Goethe in die Mottenkiste?

Sonett zum Thema Tradition

von  EkkehartMittelberg

Kein Schüler nach dem Kriege ihn vermisste,
als ein junger Lehrer ihn verkannte,
nicht ahnend, dass ein Fan in Zorn entbrannte,
denn Goethe sollte in die Mottenkiste.

Es ritt mein Herz verliebt mit ihm zu Pferde,
und fieberte voll Schmerz mit Werthers Leiden,
erlebt „Prometheus“, „Ganymed“, die beiden,
verbunden mit dem Himmel und der Erde.


In Medien ist die Klassik weit entrückt,
ob Schüler heute noch von ihm entzückt,
bekümmert Deutschlands Bildungsplaner nicht.

Per Kanon drückt man ihnen „Faust“ aufs Auge,
als ob das Schönste ohne Liebe tauge,
Auch Schüler sollten wählen, was entspricht.



Anmerkung von EkkehartMittelberg:

1954 – ich war 16 Jahre alt - entdeckte ich Goethe im Bücherschrank meiner Eltern und las ihn begeistert. Damals unterrichtete uns ein junger Deutschlehrer, der unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs Goethe wohl als museal und verteufelt human empfand und meinte, dass er in die Mottenkiste gehöre. Ich hatte Goethes Lyrik des Sturm und Drang, den Werther und „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ gelesen und verteidigte Goethe, den ich sehr schätzte. Bald änderte sich die Bildungspolitik und die Klassiker hatten wieder ihren festen Platz im Bildungskanon. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Aber ich halte nichts davon, Goethe um jeden Preis zu lesen, wenn die SchülerInnen kein Verhältnis zu ihm finden. Es gibt heute hinreichend mediale Angebote, mit denen man testen kann, ob sie bereit sind, sich klassische Literatur zu erarbeiten.

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Kommentare zu diesem Text


 Aron Manfeld (23.08.24, 00:10)
Hättest Du den Goethe nur in den Müll geworfen und hättest Bankkaufmann gelernt, werter Ekkehart.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.08.24 um 00:27:
Kein anderes Studium hätte mir Goethe ausgetrieben.

 Aron Manfeld antwortete darauf am 23.08.24 um 00:57:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 23.08.2024 um 00:59 Uhr wieder zurückgezogen.

 Didi.Costaire (23.08.24, 08:32)
Moin Ekki,


Kein Schüler nach dem Kriege ihn vermisste

Das hätte Joe vermutlich flotter formuliert. Er sollte nicht in der Mottenkiste landen.

Schöne Grüße,
Dirk

P.S.: Weshalb ist die Anmerkung so breit? :O

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 23.08.24 um 11:17:
Hallo Dirk,
kannst du mir einen Vorschlag zur Umformulierung der ersten Strophe machen, der den Inhalt nicht verändert?

LG
Ekki

 Beislschmidt (23.08.24, 09:18)
Ein gelungenes Sonett Ekki und ich bereue nicht, dass mein Faust seit der Abileseliste es tatsächlich geschafft hat fünf Umzüge zu überleben. Des Pudels Kern "Ganymed" habe ich leider nicht verstanden. Was meinst du damit?
Beislgrüße

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 23.08.24 um 11:33:
Merci Beisl,
"Prometheus und "Ganymed" sind die berühmtesten Hymnen des jungen Goethe. Der erdverbundene Prometheus hat den Göttern das Feuer für die Menschen geraubt, Ganymed strebt hingegen als Mundschenk der Götter nach Vereinigung mit ihnen "umfangend umfangen", also aufwärts in den Olymp, den Himmel der Griechen. Darauf beziehen sich die Zeilen II,3,4.

 Pensionstarifklempner (23.08.24, 13:13)
Hallo. Hoch anregend. Aber eins werde ich dem Goethe nie verzeihen, als meinen Kleist somnabul nannte.
Den Rest des Sommer verbringe ich schlafwandelnd.
Erhalte Dich Deinen Rrkennissen
.
Der alte Tarifler

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 23.08.24 um 13:28:
Hallo Petakle,                                                          Goethe hat sich wohl, instinktiv Konkurrenz fürchtend, gegenüber dem aufstrebenden neuen Genie verschlossen.

