; und er war dank (an sie) voll.

Die Anklage wurde auf ihr Begehren hin neu verhandelt.

Er musste vor Gericht zumindest zugeben, so meinte Frau Boden, dass er den Banker geschlagen hatte. Zeugen sagten, dass er ihn schon am Tag zuvor malträtiert hatte.

Wie einen ’Karniggelbock’ hat er ihm in's Genick geschlagen!“ schwor Susa auf die Bibel, als der Richter fragte, ob man sie vereidi­gen könne.

Und Kurt we­gen Totschlag § 212 StGb: ’Wer einen Menschen tötet ohne Mörder zu sein wird als Totschläger verurteilt’, zu zwölf Jahren verknackt. Einige Zeit wurde doppelt angerechnet; aber es blieb noch was über.

Wenn man will, verdankt er Frau Boden Jahre seines Leben, auch wenn's im Knast gelebt war, besser als tagtäglich mit dem Teufel um die Seele pokern. In Bangkok wäre er schon lange tot; Thailand ein ewiges ade, - da sollen sich andere den Arsch plattsitzen.

Happys End

Nun entlässt ihn das Gasthaus 'Falke', und bedächtig schlurft er den letzten Gang. Er hat es nicht mehr weit. Einmal um den Platz noch, dann die 'Bergmann' runter und über'n Marheinike­markt schwankt er, zum Kirchhof hin geht's weiter. 'Dreifaltigkeit', heißt einer der Totenknäste; 'Friedrich Werder' der andere, 'Jerusa­lem' und 'der Neue' heißen die nächsten. Da lagern sie, die ganze Mischpoche, viele Türken in letzter Zeit.

Hier flegelt er zwischen Gräbern. Katia Gino Kurt, liegen in einer Reihe. Katia, die lacht nun darüber dass er hier ist, lacht unsagbar nüchtern mit gross weichem Mund. Lacht dann dies ausdruckstarke, ungemein sensible, strahlend-schmerzliche Lächeln, das er so liebte...

- Die kriechen­den Bodendecker über beiden Gräbern, zwischen denen er liegt, sind gut angewachsen. Schade drum, weil sie ja den ganzen Scheiß wieder aufreißen müssen, wenn er dort zum Liegen kommt. Dann fällt ihm auf wie das sanftige Moos am Stein duftet, dass hatte er noch nie erlebt, und auf einer Birkenspitze jubiliert 'ne Amsel, als wenn sie ihm mit ihrem Gesang ins Leben flöten will; vom Air­port Tempelhof dröhnt ein Flug-zeugmotor rüber: wo der Flieger wohl hinwill?

- Während er so lag, bewegten sich Fragen, gaben Ant-worten, Gedanken zwischen den Grabreihen. Anfangs war die Phantasie eine jagende Schlange, Beute suchend, bald erschöpft verweilend -einen ihm bekannten Namen lesend, das Ego wohlgefällig in wärmenden Erinne­rungen. Die gönnten ihm Rückschau die den Abschied leichter werden lassen sollten, -prüften erinnernd was ihn herge-führt, und Kurt fand letztlich nichts als Situationen die ihn ermüdend belasteten: Freunde, Feinde, eine Wildnis voller Raubtiere, diese gelebte Vergangenheit, und, die Begeg­nung mit sich selber ist sowieso nie einfach, an der sind schon viele vor ihm ge­scheitert.

* Mit solchen Gedanken konnte Kurt sich endlich helfen, im Schädel Wirkung erzielen. Ein erfahrener Boxer; Figh­ter, der linksrechts Haken schwingernd dem angeschlagenen Gegner nachsetzt, der merkt, dass er am Ende war. Ein letzt gewaltiger Hieb und er konnte sein Leben erkennen, das ihm durch den Tod näher war als gedacht. Und gerade hier im Staub fand er Wahrheit, die eine gesuchte Realität im letzten Akt.

Herr, lass ihn beten: „Lieber Gott, es gibt Himmel und Hölle, oben wie unten und Mitte, und irgendwo sollte ich sein.“*

- Ja, er wär so gern in der Mitte, und deshalb hatte er’s richtige Beten verlernt, und dachte nur: Herr Du arrangier­test das Ding, dass mein Sein (ist-war) sein sollte, hin und her, vor-zurück, nach oben, nach unten, nie in der Mitte, die streifte ich lediglich beim Transit, wohl um auch die kennen zu lernen?, und deshalb, ...wie sollte ich da, wo du mich platziert hattest, leben?

