Die Disciples of Christ - zwischen Bibeltreue und gelebter Toleranz

Essay zum Thema Vergangenheit

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Als der irische Theologe Thomas Campbell 1807 nach nach Pennsylvania kam, war er frustiert über die Uneinigkeit und Spaltungen innerhalb der Christenheit. Wie konnte das sein, wo der Herr zu irdischen Lebzeiten seinen Nachfolgern doch einen ganz klaren Auftrag gegeben hatte:
Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jüngerinnen und Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. (Johannes 13)

Die Antwort lag für ihn auf der Hand. Die Uneinigkeit der Christenheit war Folge der Abweichungen von der Bibel, insbesondere dem Neuen Testament.
Hatte er erst einmal die  Wurzel des Übels erst einmal diagnostiziert, so stand für ihn recht bald die richtige und notwendige Therapie fest. Man musste umkehren zu den ursprünglichen Lehren: Wo die Heilige Schrift redet, reden wir und wo sie schweigt, schweigen wir. Sola scriptura auf nordamerikanisch!

Man muss Thomas Campbell, seinem Sohn Alexander und auch Barton Stone, dem Dritten im reformatorischen Bunde,  allerdings zugestehen, dass sie ihre bibeltreuen Bestrebungen weitaus konsequenter als Luther in die Tat umsetzten. So schufen sie beispielsweise die Kindtaufe wegen fehlender biblischer Grundlage ab.
  Auch gestanden sie den einzelnen Gemeinden der Disciples of Christ („Christian Church“) Eigenständigkeit zu. Keiner sollte da über dem anderen herrschen, alle sollten nur dem einen Herrn untertan sein. Etwaige unterschiedliche Lehrauffassungen in einzelnen (untergeordneten) Punkten galt es auszuhalten. Man blieb  aber dennoch in dem Herrn miteinander verbunden.
    Gleichzeitig gab es eine starke missionarische Ausrichtung. In großen evangelistischen Veranstaltungen wurde - durchaus erfolgreich - Buße, Bekehrung und Taufe gepredigt.
    Ein bißchen erstaunt allerdings die Frauenordination und Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Denn dafür gibt es nun überhaupt keine biblischen Belege und zeigt, dass man da gelegentlich liberaler war, als es eigentlich den eigenen  bibeltreuen Grundsätzen entsprach. Aber nun ja, ein bißchen „Schwund“ ist immer!

Gedankenimpuls:
Ich empfinde diese Orientierung an der Bibel, den Sinn für Einigkeit und Toleranz, und klare Verkündigung des Evangeliums der Disciples of Christ durchaus als symphatisch. Bei aller Wahrheitsliebe und missionarischem Eifer sollte man nie aus den Augen verlieren, dass da auch immer fehlerhafte Menschen am Werke sind und es letztlich auch um die Freiwilligkeit des Glaubens geht.

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Bluebird meinte dazu am 23.10.20:
Ja, eine Namensgleichheit ... hat aber nichts mit der von mir hier von mir referierten Bewegung zu tun. Sondern ist eine Sekte:   hier

 Bluebird antwortete darauf am 23.10.20:
Ich weiß jetzt auch gar nicht, wie ich auf "Children of God" gekommen bin ... in Wikipedia werden sie "Disciples of Christ" genannt ... habe es entsprechend umgeändert!

Antwort geändert am 23.10.2020 um 17:09 Uhr

 Graeculus (23.10.20)
Wenn Bibeltreue bedeutet, daß man die Bibel wörtlich und alles dort als Wort Jesu Überlieferte wirklich als von Jesus gesagt auffaßt, dann möchte ich wohl wissen, welches der drei dort berichteten letzten Worte Jesu wirklich das letzte Wort Jesu ist. Es kann doch nur eines davon historisch korrekt sein, oder?

Kommt man heute atsächlich noch ohne kritische Bibelexegese aus: ohne Unterscheidung echter von unechten Äußerungen Jesu und ohne Begründung, warum die kanonischen Evangelien besser (historischer) sind als die apokryphen?

 Bluebird schrieb daraufhin am 23.10.20:
"Bibeltreue" sagt noch nichts über ein richtiges/gutes "Bibelverständnis" aus ... und da wäre in der Tat erst einmal die grundsätzliche Einstellung zur Bibel zu klären: "Absolute Wahrheit (verbal inspiriertes Wort Gottes) oder göttlich inspiriertes Menschenwort ( was Fehler und Irrtümer zuließe)?

Leider meinen die Bibeltreuen oftmals irrigerweise, dass die grundlegende Frage die Bibel selber klären würde: "Alle Schrift ist von Gott eingegeben!" ... übersehen dabei allerdings, dass dies natürlich ein Zirkelschluss ist ...
Der Satz ist natürlich nur dann wahr, wenn er auch gleichzeitig die richtige Prämisse ist ( oder man Paulus einen Unfehlbarkeitsstatus zubilligt) ... wäre die Prämisse "göttlich inspiriertes Menschenwort" richtig, könnte der Bibelvers natürlich auch falsch sein, beziehungsweise wäre er -verbalinspiratorisch interpretiert - falsch.

Antwort geändert am 23.10.2020 um 20:35 Uhr
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