Vater und ...

Aphorismus zum Thema Krieg/Krieger

von  Graeculus

Der Krieg, so sagte Heraklit, sei der Vater aller Dinge. Das mag sein. Aber haben die Dinge nicht auch eine Mutter?


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Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(07.12.22, 00:55)
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 TassoTuwas meinte dazu am 07.12.22 um 11:07:
Aber "Hallo" Taina, nie gehört:

"Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!"
:)
TT
Taina (39) antwortete darauf am 07.12.22 um 11:12:
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 Graeculus schrieb daraufhin am 07.12.22 um 15:46:
"MATER GENVIT MATERQVE RECEPIT" stand häufiger auf antiken Gräbern: "Die Mutter hat (mich) hervorgebracht und die Mutter hat (mich) mich aufgenommen." Jenseits von Prozellankisten und Schrauben war der Antike also eine wichtige Mutter geläufig: Mutter Erde.
Ja, bringt sie etwa ihre Kinder hervor, damit diese im Kriege zugrundegehen und sie sie schon in jungen Jahren wieder aufnehmen muß?
Das ist so ein Gedanke, der mir da kommt.
Taina (39) äußerte darauf am 07.12.22 um 16:50:
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 Graeculus ergänzte dazu am 07.12.22 um 22:43:
Nein, Frauen werden nicht gefragt.

Zu den "Dingen" muß ich sagen, daß dies eine - wie mir durch Deine Kritik auffällt - unglückliche Übersetzung von πάντων ist. Besser und sogar wörtlich wäre: "der Vater von allem".

(Ein gutes Beispiel für das Problematische an Übersetzungen. Ich sollte da besser aufpassen.)

 diestelzie (07.12.22, 01:02)
Ich kenne Heraklit zwar nicht so gut wie du, aber bei Vater und Mutter kenne ich mich aus 😊.
Vater und Mutter stehen laut dieses Aphos sich gegenüber wie Krieg und Frieden. Also wenn es eine Mutter braucht auf unserer Erde, heißt sie auf jeden Fall Frieden. Das muss auch so sein, sonst wäre ja ständig überall Krieg. 
Die Dinge brauchen dringend eine Mutter, finde ich. 

Liebe Grüße 
Kerstin

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 15:48:
Die Dinge brauchen dringend auch eine Mutter. Die Welt, allein den Vätern zu überlassen, wäre eine Katastrophe.
Ich denke da ganz im Sinne von Yin und Yang, von Frieden und Krieg, von Mutter und Vater. Die Mutter darf man nicht - wie Heraklit es tut - ignorieren.

Herzlichen Gruß
Wolfgang
Terminator (41)
(07.12.22, 01:03)
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 LotharAtzert meinte dazu am 07.12.22 um 10:08:
Holz ist Steinbock. Am böckigsten in der wintergrünen Tanne.
Was die Christen draus gemacht haben, ist ja bekannt: Kopf ab!
Taina (39) meinte dazu am 07.12.22 um 11:14:
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 LotharAtzert meinte dazu am 07.12.22 um 11:35:
Der Sinn des Satzes erschließt sich mir nicht.
Taina (39) meinte dazu am 07.12.22 um 11:40:
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 DanceWith1Life meinte dazu am 07.12.22 um 12:11:
ich hoffe doch, du bist fest entschlossen ihn zu finden, lach

 DanceWith1Life meinte dazu am 07.12.22 um 12:14:
Schiffsbau trifft Steinbock und Heraklit, ich befürchte, wir sind neben der Spur

 LotharAtzert meinte dazu am 07.12.22 um 14:07:
Heraklit selbst war neben der Spur: er zog sich zurück und lebte als Einsiedler. Die hier über ihn reden, sind von anderer Art.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 15:55:
Dürfen nur Einsiedler über Heraklit reden? Er hat zwar geäußert, daß er von den Vielen nicht viel hält, aber ein Frägelchen an den Meister muß doch erlaubt sein.

Nein, die Mutter aller Dinge ist nicht das Holz für den Schiffbau, sondern Γῆ (Gaia), d.h. Mutter Erde. Sie bringt Menschen hervor und ja, auch Bäume. Sie bringt alles hervor, u.a. Geschöpfe, die sich Männer nennen und einander im Kriege totschlagen.

Wußtest Du, Lothar, daß buddhistische Klöster Sklaven gehalten haben? Sklaven sind und waren immer eine beliebte Kriegsbeute.

 LotharAtzert meinte dazu am 07.12.22 um 16:23:
Wußtest Du, Lothar, daß buddhistische Klöster Sklaven gehalten haben? Sklaven sind und waren immer eine beliebte Kriegsbeute.
Ich habe davon gehört.

