Ein nächtlicher Spuk

Erzählung zum Thema Glaube

von  Bluebird

Mitten in der Nacht wachte ich auf. Der Mond schien herein und erlaubte einen Blick auf die schlafenden Missionare. Plötzlich vernahm ich eine leise Stimme in meinem Ohr: Steh auf!
   Irritiert kroch ich aus meinem Schlafsack und stand nun mitten im Raum. Geh auf die Toilette! vernahm ich erneut die Stimme in meinem Ohr. Leise verließ ich das Klassenzimmer.
   Da ich noch nie zuvor in diesem Gebäude gewesen war, ging ich einfach einen Gang entlang und tatsächlich fand ich dort eine Jungentoilette. Niemand sonst war anwesend.                                                                     
  Gerade begann ich mich zu fragen, was ich hier jetzt solle, als ich die Stimme ein drittes Mal hörte: 
Dreh dich um! Gehorsam drehte ich mich langsam um und schaute auf die direkt vor mir stehende Wand. 
   Es traf mich wie ein Schlag in die Magengrube. Fassungslos starrte ich die Wand an. In Augenhöhe stand mit dickem, schwarzem Filzstift geschrieben: Willi grüßt dich!
   So viele Mal hatte ich diesen Satz in den zurückliegenden Wochen gelesen. Fast jedes Mal hatte er zu Beginn oder am Ende einer spiritistischen Sitzung auf dem Papier gestanden. Und nun hatte mich eine übernatürliche Stimme mich zu dieser Schrift an der Wand geführt.
   Geschockt verließ ich die Toilette und kehrte zurück in das Schulzimmer.
   
Ich lag in meinem Schlafsack und dachte nach. War dies eine Machtdemonstration der dämonischen Geister gewesen? Wie war das möglich? Hatten sie den Satz an die Wand geschrieben, mich geweckt und dort hingeführt?
   Plötzlich erschrak ich. Auf der Wand - durch ein seltsames Spiel von Mondschein und Fensterbalken hervorgerufen - das Wort tot zu sehen. Ich schlüpfte aus meinem Schlafsack und weckte Mike. 

Wir standen vor dem "Willi grüßt dich" in der Toilette und ich erzählte ihm, wie mich eine Stimme hergeleitet hatte und was dieser Satz für mich bedeutete. Warum er so schockierend für mich war. 
"Lass uns beten", sagte Mike. 

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Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (03.11.25, 15:24)
Du selbst, lieber Bluebird, bist ja eine nachmittägliche Erscheinung aus dem 19. Jh.
Ich wünsche Dir und mir (wg. weiterer Erzählungen) wirklich innig, daß Dir endlich mal ein richtig geiles Luder begegnet. Was das dann literarisch für das Christentum bedeuten könnte, also ... ist schwer voraussehbar ohne Döbereiner.

 Bluebird meinte dazu am 03.11.25 um 16:36:
Deine Kommentare haben (oftmals) einen unbestritten hohen Unterhaltungswert.

Ich könnte auch Charles Bukowski- oder Henry Miller-Style. Aber wäre das den Inhalten angemessen? 
Kurzum, ich stelle mein "literarisches Talent" in den Dienst einer höheren Sache.

 LotharAtzert antwortete darauf am 03.11.25 um 21:44:
Am "Styl" hab ich ja nichts zu mäkeln, dachte eher an Hermann Hesse: "Auch die Sünde ist ein Weg zur Heiligkeit". So etwas mit Frauen gibt immer eine besondere Dynamik, Richtung "der Geist ist willig; das Fleisch ist schwach".
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