Was ist Glück. Ein Tatsachenbericht

Ansprache zum Thema Glück

von  EkkehartMittelberg

Was ist Glück? Ein Tatsachenbericht.

Vor etwa 20 Jahren verbrachte ich einen Urlaub in Italien und belegte wie viele andere Hotelgäste auch stundenweise eine Liege am Swimmingpool. Neben mir lag eine offensichtlich sehr wohlhabende Dame, deren gesellschaftliche Position sich aber nicht aus Angabe oder auffälligem kostbaren Schmuck, sondern durch dezente gelegentliche Anmerkungen zu ihrem Lebensstil erschließen ließ.

Als wir etwas vertrauter miteinander wurden, erfuhr ich, dass sie mit einem wichtigen Repräsentanten des öffentlichen Lebens verheiratet war.

Dieser Mann hatte beruflich die ganze Welt kennengelernt, und sie hatte ihn auf seinen Reisen begleitet. Da meine Frau und ich auch immer gerne reisten, tauschten wir unsere Reiseerfahrungen aus und freuten uns an weitgehend übereinstimmenden Einschätzungen von Sitten und Gebräuchen der Bevölkerung in unterschiedlichen Ländern. Diese Gespräche führten uns an einem Abend fast zwangsläufig auf die Frage nach dem Sinn des Lebens und auf die alles umfassende Frage: „Was ist Glück?“

Ich legte meine Auffassung dar, indem ich Glück von Zufriedenheit unterschied. Die Urlaubsfreundin unterbrach mich bald mit der Meinung, Glück und Zufriedenheit seien dasselbe. Ich versuchte ihr das auszureden mit der Erklärung, dass zum Glücklichsein das Bewusstsein gehöre, dass man glücklich ist. Zufrieden könne auch ein Tier sein, zum Beispiel ein Hund, der sich behaglich am Ofen streckt, oder ein gesättigtes Baby. Das Glück eines bewussten Menschen sei aber mehr, es sei etwas Außerordentliches.

Als sie solche Vergleiche nicht akzeptierte, war ich ein wenig überrascht und wurde leicht ironisch: Ich zitierte zum Beispiel den Werbeslogan: „glückliche Milch von glücklichen Kühen“. Es dauerte nicht lange und die Dame verließ meine Frau und mich unter Tränen: Wir waren sehr betroffen und konnten ihre Reaktion nicht einordnen.

Am anderen Mittag begegnete sie uns in gewohnter Heiterkeit am Swimmingpool und entschuldigte ihren „Kontrollverlust“. Sie erklärte uns, bei dem Gespräch sei ihr bewusst geworden, dass sie, obwohl ihr an äußeren Gütern nichts fehle, in ihrem bisherigen Leben nur zufrieden, aber nie glücklich gewesen sei.

Ich habe aus der Begegnung gelernt, dass man etwas so individuell Verschiedenes wie Glücksempfinden im Gesprächsaustausch nicht philosophisch festlegen sollte.

Glück ist sehr vielgestaltig, je nach den materiellen Lebensumständen einzelner Menschen sehr unterschiedlich und selbst in der Biografie ein- und desselben Menschen von dessen augenblicklicher Situation abhängig.

Wer große Schmerzen erlitten hat und davon befreit wird, für den ist das Freisein von Schmerzen mehr als Zufriedenheit, es ist Glück.

Glück ist ein sehr zerbrechliches Gut. Man kann es für sich selbst philosophisch definieren, aber man sollte das Glücksempfinden anderer als solches respektieren, selbst, wenn es nur aus vermeintlicher Zufriedenheit besteht.

Wichtig ist, dass sie es selbst als Glück betrachten.


Juli 2011






Anmerkung von EkkehartMittelberg:

Ich finde keinen Weg, mich mit Kipper vernünftig auszutauschen und bin nicht mehr daran interessiert. Deshalb werden seine Einlassungen von mir nicht beantwortet.

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Kommentare zu diesem Text


 AlmaMarieSchneider (01.03.23, 00:36)
Der letzte Satz trifft es meiner Meinung am Besten.
Viele Menschen können kein Glück empfinden. Etwas Gutes wird sofort wieder zerjammert. Ich freue mich, dass mein Krebs entdeckt wurde und ich bin glücklich über eine jetzt mögliche Rettung. Viele Menschen sind unglücklich darüber, dass Krebs entdeckt wurde.

