Schönheit und Anmut

Aphorismus zum Thema Schönheit/ Schönes

von  EkkehartMittelberg

Ältere Aphorismen


1. Noch beim Verwelken zeigt die Rose ihre Schönheit.

2. Solange schöne Menschen schweigen, bleiben sie schön.
Nur wenige erscheinen noch schöner, nachdem sie gesprochen haben.

3. Vor der Anmut und Reinheit wahrer Schönheit senkt der Betrachter den Blick, (ohne ihn abwenden zu können).

4. Schönheit fesselt den Betrachter. Wenn sie ohne Seele ist, kann er sich bald aus ihrem Bann befreien.

5. Der Mensch benötigt Schönheit für seine Seele. „Schöne Worte“ kann er entbehren.

6. Unter den Bezeichnungen für ästhetisches Wohlgefallen erhebt der Begriff „schön“ den höchsten Anspruch.

7. Ein schöner Mensch mit Herzensbildung ist unwiderstehlich (und selten anzutreffen).

8. Das Altern kann wahre Schönheit nicht zerstören. Was sie an jugendlichem Schmelz verliert, gewinnt sie an Würde.

9. Wenn schöne Menschen und Dinge als „toll“ bezeichnet werden und das Essen „schön“ schmeckt, ist die Sprache missraten.

10. Kein Chirurg kann das wichtigste Merkmal der Schönheit implantieren: die Anmut.

Januar 2012


Neue Aphorismen

  1. Schönheit und Anmut werden relativiert durch die Lebensgeschichte des Betrachters, durch die Kulturkreise, durch historischen Wandel, durch individuelle Bedürfnisse.

  2. Man kann Schönheit definieren, wenn man das Schönheitsideal, den Kulturkreis der Betrachter und die Historie der Betrachtung festlegt.

  3. Nach einem genau beschriebenen Schönheitsideal kann man einen Menschen schön nennen, obgleich der persönliche Geschmack anders urteilt.

  4. Schönheit ist eine Frage der Definition. Gute Definitionen beschränken Relativierungen.




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Kommentare zu diesem Text


 Regina (14.07.24, 05:39)
Die alten griechischen Statuen zeigen den damaligen Schönheitsbegriff auf, der die Proportionen berechnete.

Da unterlag Schönheit dann nicht dem persönlichen Geschmack, heute schon.

Es ist nicht wahr, dass ein gesunder Mensch selbstredend auch schön ist, und nicht jede(r) Schöne ist auch gesund.

 Regina meinte dazu am 14.07.24 um 05:41:
Barocke Maler bevorzugten füllige Frauen, heute nennt man diese fett.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 14.07.24 um 10:26:
Merci, Gina, es scheint tatsächlich so gewesen zu sein, dass die Griechen ihren Schönheitsbegriff allgemein akzeptierten. Ich hoffe, dass Graeculus dies liest. Er weiß bestimmt, ob er öffentlich in Frage gestellt wurde.
Mit dem Hinweis auf barocke Maler unterstreichst du noch einmal, dass unterschiedliche Epochen unterschiedliche Schönheitsideale hatten.

 Graeculus schrieb daraufhin am 14.07.24 um 13:22:
Der Begriff der Schönheit in der klassischen Phase der griechischen Kultur ist bestimmt durch Symmetrie und Proportionalität (z.B. Goldener Schnitt). Platon hat sogar begründet, warum dies und nichts anderes die wahre Schönheit ausmache.

Ich nehme schon an, daß es damals auch abweichende Vorstellungen gab, und unterhalb dieses sehr allgemein gehaltenen Kriteriums waren die Geschmäcker sicher unterschiedlich.

Am interessantesten erscheint mir, daß die Griechen eher bereit waren als wir, in Analogie zu objektiv falschen Aussagen auch einen objektiv schlechten Geschmack (banausisch, barbarisch) anzunehmen.
Ohne Zweifel gibt es verschiedene Geschmäcker, aber ob einige davon einfach schlecht sind, halte ich für eine interessante Frage im Vergleich zu der heute allgemein verbreiteten Ansicht, jeder Geschmack sei gleich viel wert.