Wahr ist: jeder kommt dort an wo er hin will, einer früher, andere später, und manche wissen ihr Leben lang nicht wohin sie wollen, wann und ob sie ankommen, - das ist das Problem.

Kurt stand jetzt am Ende der verlorenen Welt, und das war es, was er immer schon wollte...

Er war vornüber gesunken und lag wie schlafend an der Erde. Als sie ihn wendeten um sein Gesicht zu erkennen, sah man, dass er sich ein Leben lang gequält haben musste, doch auch Zufriedenheit, dass es so gekommen war.>>

- Gut so, sein Leben ist durchgestanden wie er’s durch-stehen musste, es gab ihm keine anderen Möglichkeit, und es war schrecklich wie schön, - und wer weiß was noch alles folgt.

Kurt jedenfalls, der rechnete mit dem Schlimmsten, denn im Schluss war Anfang, und im Anfang war Schluss.

p.m.

- Früher hätte ich fast alles getan um einen gefällig-lie­bens­werten Text zu schreiben.

Aus tausend Gründen ging das aber nicht. Ich glaube, ich hatte zu viele der unkonventi­onellen Schreiber gelesen. Und wie diese auch, scheiterten meine konventionellen Schreibversuche und also ich, daran, dass ich den Abfall ange­sam­melter Lebenserfahrung nicht im Stile ’Pilchers’ abhandeln wollte, - ich den Müll, ande­rerseits, auch nicht aus dem Fenster werfen konnte, denn ich wohnte im sechs­ten Stock, an einer beleb­ten Straße, mit einem mir unbe-kann­ten Gegenüber, das mich ständig beobachtete.

- Das Verrückte damals, ich stand unter radikalem Zwang dass mir lebenslänglich Widerfahrene ’loszuwerden’.

Und also: In die grüne Tonne zum Beispiel, passte der auf-gestaute Frust nicht, nicht in den Papiercontainer, in die zahlreich rumstehen­den leeren Flaschen. Was tun?

Genau, ich schrieb. Und womöglich erschlage ich nun Menschen mit meinen knast- logischen Realitäten, nerve mit meinem anti literarischen Charakter.

Dazu sage ich: ein bisschen Schwund gibt es überall und sowieso in der Literatur - und glauben Sie: es tut mir gut mich schreibend zu erleichtern. Außerdem bot schreiben für mich die einzige Lösung, nicht weiterhin an Dingen des Lebens zu scheitern. Zum Beispiel möchte ich Alko­hohl trinken wie alle ihn trinken, zur Entspannung, um hemmungs­loser Sex zu haben, um verrückt zu sein und den Kopf gegen enge Wände zu knallen, - und um manch-mal aus der Welt auszusteigen. Egal, ob ich diese Dinge tu oder nicht, wahr bleibt: ich kann und will all das Passierte nicht und nie ändern; so schrieb ich auf, was nicht änderbar, dass, was wahrhaft geschah, weiter nichts.

- Die nun folgenden Sätze, über den Protagonisten Kurt und einen oder zwei unbekannte Berichterstatter, die sollen als Armleuchter dienen. Wobei ja mit Armleuchter ’ne Menge anderer Deutung verbunden werden kann. Hier der, der soll behilflich sein den fiktiven Autor und Kurt, die sich ähneln oder mehr, im richtigen Licht zu sehen. Sozusagen eine geschriebene Aufhellung, die Auskunft geben soll, weshalb manche im Einschluss lebten und andere nicht. Und also nochmals: Kurt und der, und Kurt und ich, wir tun hier so, als ob wir zwei-drei Personen wären. Einer, der Aufgeschriebe­nes erzählt und die-der anderen, der-die Tatsachen miterlebten und zum Schreiben freigaben.

- Und so ging es mit Kurt los: Ich stand am Küchenfenster und sah an einem späten Abend den Blitzen eines abzie­henden Gewit­ters hinterher. Als es besonders hell am Himmel zuckte, fiel mir die Geschichte Kurts wieder ein. - Na ja, wer’s glaubt...

Wahr bleibt jedoch: Ich soff zu der Zeit Jägermeister auf kaltes Bier, und Bier auf kalten Jägermeister folgend. Es kam darauf an, was näher dran stand. Über Wochen rauschte ich mir heftig einen an und sann intensiv nach, was ja gar nicht möglich war mit zugeknallter Birne, und schrieb Kurts Leben auf, - dachte ich.