 Gabyi meinte dazu am 23.08.24 um 13:31:
Habe die letzten 2 Jahre vor dem Abi mit Faust1 und Faust2 zugebracht. Dann kam Fontane und danach "Erzählgedichte".

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.08.24 um 13:47:
Hallo Gabyi,

Ich kannte die Erläuterungen zu Faust, aus denen mein Deutschlehrer seine Weisheit schöpfte und konnte ihn deshalb manchmal vorführen, ohne dass er es merkte.

 harzgebirgler (23.08.24, 15:50)
hallo ekki,

der dichterfürst, er ist noch nicht vergessen -
den ält'ren ist er nach wie vor präsent
zumal die neue zeit zu selbstbesessen
womit sie menschens wesen voll verkennt:

du hast ihm hier gebrochen eine lanze
ein wort erscheint vor mir in neuem glanze
es gilt als sein bekanntestes zitat
„hier bin ich mensch, hier darf ich's sein“

gar nimmer beug' sich der dem autokrat
der unmensch ist und hundsgemein!


lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.08.24 um 17:23:
Hallo Henning,

meine Sonette lassen immer Lücken,
deine Ergänzungen sind mein Entzücken.

Dankbare Grüße
Ekki

 Teo (23.08.24, 16:24)
Mein lieber Ekki,
Du bist eindeutig in deinem Element.
Wer bei dir nix lernt, kann nur noch Politiker werden.
Ergebendste Grüße 
Teo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.08.24 um 17:28:
Gracias, mein Freund,
hat einer lange nicht mehr gelacht,                                  hat Teo seinen Humor entfacht.

Lachende Grüße
Ekki

 Saira (23.08.24, 19:37)
Lieber Ekki,

Goethes Bedeutung ist das Ergebnis seiner außergewöhnlichen Kreativität. Er schrieb nicht nur Gedichte, Romane und Theaterstücke, er war auch Naturwissenschaftler und Philosoph und nahm großen Einfluss auf die Weltliteratur.

Ich persönlich bedauere es, wenn Goethes Sprachkunst im Unterricht keinen Platz mehr finden würde.
 
Liebe Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.08.24 um 12:03:
Merci, Sigi, so sehe ich es auch. Mir fällt kein Dichter ein, der durch die Vielfalt seiner Texte Goethe übertrifft.

Liebe Grüße
Ekki

 Tula (23.08.24, 20:46)
Hallo Ekki
Die Lyrik seiner Epoche reißt mich wahrlich nicht mehr mit. Aber den Faust würde ich auch ein drittes Mal lesen. 

LG Tula

Kommentar geändert am 23.08.2024 um 20:46 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.08.24 um 12:17:
Merci, Tula, die Lyrik der Klassik bringt auch mein Blut nicht in Wallung. Aber Goethes Sturm und Drang-Gedichte begeistern mich noch immer, besonders "Es ritt mein Herz geschwind zu Pferde".

LG
Ekki

 plotzn (24.08.24, 08:22)
Servus Ekki,

ich habe schon drauf gewartet, wann der Dichterfürst endlich Deine Bühne betritt. Er durfte in der Sammlung ja nicht fehlen.
Den Werther habe ich in der verkehrten Reihenfolge gelesen. Zunächst seine neuen Leiden von Plenzdorf (hat mich in der Jugend gefesselt) und dann das Original. Mit der alten Sprache Goethes konnte ich damals nicht viel anfangen, inzwischen hat sich das geändert...

Liebe Grüße
Stefan

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.08.24 um 12:24:
Gracias Stefan. Ich konnte meine Schüler mit dem Vergleich von Goethes und Plenzdorfs Werther immer motivieren.
Mir scheint, dass ich selbst antiquiert bin. Jedenfalls habe ich Goethes Sprache nie so empfunden.

Liebe Grüße
Ekki
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