Der morbide Charme der K.u.k.- Monarchie

Sonett zum Thema Untergang

von  EkkehartMittelberg

Du bist der Dichter dieser Monarchie,
unvergessen wie der Held von Solferino,
du schufst als Literat ein großes Kino,
„Radetzkymarsch“, die bittersüße Melodie.

Die Leiden deines „Hiob“ scheinen nie zu enden,
Mendels Glauben hängt am letzten Faden,
Verdammnis oder wird der Herr ihm gnaden?
Jehova kann sein schlimmes Schicksal wenden.

Du warst begehrt bei attraktiven Frauen,
sie liebten deine tiefe Traurigkeit,
doch deine Eifersucht zerstörte das Vertrauen.

Viele gaben sich bei deinem Tod die Ehre,
Monarchie und Kommunisten zeigten Leid,
am Grab entbrannte Literaten-Streit.





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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (26.08.24, 00:11)
Möglicherweise hätte er dem folgenden Scherz zugestimmt: "Erst schuf Gott den Mann. Dann schuf er die Frau. Dann tat ihm der Mann leid, und er schuf den Alkohol."

 Graeculus meinte dazu am 26.08.24 um 00:12:
War er eigentlich auch (manchmal) witzig?

 hehnerdreck antwortete darauf am 26.08.24 um 00:22:
Könnte auch von Heine sein (das mit dem Alkohol) ... aber sicher von Ambrose Bierce.

 AchterZwerg schrieb daraufhin am 26.08.24 um 07:18:
Ein köstlich-witziges Zitat! :P

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 26.08.24 um 17:55:
Merci für den originellen Kommentar, Graeculus. Ich bin bis jetzt nie auf witzige Äußerungen von Joseph Roth gestoßen. Die witzige Irmgard Keun, die Autorin des kunstseidenen Mädchens, hätte es aber mit einem witzlosen Autor nicht so lange ausgehalten.
Ich vermute, dass deine Frage rhetorisch ist und dass du mehr weißt.

 Graeculus ergänzte dazu am 26.08.24 um 18:04:
Nein, keine bloß rhetorische Frage - ich kann mich an nichts Humorvolles bei Joseph Roth erinnern, bin aber nicht so firm in seinem Werk, daß ich es ausschließen könnte.

An hehnerdreck:

Bei Bierce kenne ich mich aus, und nein, Alkohol spielt in seinem Werk keine Rolle. Ich kenne lediglich ein einziges Zitat, das sich mit Rauschgift befaßt - es stammt aus dem "Wörterbuch des Teufels":

Rauschgift subst. neutr.

Eine unverriegelte Tür im Gefängnis der Identität. Sie führt auf den Gefängnishof.

Das klingt nicht so, als ob er sich davon viel versprochen hätte.

 hehnerdreck (26.08.24, 00:24)
Drei Zitate von ihm, die mir gefallen:

Schenken Sie, was Sie an Güte besitzen, drei, vier Menschen, nicht der Menschheit.

Nicht nur Siegesalleen – auch Bedürfnisanstalten können die Gesinnung eines Volkes charakterisieren.

Beim Schriftsteller beginnt schon dort, wo er schweigt, die Lüge.

Liebe Grüße

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.08.24 um 18:19:
Das dritte Zitat ist besonders aufschlussreich für Joseph Roth, der sein Leben und das seiner Frau immer wieder neu erfand: "Volker Weidermann: „Ja, er hatte ein dichterisches Verhältnis zum Leben insgesamt, dichtete gern, erfand einfach gern Geschichten und an der Basis von all dem stand seine Lebensgeschichte. Und er hasste Langeweile, er hasste es, die gleichen Geschichten immer wieder neu zu erzählen, und irgendwie…

30.48 ich habe es immer auch als Protest dagegen verstanden, sein Leben nur einmal zu erzählen, oder sich festzulegen auf die Herkunft, das Judentum usw; ich glaube, seine Art, das Leben immer wieder neu zu erzählen, anders zu erzählen, oder sich als Katholik zu erzählen, als Jude, als Sozialist, als Monarchist zu erzählen, … ich glaube, er hat das selbst gar nicht als Lügen oder andere Geschichten empfunden, sondern sein Leben – unser aller Leben ist so viel vielschichtiger als es in einen Lebenslauf passt, als es in eine Autobiografie passt, man kann auch seine eigene Lebensgeschichte eben im Grunde immer anders erzählen, wenn man nur ein bisschen den Standort wechselt, wenn man es von einer anderen Position aus betrachtet, wenn man einen anderen Schwerpunkt legt, das ist bei uns allen so, und ich finde das faszinierend, dass man sein Leben auch anders erzählen kann, und er hat das einfach besonders genutzt und auserzählt!“          Eine Lange Nacht über Joseph Roth - "Böse, besoffen, aber gescheit" (deutschlandfunk.de)

Antwort geändert am 26.08.2024 um 18:22 Uhr

 AchterZwerg (26.08.24, 07:24)
Lieber Ekki,

zweifellos einer der großen Literaten, dessen Charme auch ich immer wieder gern erliege.
In deinem Gedicht hast du auf liebevolle Weise zusammengefasst, was ihn so ausmachte, den herausragend guten Schriftsteller auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Kitsch.

Herzliche Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.08.24 um 20:11:
Grazie, Piccola,
als Säufer hätte Joseph Roth in Selbstmitleid dem Kitsch verfallen können. Aber sein sicheres Gefühl für guten Stil hat das verhindert. "Radetzkymarsch" und/oder "Hiob" zählen für mich zu den hundert Büchern der Weltliteratur.

Herzliche Grüße
Ekki

 Saira (26.08.24, 10:55)
Moin Ekki,
 
schade, dass J.R. dem Alkohol verfallen war. Er war, trotz seines Alkoholkonsums, ein scharfer Beobachter seiner Zeit.  
 