"Aber ich halte das eben für schön" hätte dann eine ähnliche Bedeutung wie "Aber ich halte die Erde eben für eine Scheibe".

Antwort geändert am 14.07.2024 um 13:47 Uhr

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 14.07.24 um 13:44:
Gracias, Graeculus, dein Kommentar enthält genau das, was ich mir wünschte. Ich denke, dass es auch zu Zeiten der Griechen Mut erforderte, ein Urteil banausisch zu nennen.
Heute bügelt man mit nivellierenden Sprüchen alles gleich:
" Schön ist nicht gleich schön. Gefallen macht schön." Wer so argumentiert, braucht sich um Kriterien nicht zu bemühen. Gefallen reicht aus.

 Graeculus ergänzte dazu am 14.07.24 um 13:53:
Barbaren und Banausen, das sind zwei Begriffe, die wir - auch in ästhetischer Hinsicht - den Griechen verdanken.

Aber modern ist das nicht.
Ob es auch noch in der modernen Kunst Kriterien für Schönheit bzw. gute statt schlechter Kunst gibt?
Man sollte es eigentlich annehmen, da es ja Kriterien für Noten im Kunstunterricht, für Preise und Fördermittel geben sollte/müßte. Bekannt sind sie mir freilich nicht.

 Graeculus meinte dazu am 14.07.24 um 13:59:
Unterscheiden muß man wohl zwischen den Philosophen einerseits (die sich relativ lange um Kriterien für Schönheit bemüht haben: Schelling, Hegel, Schopenhauer, die "Ästhetik des Häßlichen" von Rosenkranz) und den Künstlern andererseits (die sich relativ früh darum nicht mehr geschert haben: etwa seit der Zeit, da sie sich nicht mehr nach dem Geschmack traditioneller Auftraggeber richten mußten: Kirche, Adel).

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.07.24 um 18:59:
Ich verstehe nicht, warum die Künstler nicht mehr bereit sind, sich den Anstrengungen der Philosophen zu unterziehen.

 willemswelt (14.07.24, 06:00)
Hi,Ekki,ich bleibe gleich bei der Rose hängen-sie bleibt schön-einen Morgengruß,Willem

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.07.24 um 10:34:
Gracias, Willem, es ist interessant, dass die Rose ihre Schönheit mit Dornen schützt. Die biologische Erklärung für die Existenz der Dornen, die ich nicht kenne, wird freilich eine andere sein.

 AchterZwerg (14.07.24, 07:30)
Als ultimatives Ziel, könnte man die Kombination innerer und äußerer Schönheit nennen.
Männer genügt bzgl. der Frauen wohl meist die Betrachtung der äußeren.

Und: "Es ist gar nicht so leicht, so schön zu sein, wie man aussieht!" (Sharon Stone)

Lächelnde Grüße
Piccola

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.07.24 um 10:42:
Liebe Piccola,
äußere Schönheit ohne innere Schönheit wirkt auf mich kalt Aber es gibt bestimmt viele, die den Begriff "innere Schönheit" als spekulativ zurückweisen. Denen entgeht etwas.  :)
Herzliche Grüße
Ekki

 lugarex (14.07.24, 08:55)
ja, was ist die Schönheit?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.07.24 um 11:26:
Hallo Luga,

eine besondere Antwort auf deine Frage hat August von Platen mit seinem Gedicht "Tristan" gegeben:
"Wer die Schönheit angeschaut mit Augen
ist dem Tode schon anheimgegeben."

LG
Ekki

 diestelzie (14.07.24, 10:05)
Irgendwer hat irgendwann einmal gesagt:

"Schön ist alles, was man mit Liebe betrachtet."

In dieser Aussage steckt ebenso viel Wahrheit wie in deinen Aphorismen, welche mich beim Lesen daran denken ließen.


Liebe Grüße in den Sonntag.
Kerstin

Kommentar geändert am 14.07.2024 um 10:05 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.07.24 um 11:34:
Grazie, Kerstin,
es ist interessant, dass mit den Augen der Liebe betrachtet, nicht nur das geliebte Wesen schön wird, sondern auch dessen Ambiente.

