Das Porzellan 2

Skizze zum Thema Familie

von  blauefrau

Wenn dieses Porzellan auf dem Tisch stand, waren meist Verwandte anwesend. Waren die Großtante und der Großonkel da, wurde ich aufgefordert, "nach oben" zu gehen und doch das neue Kleid oder die neue Hose oder den neuen Mantel einmal zu holen oder am besten gleich anzuziehen. Die Mutter war stolz auf die Sachen, und die Großtante, aber auch der Großonkel spendeten Beifall: Jetzt bist du ganz eine Erwachsene. Oder wie gut Lucia die Kinder einkleidet. Damit könnt Ihr Euch sehen lassen.

Und ich war selbst der Meinung, ich trüge einen wesentlichen Bestandteil zur gesellschaftlichen Achtung der Familie bei.

Der Vater saß bei solchen Vorgängen wie ein Ölgötze auf seinem Sessel, räusperte sich und machte kleine Witze wie
"Es wird bald regnen, die Dackel fliegen wieder so niedrig. ", über die die anwesenden Erwachsenen höflich lachten, ich jedoch die Augen verdrehte und mich ausdauernd schämte. Was hatte der Vater da wieder gesagt? Und vor allem warum?
Ich hätte es vorgezogen, einen Vater zu haben, der dann lachte, wenn alle lachten, verbindliche kleine Sätze machte und nur angenehm auffiel. Mein Vater sprach nicht, wenn andere sich munter unterhielten, machte Witze, wo sie nicht passten und lachte über abgedrehte Äußerungen an Stellen, die niemandem aufgefallen waren.

Der Vater redete über das Büro, den Garten oder Politik. War die Patentante anwesend, die kein Blatt vor den Mund nahm und stramm Sozi war, regte sich der Vater immer besonders auf. Er konnte sich nur noch mühsam beherrschen und verlor die Fassung endgültig, wenn die Tante verschwunden war. Die Mutter musste sich dann anhören, wie ihre Schwester sei(eine unkontrollierte Schlampe), was sie damit zu tun habe(viel, denn sie war ja die Schwester) und warum sie nicht eingegriffen habe(wie immer nicht, denn was spiele er schon für eine Rolle für sie?). Dann war die freudige Stimmung der Mutter auf einmal verflogen, sie zog sich in die Küche oder ein anderes als das Wohnzimmer zurück und hütete sich davor, dem Vater über den Weg zu laufen.

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