Romantische Sehnsucht

Sonett zum Thema Betrachtung

von  EkkehartMittelberg

In „Mondnacht“ hast du Leser still geküsst,

mit Seele Sehnsucht zu empfangen,

um träumend Sterne zu erlangen,

die er niemals zu erreichen wüsst.


Der Taugenichts erlebt die Reise,

ein Träumer lässt sich planlos treiben,

er will nirgends sesshaft bleiben,

zufrieden sein nach Bürgers Weise.


In oft vertonten Zauberworten

erklingt ein Lied aus allen Dingen

und die Welt hebt an zu singen,


Beliebter, deinen Schatz zu horten.

Es scheint, als musstest du nie ringen,

dass deine Worte noch erklingen.



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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (24.10.24, 00:38)
Es gab eine Zeit - in früher Jugend -, in der ich auf romantische Lyrik aufgeschlossen reagiert habe. Kann es sein, daß man zu alt wird dafür?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.10.24 um 10:26:
Wenn man die Lyrik der Romantik primär unter inhaltlichem Aspekt sieht, mag man zu dem Urteil kommen. Ästhetisch betrachtet bleiben die oft gebrochenen Idyllen der Romantik reizvoll. Das gilt zum Beispiel für Eichendorffs "Mondnacht".

 Klemm antwortete darauf am 24.10.24 um 12:56:
Heute wird die Mondnacht auf die Verpackung eines anthroprosophischen Kosmetikprodukts gedruckt. Solch Profanisierung zerstört Ästhetik nachhaltig.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 24.10.24 um 20:07:
Ja, es wird immer welche geben, die sich durch Profanisierung anfechten lassen.

 plotzn (24.10.24, 09:50)
Schön, dass Du die Serie fortsetzt, Ekki!

Ich finde, allein sein Name klingt schon erhaben - so wie viele seiner romantischen Werke, die erwähnte "Mondnacht" inklusive.

Liebe Grüße
Stefan

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 24.10.24 um 10:36:
Vielen Dank, Stefan. Ich stelle hier ein weiteres für Eichendorff typisches Gedicht vor:

" Das Gedicht „Sehnsucht“ stammt aus der Feder von Joseph von Eichendorff.

Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land.
Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da hab ich mir heimlich gedacht:
Ach, wer da mitreisen könnte
In der prächtigen Sommernacht!

Zwei junge Gesellen gingen
Vorüber am Bergeshang,
Ich hörte im Wandern sie singen
Die stille Gegend entlang:
Von schwindelnden Felsenschlüften,
Wo die Wälder rauschen so sacht,
Von Quellen, die von den Klüften
Sich stürzen in die Waldesnacht.

Sie sangen von Marmorbildern,
Von Gärten, die überm Gestein
In dämmernden Lauben verwildern,
Palästen im Mondenschein,
Wo die Mädchen am Fenster lauschen,
Wann der Lauten Klang erwacht
Und die Brunnen verschlafen rauschen
In der prächtigen Sommernacht.

Analyse
Das Gedicht "Sehnsucht" (1834; Epoche der Romantik) besteht aus 3 Strophen mit je 8 Versen. Als Reimschema wird ein Kreuzreim der Gestalt [ababcdcd] verwendet. Es handelt sich um verdoppelte Volksliedstrophen mit - gelegentlich zweisilbigem - Auftakt. Es gibt durchgehend drei Hebungen pro Vers, freie Senkungsfüllungen und abwechselnd weibliche und männliche Kadenzen. Als Metrum tritt eine Kombination aus Daktylen und Trochäen auf.
Der Philosoph & Soziologe und, zusammen mit Max Horkheimer (1895- 1973), Begründer der Frankfurter Schule (Kritische Theorie)  Theodor W. Adorno (1903 - 1969) stellt "Sehnsucht" ins Zentrum seiner Eichendorff-Interpretation:
"Dies Gedicht, unvergänglich wie nur eines aus Menschenhand, enthält kaum einen Zug, dem man nicht das Abgeleitete, Sekundäre vorrechnen könnte, aber jeder dieser Züge wandelt sich in Charakter durch die Fühlung mit dem nächsten. […]
"Sehnsucht" mündet in sich als in ihr eigenes Ziel, so wie, in ihrer Unendlichkeit, der Transzendenz über alles Bestimmte, der Sehnsüchtige den eigenen Zustand erfährt; so wie Liebe stets so sehr der Liebe gilt wie der Geliebten.' "

Quelle:  Sehnsucht – Eichendorff (gedichte7.de)

Antwort geändert am 24.10.2024 um 10:38 Uhr

Antwort geändert am 24.10.2024 um 10:44 Uhr

 Saira (24.10.24, 10:47)
Lieber Ekki,
 
dein Sonett ist eine tiefe Wertschätzung für Eichendorffs Werke und seine romantische Sehnsucht, die er in vielen seiner Gedichte verkörpert.
 
Eichendorff besaß die Fähigkeit, mit seinen Worten eine bleibende Wirkung zu erzielen. Er verstand es, mit Leichtigkeit und Anmut, seine romantischen Ideen und Gefühle zu vermitteln.
 
Ich denke, er lebte in einer Welt der Träume und des Wandels, ohne sich an einen bestimmten Ort oder Lebensstil binden zu wollen. Er reflektierte das Glück des Augenblicks.
 
Herzlichst
Sigi

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 24.10.24 um 12:38:
Grazie, Sigi, ich stimme mit deiner Einschätzung Eichendorffs überein. Aber seine Welt der Träume und des Wandels bedarf noch einer Erläuterung. Die meisten Romantiker schufen eine ästhetische Welt der Träume und des Wandels, die sie deutlich von ihrer realen Arbeitswelt trennten. So war zum Beispiel Eichendorff beruflich ein nüchterner Jurist und Novalis ein tüchtiger Bergwerksassessor.
Die berufliche Sicherung ihres Lebensunterhalts erklärt, dass die Romantiker nur sehr selten soziale Not zum Gegenstand ihrer poetischen Werke machten.
Herzlichst
Ekki

 Mondscheinsonate (24.10.24, 17:44)
Mein erster Freund ging auf mich zu, ich kannte ihn noch nicht, sagte "Du bist wie eine Blume...." - alle Strophen. Ich sah ihn an, war komplett verzaubert. Seitdem liebe ich Heine und später las er mir Eichendorff vor. Das war so schön! Im Übrigen musste ich ihn letztes Jahr als meinen Prüfer wegen damals ablehnen. Heute ist er Volkswirtschaftsprofessor. Das war aber schön, ihm bei Vorlesungen wieder zuhören zu können.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.10.24 um 20:12:
Merci, wie schön, dass in dieser Freundschaft auch Heine und Eichendorff eine Rolle spielten.
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