Um aber im Einzelfall urteilen zu können, sollte man wenigstens einige persönlich kennen, um ausschließen zu können, daß man gezielten Falschinformationen (fake news) unterliegt.
Terminator (41) meinte dazu am 07.12.22 um 21:18:
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 LotharAtzert meinte dazu am 07.12.22 um 21:56:
Dürfen nur Einsiedler über Heraklit reden? Er hat zwar geäußert, daß er von den Vielen nicht viel hält, aber ein Frägelchen an den Meister muß doch erlaubt sein.
Wer sich von der Welt abwendet, der tut es, um ins eigene Innere zu hören. Wer aber Frägelchen an den in sich Gekehrten richtet, ist schon nahe der Belästigung. Anders mag es sein, wenn ein neugieriges Kind, noch rundum offen, den Einsiedler befragt. Da erkennt er sich womöglich in diesem und sie haben beide Spaß am anderen. - da ist ein Unterschied, oder?

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 22:45:
An Terminator: Heraklit selbst nennt ja keine Götter; insofern trifft ihn die Kritik, er hätte bei Uranos anfangen müssen, nicht. Aber mit dem Beginn der Kosmologie (etwa nach Hesiod) ist der Streit da, und aus ihm entwickelt sich das Weitere.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 22:55:
An Lothar:

Das mit den Sklaven im buddhistischen Klöstern habe ich einem Standardwerk entnommen: "Handbuch Geschichte der Sklaverei" von Michael Zeuske. Der Autor vertritt und belegt den Standpunkt, daß Sklaverei (definiert als Herrschaft über den Körper und die Arbeitskraft von Menschen) ein globales und historisch spätestens seit 10000 v.u.Z. durchgehendes Phänomen der Menschheit ist. Anscheinend ist davon nichts, keine Kultur ausgenommen.
Spricht irgendwie auch für Heraklit, oder?

***

Heraklit mag ein Einsiedler gewesen sein (bedenke: wir haben keine zuverlässigen historischen Berichte darüber, nur Erzählungen aus späterer Zeit); aber er ist mit Schriften an die Öffentlichkeit gegangen. Und dann sollte er sich wahrlich nicht darüber beschweren, wenn die Öffentlichkeit sich mit ihm beschäftigt.
Das ist ja bei Dir und mir nicht anders.

Ob Dein Konzept des "Inneren", in das man hört, den Griechen zur Zeit Heraklits bereits bekannt war, ist eine andere Frage. Vermutlich kannten die nicht einmal ein stilles Lesen, sondern haben Gelesenes laut gesprochen.

 lugarex meinte dazu am 08.12.22 um 08:45:
Heraklit
https://de.wikipedia.org/wiki/Heraklith

 LotharAtzert meinte dazu am 08.12.22 um 10:29:
Es ist immer ein und dasselbe was in uns wohnt: Lebendes und Totes und das Wache und das Schlafende und Jung und Alt. Wenn es umschlägt, ist dieses jenes und jenes wiederum, wenn es umschlägt, dieses.
Wenn du die Wahrheit suchst, sei offen für das Unerwartete, denn es ist schwer zu finden und verwirrend, wenn du es findest.

 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 16:16:
Das zweite Zitat erkenne ich auf Anhieb nicht. Woher stammt es bzw. hast Du es?

 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 16:28:
An lugarex:

Danke für den anregenden Hinweis.

 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 16:37:
Aha. Nun, da kursiert vieles im Netz. Sollte es dies sein?:

Wer Unerhofftes nicht erhofft, kann es nicht finden: unaufspürbar ist es und unzugänglich.

(fr. B 18)

Ist nicht ganz dasselbe, aber dem ähnlich.

 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 22:49:
Meinst Du, daß dies "Dein" Zitat ist?

 LotharAtzert meinte dazu am 09.12.22 um 00:06:
Es ist eines der 98 Zitate, das ich unverändert übertragen habe. Wenn mich nicht alles täuscht, steht es auf S. 9

Auch spricht H. von Dike, der Göttin der Vergeltung. Weiter oben behauptest du, er spräche nicht über Götter.

 Graeculus meinte dazu am 09.12.22 um 13:51:
Ich meinte die olympischen Götter. Dike ist eine abstrakte, nicht anschaulich personifizierte Gottheit. Falls Heraklit sich auch einmal auf Zeus & Co. positiv bezogen haben sollte, dann trügt mich meine Erinnerung.

***

Hast Du gestern auf arte (Re: 19.40 bis 20.10 Uhr) "Ein Leben für Buddha - Shaolin Mönche in Deutschland" gesehen? Es ging um ein Shaolin-Kloster in der Pfalz.
Als der Novize dem (übrigens dem sehr fetten, alten, also Shaolin-untauglichen) Meister geloben sollte, jedem Befehl seiner Vorgesetzten bedingungslos zu gehorchen, stockte mir der Atem. Non serviam!
Taina (39) meinte dazu am 09.12.22 um 15:34:
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 LotharAtzert meinte dazu am 09.12.22 um 16:38:
Hab ich leider nicht gesehen.
Ein Shaolin-Kloster in der Pfalz? - da wird sich die Grumbeere auf dem Betze sicher freuen. Irgendwann müssen wir den Bayern doch die Lederhosn ausziehn.