Liebe Grüße
Ekki

 hehnerdreck (14.07.24, 12:22)
Die alten Aphos haben mich schwer beeindruckt und auch berührt. Die neuen ... hm, naja ...  ;) LG

Kommentar geändert am 14.07.2024 um 12:22 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.07.24 um 12:26:
Merci, vielleicht sind die neuen weniger elegant, aber ich hoffe, dass sie wahr sind.
LG
Ekki

 Quoth (14.07.24, 13:42)
Und wann sind Gedichte schön? Und Bilder bzw. Gemälde und Fotos? Sind Deine Aphorismen auch darauf anwendbar? Sie scheinen mir zu zentriert auf menschliche Schönheit, und das in einem Lit-Forum ... Ist Rilkes "Panther" z.B. schön? Und Max Beckmanns "Selbstbildnis mit Glaskugel?"
Fragt sich und Dich Quoth

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.07.24 um 13:58:
Entschuldige bitte, Quoth, aber eine Doktorarbeit wollte ich hier nicht abliefern. Auf Gedichte, Gemälde und Fotos sind eine Vielzahl von Kriterien anwendbar. Ich würde sie erst dann schön nennen, wenn ich anhand einzelner Kriterien erörtert hätte, was mir an ihnen im Einzelnen zusagt. Wie kompliziert das Kriterium in diesen Fällen ist, mag ein Beispiel verdeutlichen. Zu den bedeutendsten und ergreifendsten Gedichten, die ich kenne, zählt die "Todesfuge" von Celan. Ich würde aber zögern, dieses Gedicht schön zu nennen.

 Regina meinte dazu am 14.07.24 um 15:32:
Da ist es in der Kunst wieder die Frage der Stilepochen, übrigens auch in der Musik, die bestimmte Kriterien vorgeben.
Celans Anliegen war es sicherlich nicht, ein schönes Gedicht zu schreiben, sondern einen Sachverhalt bewusst zu machen. So ein Anliegen hatten viele seiner Zeitgenossen, die mit ihrer Kunst zeigten, dass sie sehr genau hingeschaut hatten.

Da beeindruckt Salvador Dali mit Spiegelei und Sonnenblume, aber um Schönheit hat er sich sicherlich mit seiner brennenden Giraffe auch nicht geschert.

Die Musik bis Richard Wagner arbeitete auch mit Regeln, die sich auf den Einklang mit dem Kosmos bezogen. Danach wird sie peu à peu immer freier.

 Quoth meinte dazu am 14.07.24 um 15:40:
An EM: Dann würde ich den Titel auf "Menschliche Schönheit und Anmut" einschränken. So ist es der Titel einer Doktorarbeit!  :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.07.24 um 15:49:
Genau das ist der springende Punkt. Mit den Merkmalen, die sich verschiedene Epochen gegeben haben, kann man Schönheit epochenspezifisch definieren. Wir konnten uns einmal in einer Männergesellschaft auf die schönste Frau einigen (nicht auf die für jeden Einzelnen attraktivste). Wir legten das Schönheitsideal der Rennaissance mit dem goldenen Schnitt zugrunde und wählten Gracia Patricia von Monaco.

 Saira (14.07.24, 17:02)
Lieber Ekki,
 
ein Mensch, der im herkömmlichen Sinne vielleicht nicht als schön gilt, kann auf Menschen eine große Anziehungskraft ausüben und auch schön wirken. Für mich sind Äußerlichkeiten nur bedingt interessant: Natürlich kann jemand toll aussehen, aber wie ist seine Aura?
 
Ich habe schon Menschen – Frauen und Männer – kennengelernt, die mich erst im Gespräch fasziniert haben.
 
Deine alten und neuen Aporismen sind klug und blicken hinter die Fassaden.
 
Liebe Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.07.24 um 18:07:
Grazie Sigi,

vielleicht wird Schönheit zu Recht oft der Oberflächlichkeit verdächtigt. Das muss aber nicht sein. In der Poesie der Klassik und Romantik spielt die schöne Seele eine große Rolle.