In der Zeit Schreibens sind mir eine Menge Haare ausge-fallen, andere, an anderen Stellen, neu hinzugekommen. Ich weiß auch nicht wie sich das mit dem Prolog verein-bart, aber es geschah eben.

Mein Saufen hatte sich zum Dauerzustand gefügt, doch ich nahm die Schwäche, mit der Trin­kerei aufzuhören, mit Hu­mor und bekämpfte die Saufbegleiter, den Durchfall, mit Kohletabletten. Immerhin!

Trotzdem, es hing ein fürchterlicher Gestank Dünnpfiffs in meiner Bude. Der pappte sich jedes Mal ohne Umschweife in die Gardine; ein Schuster, der den Gestank fleißig mit der Ahle einwerkte.

Ich jedoch, - ich verschlaffte Stunden und Tage im Bett und hatte meist die Schnauze voll von all dem Leben. Und darüber eines Tages in irrer Wut, riss ich den Store ab. Als Ersatz besorgte ich ein Plastikrollo: ’Daran hält sich der Mief nicht allzu lange, hoffend’. Das Rollo hatte die Farbe einer Jägermeisterflasche, und die Gesamtkonzep­tion Leben, Schreiben, Saufen, Gardinen und mangeln­dem Erfolg, das passte genau zu meiner Gesichtsfarbe.

Jedenfalls, falls sie an meiner Bude vorübergehen, werden sie die am Rollo erkennen: giftgrün. Lehne ich genau in dem Augenblick aus dem Fenster, sehen sie mich dito: giftgrün.

- Irgendwann entzog ich mich in einer Akutklinik vom Sprit. Danach sichtete ich, was ich seit Wochen über Kurt, Klaus und andere auf gekritzelt hatte. Keine Sau konnte das lesen... also von vorn.

Kurt! und Klaus. Ja, - und es gab noch andere tragende Perso­nen im Leben von Kurt. Hier z. B. Klaus, und den und den, usw. usw.: Doch die trugen nicht so schwer wie Kurt. Klaus lange nicht, nicht andere, meine ich, und des-wegen blieben die im dunklen Grau, wo Kurt im hellen Schwarz.

Also, eindeutig, es geht um Kurt.

- Als ich dann endlich mit der Schreiberei so richtig in Fahrt, ging mir das Geld aus. Scheiße! Und wieder kam es darauf an eine Entschei­dung zu treffen.
Die traf ich, schon weil ich Ent... hier nicht mit d schreibe; Also, war die Überlegung, wieder saufen und das Schrei­ben sein lassen? Oder arbeiten gehen und vom nicht versoffenen Geld was zum Fressen kaufen -, weiter schreiben?
Ich hatte entschieden: Kurt lockte.

- Nun hätte ich auch wieder Gardinen aufhängen können. Aber die waren längst in der Altkleidertüte und das Tuch baumelte ir­gendwo in afrikanischer Sonne im Latrinenwind eines Krals. Schade.

Übrigens, wenn ich mich selber in Szene bringe, in Kurts Geschichte, setzte ich mich in Zeichen wie die * * hier; also, ich setzte meine Anmerkung dazwischen, - wenn sie wissen was ich meine.

Anfang der Geschichte, und sie werden es lesen, pas­siert es öfter, dass ich mich einmische. Aber das gibt und gab sich mit den Jahren, so wie sich alles mit den Jahren gibt und gab; wie Zahnschmerzen, wenn man keine Zähne mehr hat. Und dass ohne Zähne, dass kommt wiederum vom Saufen, oder vom Fahrradfahren, eine Folge, wenn man die Hände von der Lenkstange nahm. Und so ist das auch mit dem Schreiben; es ist durchaus ohne Zähne mög-lich, der Biss muss, oder sollte, in den Wörtern liegen.
Kurt, mein Protagonist, hatte eigentlich alles, was man in jungen Jahren so braucht: Biss, Wut, Angst. Aggression, die daraus entstand, - und er hatte sich.

Da er aber von alledem nur wenig, eigentlich so gut wie nichts, nach außen trug, könnte man sagen, er lebt(e) sich selber, - ein Autist beinahe. Auf jeden Fall existierte er in Selbstgenügsamkeit, was den Kontakt zu Menschen betraf. Wollte er aber etwas haben, oder erreichen, so griff er zu und bog es sich nötigenfalls zurecht, auch mit Gewalt.

Ist doch klar: man, also er, kann-konnte alles haben, alles tun, weil er jung war und auch so geblieben ist. Er stahl und raubte also auch deshalb, und weil er ein angenehmes Leben leben wollte. Geld brauchte man dazu. Jugend, um es zu genießen. Mehr nicht, meinte Kurt.