Liebe Grüße
Alma Marie
Taina (39) meinte dazu am 01.03.23 um 07:47:
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 01.03.23 um 10:47:
Merci, Alma Marie, dein Kommentar wird manchen Glücksucher sehr nachdenklich und in seinem Anspruch an das Glück bescheiden machen.

Liebe Grüße
Ekki

 HerzDenker (01.03.23, 06:31)
Mir fällt die Geschichte von John Lennon ein, der einen Schulaufsatz "Was will ich werden?" schreiben sollte. Sein Kernsatz: "Glücklich!" Die Lehrerin:"Du hast das Thema wohl nicht verstanden." Lennon: "Und Sie haben das Leben wohl nicht verstanden." - Ich meine, wenn Lebensphilosophie nicht dazu beiträgt, den Menschen erfüllter und glücklicher zu machen, dann gibt es m.E. entweder Mängel im Denkgebäuder oder in dessen Umsetzung, oft beides.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 01.03.23 um 10:54:
Gracias, Herzdenker, früher habe ich in der Lebensphilosophie den einzigen Weg zum Glück gesehen.
Heute schätze ich den Anteil des Hirns am Glück nicht mehr so hoch ein. Dennoch bleiben Lebensphilosophien für mich wichtig.

 HerzDenker äußerte darauf am 01.03.23 um 16:08:
Ich heiße ja bewusst nicht "Hirndenker", daher bewerte ich den Einfluss meiner phil. Erkenntnisse schon recht hoch für meine Zufriedenheit (nebst deutlich eingesprenkeltem Glück) ein. Gerade in Herzensangelegenheiten.

 AchterZwerg (01.03.23, 07:34)

Wer große Schmerzen erlitten hat und davon befreit wird, für den ist das Freisein von Schmerzen mehr als Zufriedenheit, es ist Glück.



Du sagst es selbst, lieber Ekki, Glück hat viel mit dem Davor zu tun.
Beispielsweise wird sich ein Mensch, nach überstandener Psychose, eine lange Zeit glücklich schätzen.
Oder der Flüchtende, der eine stürmische Nacht auf dem Meer überstanden hat.

Wir haben uns ja schon öfter darüber unterhalten. Aus meiner Sicht passiert das Glück eben nicht (nur) rein zufällig, sondern bedarf der Eigeninitiative und setzt ein wenig Talent voraus.

Herzliche Grüße
Piccola

Kommentar geändert am 01.03.2023 um 07:36 Uhr

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 01.03.23 um 14:07:
Grazie, Piccola, so sehe auch ich es. Das Glück hat viele Facetten und eine davon ist das Leben vor dem Glück. Wenn das launenhafte Schicksal dazwischen funkt, muss ein glückliches Leben bald wieder dem Unglück weichen. Wenn sich aber das Schicksal zurückhält, kann man mit Eigeninitiative und ein wenig Talent zum Glück beitragen. Ein lateinisches Sprichwort lautet: "fortem for-
tuna adiuvat (den Tüchtigen unterstützt das Glück) und ein deutsches: "Jeder ist seines Glückes Schmied". Aber das Glücksvertrauen, das in diesen Sprichwörtern liegt, lässt mich wieder an den misstrauischen Polykrates denken, der bestätigt wurde. Trotz allem Verdienst bleibt Glück Glückssache.
Taina (39)
(01.03.23, 07:49)
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kipper (34) meinte dazu am 01.03.23 um 09:36:
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Taina (39) meinte dazu am 01.03.23 um 09:42:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.23 um 11:35:
Liebe Taina,
deine Aussage zum Glücksgefühl des Glücklichen teile ich mit Herz und Verstand. Merci.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.23 um 14:21:
"Zum Glück gehört auch die Fähigkeit, dieses zu empfinden." 🌞🤗
Ja, Taiana, zum Glück gehört nicht nur die passive Seite des Empfangens, sondern auch die aktive der Wahrnehmung.
Unterschiedliche Charaktere nehmen die Intensität des Glücks unterschiedlich wahr: "Dem einen sin Uhl is dem annern sin Nachtigall." Im extremen Fall kann sogar dasselbe Geschick dem einen als Unglück und dem anderen als Glück erscheinen.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 01.03.23 um 14:54:
@Taina

