Ein Monat mit Hermann Hesse

Erzählung zum Thema Glaube

von  Bluebird

Am Neujahrstag 1985 zog ich mich mich in meine Wohnung zurück und vermied für eine Weile fast alle Kontakte mit der Außenwelt. Unterbrochen wurde diese häusliche Einsiedelei lediglich durch Spaziergänge in die Nähe Umgebung, gelegentliche Einkäufe im Supermarkt und dreimalige Besuche meines Schachfreundes Thomas.

  In jener Zeit las ich eine Hermann Hesse-Jubiläumsausgabe, die mir Jahre zuvor von meinen Eltern geschenkt worden war, fast komplett durch. Insgeheim hatte ich gehofft, einen Rat oder einen Impuls für das eigene Leben zu finden. Aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht. 

   Hesses Vorliebe für Suchende, die aber oftmals scheiterten, deprimierte mich. In mir wurde eine Art Weltschmerz geweckt, ohne dass aber Wege zu dessen Überwindung aufgezeigt wurden. Jedenfalls las ich nichts, was mich diesbezüglich überzeugte.


Bei seinem zweiten Besuch brachte Thomas mir eine Hessebiographie mit. Da bestätigte sich mein Verdacht, dass Hesse selber lebenslang ein Suchender gewesen war. Seine Hinwendung im Alter zum Buddhismus überraschte mich tatsächlich etwas, aber Askese und Weltentsagung erschienen mir nicht sonderlich erstrebenswert.

   Aber auch das eigene Nachdenken brachte mich nicht viel weiter. Der von mir heimlich ersehnte dauerhafte Glückszustand, falls es ihn überhaupt geben sollte, schien sich in weiter Ferne zu befinden. Wo genau sollte ich da suchen? Ich hatte keine Ahnung!

   Nach etwa einem Monat beendete ich mehr oder weniger ergebnis- und ratlos meine Auszeit und nahm das alltägliche Leben wieder auf. Vielleicht würde mir ja der Zufall oder das Schicksal zu Hilfe kommen!?



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Kommentare zu diesem Text


 dubdidu (24.09.25, 20:24)
Im Alter (nach seinem letzten Werk) widmete Hesse sein Leben dem Zeichnen und der Beantwortung von Briefen seiner Leser, die er sorgsam sortierte. Die Menschen, die sich anders als du, von seinen Büchern berührt fühlten, wandten sich an ihn. Und er antwortete: jeweils mit ein, zwei Sätzen, bezogen auf die persönliche Situation des Briefeschreibers. Er wurde also zum Seelsorger seiner Leserschaft. Ich kann mir keinen bescheideneren Ausklang der Autorenschaft eines Suchenden vorstellen.

 Bluebird meinte dazu am 24.09.25 um 23:15:
Danke für die Info! 
Ja, ich stimme zu, dass dies wohl ein sehr guter Ausklang seines Lebens war

 AchterZwerg antwortete darauf am 25.09.25 um 07:39:
. :) :)

Für mich waren Suchende stets die "richtigen" Menschen.
Vielleicht die einzigen.

 Bluebird schrieb daraufhin am 25.09.25 um 08:43:
Suchen ist gut, Finden ist mutmaßlich besser!

Antwort geändert am 25.09.2025 um 08:44 Uhr

 Moppel (29.09.25, 20:29)
wer sucht, sollte irgendwann finden. Sonst macht es krank, das Suchen. Aber hast du ja anscheinend. Spannend, Blue, der Weg dahin...
lG von M.

 Bluebird äußerte darauf am 29.09.25 um 21:29:
Es wird noch richtig dramatisch. So viel kann ich jetzt schon versprechen
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