Liebe Grüße
Ekki

 AZU20 (14.07.24, 20:05)
Ein Aphorismus schöner als der andere LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.07.24 um 11:42:
Vielen Dank, Armin, das freut mich.
LG
Ekki

 Tula (14.07.24, 20:11)
Hallo Ekki
Ich schäme mich jetzt ein bischen, bin aber ehrlich: Auch in meinem Alter "empfinde" ich weibliche  Schönheit auf einen Blick. Ganz unphilosophisch.  Noch immer eine Frage der Hormone  ;)

LG Tula

Kommentar geändert am 14.07.2024 um 20:12 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.07.24 um 11:48:
Grazie, Tula,
ich vermute, die Schar der betagten Schönheitsanbeter ist groß. :) 
LG
Ekki

 Teo (14.07.24, 20:22)
Ein schöner Mensch mit Herzensbildung....Ekki, du bist nah dran.
Und bei allem, was mir die Natur angetan hat...ich liebe sie trotzdem.
Schöne Sammlung, lieber Freund!
Gruß 
Teo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.07.24 um 11:52:
Vielen Dank, Volker,
das Herz zu bilden, verlangt keine besonderen Fähigkeiten. Man muss ihm nur folgen.
BesteGrüße
Ekki

 eiskimo (14.07.24, 20:26)
Um im Sog der Fußball-EM zu reden; Schön spielen und dann doch verlieren, das wäre ein NoGo. Nur das Ergebnis zählt.
Da darf auch ein dreckiger Arbeitssieg her.
So tickt die Welt heute.
LG
Eiskimo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.07.24 um 11:55:
Gracias, für diese Perspektive, Eiskimo.
Man spricht von der zweckfreien Schönheit und die passt tatsächlich nicht in die heutige Welt.
LG
Ekki

 plotzn (15.07.24, 08:29)
Lieber Ekki,

1, 8 und 10 gefallen mir am besten. Letzteres vor allem auch, weil es die Anmut miteinbezieht, eine besondere Form der Schönheit. Die neuen Aphos sind für meinen Geschmack etwas lang geraten (außer 4) und daher nicht so prägnant.

Liebe Grüße
Stefan

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.07.24 um 17:25:
Vielen Dank, Stefan, ich werde sehen, ob ich die neuen Aphos kürzer fassen kann.
Liebe Grüße
Ekki
Agnetia (66)
(17.07.24, 19:15)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.07.24 um 20:14:
Ja, Agnete, klassische Philosophen glaubten sie noch allgemein verbindlich definieren zu können. Aber heute wird sie überwiegend für relativ gehalten.
LG
Ekki

Antwort geändert am 17.07.2024 um 20:15 Uhr

 TrekanBelluvitsh (18.07.24, 14:54)
Schönheit reizt nur flüchtig, wenn sie nicht noch mit anderen positiven/interessanten Dingen verknüpft ist/wird. So wäre wahrscheinlich die Mona Lisa z.B. nicht ein solcher Publikumsmagnet, wenn da nicht noch das "rätselhafte Lächeln" - ob das nun da ist oder nicht - gäbe und die Frage, wie es zu deuten ist, dass die Menschen fasziniert

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.07.24 um 17:39:
Merci, Trekan, das ist scharfsinnig beobachtet. Der goldene Schnitt allein reicht nicht.

LG
Ekki

 TassoTuwas (22.07.24, 20:27)
Hallo Ekki,
da mir die 10 von 2012 noch immer in Erinnerung war, schließt sich dazu nun die neue 1 passend als gelungene Fortführung an.
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.07.24 um 17:43:
Vielen Dank, Tasso, ich freue mich natürlich, dass du dich an die 10 noch erinnern kannst.

Herzliche Grüße
Ekki

 harzgebirgler (23.08.24, 16:07)
Χαλεπὰ τὰ καλά.
Chalepa ta kala. 
„Das Schöne ist schwer."
(Platon, Der Staat)

"..das Schöne ist nichts
als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen,
und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht,
uns zu zerstören."

(Rilke, Erste Duineser Elegie)

LG
Henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.10.24 um 17:23:
Vielen Dank für die hochinteressanten Zitate, Henning, die man nicht unbedingt teilen muss.

Beste Grüße
Ekki
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