wer sein Glück an das Unglück anderer koppelt, dem muss man ein solches Glück werder gönnen noch gar ermöglichen. 
Das ist ein Unmensch. Ich wollte jetzt das Schwein nicht wieder diskriminieren und ihm unrecht tun. Du hast ja so recht damit.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.23 um 15:50:
Teolein:"Es mag sein, dass eine weitsichtige und positive Lebensweise den subjektiven Zustand Glück  erlebbarer werden lässt."
Gracias Teo: In einem Kirchenlied heißt es: "Ich danke dir, dass ich danken kann." Nicht jedem ist es gegeben, so offen zu sein. Aber wer so konstituiert ist, ist wohl für Glück jeder Art empfänglicher.  
Teolein (70)
(01.03.23, 09:41)
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 TassoTuwas (01.03.23, 10:11)
Hallo Ekki,

da fällt mir sofort die Werbung für einen Pausensnack ein, "Für den kleinen Hunger, zwischendurch". Glück ist eine Momentaufnahme, sozusagen das "Das Glück zwischendurch". 
Wer diese Empfindung oft verspürte kann froh sein, späterer Irrtum inklusive. 
Endgültig ein Urteil über das eigene Glück abgeben könnte man wohl erst kurz vor dem letzten Atemzug.

Herzliche Grüße
TT
kipper (34) meinte dazu am 01.03.23 um 11:38:
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 Augustus meinte dazu am 01.03.23 um 13:15:
nur 2 Anmerkungen: 
Herder wollte möglicherweise im Gedicht die Kostbarkeit des Glücks im Augenblick ausdrücken. 

Das Gedicht könnte aber auch das Leben selbst als Glücksfall betrachteten, das ein Augenblick in der endlosen Ewigkeit ist. Denn zwar hat der Schmetterling nur 3 Tage gegen oder weniger Lebenszeit, der Mensch dagegen - sagen wir 80 Jahre-: aber im Vergleich zur Ewigkeit sind beide Leben nur ein Augenblick. Die Blume selbst könnte für die Welt/Erde auf der Mensch sein Leben fristet verstanden werden. 

Das Gedicht hat eine tiefe Dimension m.E. und das Glück ist nicht auf die Sekunde oder Tag genau festzumachen.

Antwort geändert am 01.03.2023 um 13:16 Uhr
kipper (34) meinte dazu am 01.03.23 um 14:48:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.23 um 17:48:
@Tasso: Gracias Tasso, ich verrate dir bestimmt nichts Neues, wenn ich mehrere Formen von Glück erwähne: Glücksmomente, Zufallsglück, wie zum Beispiel ein Lottogewinn und längerfristiges Glück, dem man durch bewusste Lebensführung nachgeholfen hat. Zu den ersten beiden Glücksformen mag man sich vielleicht schon kurz danach äußern, bei dem längerfristigen Glück sind viele Menschen vorsichtiger, weil sie das Schicksal nicht herausfordern wollen, das ihnen einen Strich durchs Glück machen könntet.
Auf jeden Fall hast du recht damit, dass die meisten Menschen sich erst in spätem Lebensalter zu ihrem Glück äußern, vielleicht, weil sie fürchten, dass das Schicksal ihr Glück zerstört.

Herzliche Grüße
Ekki

 harzgebirgler (01.03.23, 12:05)
der mensch hatte eh glück - ihm ward der logos zuteil
sonst jagten wir gar immer noch mit bogen und pfeil
zwar kaum wohl dem glück doch dem wild hinterher
mehr sprach- und verstandlos wie seitdem nicht mehr. :) 

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.23 um 18:07:
Grazie, Henning, es wird oft übersehen, dass außer dem Empfinden auch der logos einen großen Anteil am Glück der Menschen hat.
Tiere können Freude empfinden und vielleicht auch Glück. Aber der Mensch ist sehr wahrscheinlich kraft des Logos das einzige Lebewesen, das weiß, dass es glücklich ist und warum.