Er kaufte ein Auto, nicht zu groß. Nie zu protzig seine Anzüge. Niemals war er zu betrunken. Schade ist, finde ich, zu keiner Zeit liebte er so richtig, bis auf einmal, und da hat er sich gleich in eine Hure verliebt.

Ich sehe sie deswegen nun schon mit dem Moralfinger auf Kurt zeigen, aber ’normale Frauen’ kannte der nicht. Ich auch nicht. Wer kennt schon normale Frauen?

Kurt hatte auch keine Freunde, bis auf Klaus, und der auch ein Krimi­neller. Und die Konsequenz für all das illoyale Tun an der Gesellschaft war Kurt nicht mehr als schlechter Atem, als hätte er Knoblauch gefressen, auch das machte bekanntlich einsam.

- So waren in seinem persönlichen Umfeld lediglich Straf-taten und Klaus, und die selbstgewählte Einsamkeit.

Jeder weiß: auf solch asoziales Sein folgt, tätig auf dem Fuß, die staatliche Sanktion. Und der, also zwangsläufig, fol­gende Knast, der biss ihm Teile seines Lebens ab. Das wusste er, dass hatte er einkalkuliert. Es gehörte zu seinem Dasein - wie das Klauen, wie Klaus.
Der Knast war lästig. Zeitverschwendung, mehr nicht.

Er selber sagte dazu im Rückblick: Es war mein Leben, dass sich selbst nahm. Und er, sagte Kurt über sich weiter, hätte ja sogar den Krieg schon hinter sich und überlebt, - dachte er, sage ich.

In Wahrheit war er immer mitten drin. Und die Schlacht Leben, die Kurt lebte, war und ist überall kalt glatt und brutal. Tödlich, wenn man nicht Acht gab: denn Krieg ist die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Menschen. Jedenfalls war es früher so.

Heute kämpft man, weil man sich gegen Bevormundung wehrt. Man schlägt, tritt, schießt gegen die Herrschaft des Kapitals, die nennt sich (demo-kratische) Gesellschaft und vertritt alle Gewalt im Staat, das Kriegsrecht.

Viele, auch Kurt, verweigern den Kriegsdienst mit der Waffe in der Hand. Manche, und auch wieder Kurt, wer-den Kriegsgefan­gene, manche Kriegsverbrecher; Kurt Verbrecher.

Ja, das wüsste er alles, sagte Kurt; aber er wäre frei in sich, das wäre wichtig, auch im Knast, oder gerade dort: Frei sein, weil er frei sein wollte. Halleluja, gelobt sei was hart macht! Und Kurt nahm den Knast für einen akzeptab­len Ausgleich, den er ’dem Krieg’ schuldete, er sagte: ’dem Staat’!, welchem immer, und Ansporn wäre er ihm. Manager zahlten ihre Aktivitäten mit einem Herzinfarkt, auch wie immer. Kurt immer mit Knast.
Ich glaube, Kurt musste den Krieg, von dem er ja nicht wusste, dass er dessen Strategie gehorchte, aus dem Grunde führen, aus dem alle Kriege geführt werden. Nämlich aus Enttäuschung über tausend Dinge, die misslangen, aus Hunderten die gelangen und die genau deshalb und wieder und wieder neu begonnen werden mussten; um eigene Freiheiten zu verteidigen, zu tun oder zu lassen was man wollte, fremde Kontinente zu erobern. Schlechtesten-falls um Pfründe falscher Freunde zu sichern, siehe Kurt.

Herrgott! Dieser Kerl, der gleitet mir beim Nachdenken schon wieder ab. Aber genau das ist es ja, wer keine Arbeit hat, der macht sich welche. Apropos Arbeit: Kurt wusste schon ab seiner Jugend, ab zehn Jahren, glaube ich, dass mit Arbeit nichts zu machen war. Deshalb ging er nicht gerne in die Schule, lernte keinen Beruf, mopste lieber. Kleine Dinge anfangs. Sachen, die jeder Jugendliche mauste.
Später begann er Überfälle und Einbrüche auszuspähen. Verkaufte die Tipps wo was zu holen sei. Er selbst arbeitet nie mit dem Brecheisen, das war ihm zu schwer und zu umständlich. - Nachdem zog er Leute ab. Wie das geht ist bekannt, setze ich mal voraus. Man tut es, wie die eben genannten Manager. ...Kurt nahm anderen was weg, wie alle es tun... Oder sehe ich jemanden mit dem erstbesten Stein?