Liebe Grüße
Sigi

P.S.: Zurzeit sind deine Texte im Schriftbild etwas klein geraten. Zum Lesen habe ich meine Lupe hervorgeholt :)

Kommentar geändert am 26.08.2024 um 10:58 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.08.24 um 20:21:
Gracias, Sigi,

dies schrieb Eva Pfister über den genialen Joseph Roth im Deutschlandfunk: "Joseph Roth war ein glänzender Erzähler und Figurenerfinder. Das beweisen zum einen seine Romane und Novellen. Sie handeln von Intriganten und Schmugglern, von verliebten Eisenbahnern und Gräfinnen, von Offizieren, wie er vorgab, selbst einer zu sein, und von frommen Juden, wie er im Grunde einer war. Aber das berichten zum andern auch alle Zeitgenossen, die ihm gebannt zuhörten, wenn er seine Legenden wob. Seine zeitweilige Lebensgefährtin Irmgard Keun, die ihn in der Emigration 1936 kennenlernte, schrieb über ihn: „Bis zur Erschöpfung spielte er zuweilen die Rolle eines von ihm erfundenen Menschen, der Eigenschaften und Empfindungen in sich barg, die er selbst nicht hatte. Es gelang ihm nicht, an seine Rolle zu glauben, doch er empfand flüchtige Genugtuung und Trost, wenn er andere daran glauben machen konnte. Seine eigene Persönlichkeit war viel zu stark, um nicht immer wieder das erfundene Schattenwesen zu durchtränken, und so empfand er sich manchmal als ein seltsam wandelndes Gemisch von Dichtung und Wahrheit, das ihn selbst zu einem etwas erschrockenen Lachen reizte.“

Im Exil ergab sich Joseph Roth immer mehr dem Alkohol und schrieb doch bis zu seinem Tod im Mai 1939 wütend und klarsichtig gegen die nationalsozialistische Barbarei an. Unter eine Zeichnung, die ihn am Bistrotisch zeigt, schrieb er im November 1938: „Das bin ich wirklich; böse, besoffen, aber gescheit.“
https://www.deutschlandfunk.de/eine-lange-nacht-ueber-joseph-roth-boese-besoffen-aber-100.html

 Saira meinte dazu am 27.08.24 um 09:41:
Zweimal Dankeschön an dich, lieber Ekki, diese Schriftgröße kann ich ohne Lupe lesen

Es ist immer wieder interessant und lehrreich für mich, was du von berühmten Dichter und Philosophen zu berichten weißt.

 plotzn (26.08.24, 15:32)
Servus Ekki,

da musste ich jetzt erst mal googeln. J.R, kannte ich bisher nur aus der amerikanischen Seifenoper Dallas. Wieder was gelernt...

Liebe Grüße
Stefan

 AchterZwerg meinte dazu am 26.08.24 um 16:53:
Stefan, Stefan,

d a s  gibt jetzt aber Punkteabzug! :(

Eine Frage am Rande: Hast du "Dallas" seinerzeit gemeinsam mit unserem berüchtigten Herner angeschaut?

Fragtjanur
derKopfschüttelnde8.

 Teo meinte dazu am 26.08.24 um 16:58:
Berüchtigter Herne?
Jawoll, gut geraten.
Ja, Stefan und ich haben die 
Reit - Szenen auf der Ranch nachgespielt. Ich war J.R. und Stefan das Pferd. Die Ausritte mit ihm sind unvergesslich!!!!

 eiskimo meinte dazu am 26.08.24 um 17:00:
@ Teo
:D

Antwort geändert am 26.08.2024 um 17:02 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.08.24 um 20:28:
Hallo Stefan.
deine Ehrlichkeit ehrt dich. Man kann nicht alles lesen und wissen. Aber wenn du Joseph Roths "Radetzkymarsch" noch nicht gelesen hast, lege ich ihn dir ans Herz. Du wirst es nicht bereuen.

Liebe Grüße
Ekki

 Saira meinte dazu am 27.08.24 um 09:43:
J.R. Dallas

Herrlich, hab ich früher auch gesehen :D

 Teo (26.08.24, 17:03)
Hi Ekki,
Auch ich musste googeln. Ich hatte die Strophe mit Lucy Ewing vermisst.
So, Spaß beiseite. Du schaffst es tatsächlich, selbst mich noch für Literaturgeschichte zu begeistern.
Danke
Teo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.08.24 um 20:46:
Halo Teo,
es gibt die schönsten Empfehlungen zur Literaturgeschichte, aber alles ist eine Frage der Zeit. Für meisterhafte Filme sollte sie aber reichen. Zwei Werke von Joseph Roth wurden von Bernhard Wicki hinreißend verfilmt: "Das falsche Gewicht" und "Das Spinnennetz".
Beste Grüße
Ekki

 harzgebirgler (27.08.24, 18:48)
:) :) 
eindrucksvolle hommage, lieber ekki!

erinnerlich ist mir nur die von dir im kommentarstrang dankenswerterweise erwähnte wicki-verfilmung des roth-romans 'das falsche gewicht' mit dem unvergesslichen helmut qualtinger in der hauptrolle des eichmeisters eibenschütz. hat mir seinerzeit sehr imponiert und gefallen.

beste grüße
henning

 Mondscheinsonate (04.09.24, 20:30)
Ich denke, Roth hätte im Kaffeehaus ohne Alk nicht funktioniert. Ich liebe ihn heiß.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.09.24 um 20:37:
Das trifft absolut zu.
Es gibt Autoren, zu denen man trotz hoher Wertschätzung Distanz bewahrt. Roth ist einer zum Verlieben.
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