LG
Ekki

 Polarpalme (01.03.23, 13:02)
Das Glück?
Unser Glück ist der Tod.
Es ist die Einlösung des Versprechens, das wir einst erhielten, als man uns mütterlicherseits ins Licht warf.
Es ist also gewissermaßen unser Los-Glück.
Der Trostpreis ist die Zwischenzeit, in welcher wir Besuche an den Busen der Frauen machen, Schnäppchen jagen, unter Palmen auf fernen Inseln mit Schatten wedeln und vermeiden, in Hundescheiße zu treten.
LG Polarpalme
kipper (34) meinte dazu am 01.03.23 um 14:56:
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kipper (34) meinte dazu am 01.03.23 um 14:56:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.23 um 19:29:
@Polarpalme
"Unser Glück ist der Tod"
Merci. Diese Aussage über das Glück habe ich bisher nicht gehört. Aber sie ist des Nachdenkens wert.
Aus christlicher Sicht kann der Tod den Einstieg ins ewige Leben, also ins Glück, eröffnen.
Aus atheistischer Sicht ist nach dem Tod das Leben zu Ende, das bedeutet, dass der Tod auch Schmerzen und Leiden beendet.
Aus buddhistischer Sicht leitet der Tod eine Wiedergeburt ein, die vielleicht zu einem glücklicheren Leben führt.
Wie auch immer man es betrachtet, auch der Tod sollte in die Diskussion über Glück einbezogen werden.

LG
Ekki

 GastIltis (01.03.23, 19:16)
Hallo Ekki,
du musst schon entschuldigen, dass ich mich jetzt zum Thema Glück wieder zu Wort melde. Ich war eine Woche lang abwesend und bin praktisch übergangslos von deinen zwei Themen zum Glück zuvor direkt in diese Urlaubsgeschichte hinein geschlittert, die nochmals das vertraute Thema aufgreift. Deshalb möchte ich mit meinem eigentlichen Kommentar, der sich weniger auf deine Geschichte als auf viele Sätze zum Glück bezieht, erst hier beginnen:

Kurz: Man kann das Glück auch herbei reden!
Ich habe mir einmal erlaubt, einen Aphorismus von Karl Kraus so abzuwandeln, dass er meine Ansicht unterstreicht!

„Leute, die die Zeit haben, über das Glück nachzudenken, sind zu beneiden.
Andere, die vor lauter Arbeit keine Zeit haben, sich über das Glück Gedanken zu machen, sind zu bedauern.
Diejenigen aber, die jedoch weder über Zeit noch Arbeit verfügen, sind beklagenswert! Ihnen fehlen die Sprossen zur Himmelsleiter ebenso wie ein funktionierender Fahrstuhl.“

Nun kannst du entgegnen, eine derartige Abwandlung ist nicht zulässig oder unangemessen. Das mag sein.
Ich bin in Fragen Aphorismen kein Fachmann. Und ich mag sie auch nicht, weil die meisten vermeintlichen Aphorismen ihrem Anspruch nicht gerecht werden. Und sie zu nummerieren, um dann die Zahlen gut (oder weniger gut) zu finden, ist für ein Forum unserer Qualität kein ergiebiges Zeugnis. Jedenfalls ist es meine Ansicht. Aber wenn ich allein stehe, ist es eben so!
Dass ich dich dennoch freundlich grüße, versteht sich von selbst. Herzlich Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.23 um 19:48:
Grazie Gil, dein abgewandelter Aphorismus von Karl Kraus gefällt mir sehr gut.
Mir fällt die Vorstellung freilich schwer, keine Zeit zu haben, über das Glück nachzudenken.
Lange Zeit in meinem Leben hatte ich so viel Arbeit, dass mir selbst am Wochenende nur wenige Stunden der Muße blieben. Aber ich habe immer noch Zeit gefunden, über das Glück nachzudenken. Ohne dies wäre mir das Leben nicht sinnvoll erschienen.
Ein gütiges Schicksal gönnt mir jetzt viel Zeit fürs Nachdenken über das Glück.
Herzliche Grüße
Ekki

 Saira (02.03.23, 08:27)
Lieber Ekki,

Glücksempfinden, so vielfältig, so individuell ...

Du hast dazu einen tiefsinnigen Erlebnisbericht geschrieben, der zum Nachdenken anregt.

Herzliche Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.23 um 14:08:
Vielen Dank, Sigi,

diese Begebenheit hat meine Auffassung von Glück sehr differenziert.

Herzliche Grüße
Ekki
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