Zur Person: Kurt war ein relativ gut aussehender Bursche. Aber was ist schon gut aussehend? Er war groß, schlank, hatte volles Haar, und war gut gebaut, wie man so sagt.

Ich wusste er war sportlich, und das nicht nur im Geist.

Er hatte ein ansprechendes Gesicht, leicht gebräunt, ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, - ob im Knast, oder nicht. Er verfügte über eine immense Potenz, womit nicht ausschließlich seine sexuelle Unermüdlichkeit ge-meint wäre. Und mit diesem Pfund wucherte er, geriet er in Bedrängnis.

Das innerlich und äußerliche kam daher, weil seine Mutter ihn absolut säugte; beinahe wie die Amme den Negus. Die Amme des Negus soll ja Brüste gehabt haben, damit hätten die heute glatt im Guinessbuch der Rekorde gestanden.

Kurts Mutter hatte auch solche groß ausladenden Dinger, jedoch, auch die standen nicht im Buch der vermeintlichen Sensationen, denn sie säugte ja Kurt. Sie starb früh.

Zu früh; und mit ihrem Tod bestätigte sie seine unendliche Angst, wenn sie starb, ins Heim zu müssen...

Kurt war acht und das Heim dann sein Zuhause. So war es! Und vielmehr ist über Kurts Mutter auch nicht bekannt. Die war eben eine fleißige Frau und Kurt, natürlich sein Vormund, kassierte die dürftige Lebensversicherung, die Mutter jahrelang eingezahlt. Um die paar Mark betrog ihn der Kurator.

Später revanchierte sich Kurt. Der ’Vormaul’ verkehrte auf dem Kiez, kam in die ’Potse’ - zufällig dahin, wo Kurt residierte, und der wollte von einem Lustjungen einen ge-blasen haben. Vormund minderjähriger...?, den wollen wir mal.

Halt Kurt, dass ist eine andere Geschichte. Lass erstmal stecken!

...Jedoch von fleißi­gen Frauen nahm Kurt sein Leben lang, wie jeder Mann; oder sagt man besser: jedermann?

Von Leuten die ihm Vormund sein wollten profitierte er nie, die brachte er um.

Kurt, dann Einsachtzigplus und kräftig, sozusagen durch-setzungskräftig und schlau, auf eine solche Art, dass er nicht blöd war - und mehr brauchte man nicht auf dem Kiez und sowieso keine Vormünder, der fand seinen Weg. Obwohl, Kurt war siebzehn als seine ’gesetzwidrige’ Kar­riere begann. Hätte da nicht jemand aufpassen müssen?

Das tat aber niemand, außer der Justiz. So wuchs er an sei­nen Taten, und irgendwiewann war es seine Top-Zeit. Er, ein ’Biberkopf’ besonderer Art und niemand musste ab dann nach seiner Prägung suchen, dem Stempel, der ihn als menschen­gerecht dazugehörig auszeichnete...

Kurt war in der Welt der Verbrecher das Kreuz- Ass und wer, frage ich, sollte die Vorzeichen jener Zeit verstehen, die aus ihm gemacht was er war. Nicht mal er selber. Und er gab sich auch keine Mühe, dies bezogen; denn es waren archaische Gesetze, nach denen er handelte, und Darwin hätte seine Freude an Kurt. Und der tat, - nicht Darwin, sondern Kurt -, aus eben diesen Reflexen, was zu tun nötig, was lebenswichtig war, um nicht an dieser Gesell­schaft zu krepieren.

- So lassen wir also Kurt tun, beobachten sein Leben, seine eine Liebe und den Versuch Gerechtigkeit herzustellen; Und das alles ab dem, als ihm das Leben so richtig in die Knochen gefahren...



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Kommentare zu diesem Text


 harzgebirgler (13.04.23, 13:30)
"die Abwesenheit von Krieg bedeutet nicht automatisch Frieden" :D

mehr noch: Friedenszeiten sind Zwischenkriegszeiten
bevor die blauen Dragoner wieder reiten...

lg
henning

 alter79 meinte dazu am 14.04.23 um 07:38:
manchmal belle ich mit rehböcklein um frieden
- es lässt aber nach ...


https://youtu.be/b6jcaWyhQls?t=13

https://youtu.be/b6jcaWyhQls

 alter79 antwortete darauf am 14.04.23 um 07:39:

 harzgebirgler schrieb daraufhin am 14.04.23 um 11:28:
:) :D :D
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