 Graeculus meinte dazu am 09.12.22 um 18:12:
An Taina:

Das ist mir höchst suspekt. Ich ssehe keinen Sinn, dafür aber reichlich Gefahr darin, sich jemandem bedingungslos zu unterwerfen. So mögen es aber alle Diktatoren gern. Diese Szene war entsetzlich.

 Graeculus meinte dazu am 09.12.22 um 18:16:
An Lothar:

Gibt es sicherlich noch in der arte-Mediathek; den Titel habe ich ja genannt.
Es war übrigens wenig von buddhistischen Gedanken die Rede (jedenfalls für meinen Geschmack), dafür aber viel von exzessivem Training, das - so nehme ich an - Novizen und Gäste mit psychischen Problemen von diesen abbrachte. Wer da in der Hocke die Treppen hochhüpfen mußte, der dachte bestimmt nicht mehr an seine Schüchternheit oder seinen Burn-out.

 LotharAtzert meinte dazu am 10.12.22 um 13:51:
Ach, das muß ich nicht sehen, möchte aber auf etwas anderes hinweisen: Das erklärte Ziel des Vajrayana ist die Erleuchtung in nur einem Leben. Das ist aus der Sicht des Theravada nur denen möglich, die der Verwirklichung schon nahestehen. Ansonsten dauert das "so viele Inkarnationen, wie Blätter an einem großen Baum sind".
Daß die Geistlichen alle Verbrecher sind, erscheint nur dem Westler so, der das Christentum kennt und die üblichen Übertragungen anwendet.
Ich kenne Chime Rinpoche persönlich, zu dem eines Tages in Berlin ein junger Mann kam, der ihm sagte, er könne sich nicht entscheiden, ob er Musiker werden solle, oder Mönch.
Chime, der in England lebt, dort verheiratet ist - jedenfalls damals war, heute weiß ich es nicht mehr, riet ihm zur Musik. Dem Rat folgte David und kurze Zeit später war Bowie ein gefeierter Popstar. Fast schade, sonst hätten wir einen Lama David gehabt, aber dann wüssten wir auch nicht, daß es sich um einen verhinderten Musiker handelte. Ich will damit nur sagen, daß es die Guten gibt und die Bösen - überall und grundsätzlich.

Ein weiterer "Hollywoodstar", die ängstliche Jungfrau Richard Gere, ist seit Jahrzehnten eng mit dem Dalai Lama befreundet, ohne daß es eine Gehirnwäsche gab. Die Frau des Rinpoches, der in Frankfurt starb, erzählte mir mal, daß Richard nie in der vorderen Reihe oder gar auf einem Ehrenplatz saß. Er ist einfach nur der Richard geblieben, der nicht aus den anderen herausstach.
Das Ziel der Verwirklichung in einem Leben erfordert mehr, als der gewöhnliche Mensch sich das vorstellen kann. Das Leben Milarepas, des bekanntesten tibetischen Dichters legt davon beredt Zeugnis ab. Sein Lehrer ließ ihn 5 Häuser bauen und wieder abreißen - mit Erfolg.

 Graeculus meinte dazu am 10.12.22 um 15:30:
Es ging in dem Film bei dem Gelöbnis unbedingten Gehorsams um den Eintritt in einen Orden, nicht um diejenigen, die sich zu einem einwöchigen Retreat dort aufhielten. Insofern erscheint mir der Vergleich mit David Bowie und Richard Gere als unpassend.

Was ich bei Pfaffen immer fürchte (auch wenn die Furcht in manchen Fällen unbegründet sein mag), ist der Umstand, daß ihr Wille zur Macht auf die Herrschaft über den Geist der Gläubigen zielt. Beruhigt wäre ich darüber erst, wenn es eine Religion gäbe, die strukturell (nicht nur bei einzelnen ihrer Repräsentanten) nicht (nur) zum Glauben, sondern (auch) zu kritischem Denken ermutigt. "Sapere aude - Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen", als Motto der Aufklärung.
Eine solche Religion kenne ich nicht; die ich kenne, wollen Glauben "wie die Kinder" (Jesus).

 AlmaMarieSchneider (07.12.22, 01:28)
Mir drängt sich da die Frage auf: "Ist denn der "Vater" so wichtig oder wird er nur wichtig genommen?"

Im Krieg kann man sich zwar Lorbeeren verdienen, wobei sie sich seine "Väter" nicht verdient haben.
Auch Frauen führten Kriege aber im "männlichem Sinn und Verständnis".

Ich bestreite nicht, dass Kriege viele Errungenschaften hervorbrachten, in der Regel aber um damit zu töten.
Mütter, wie das Wort schon sagt, bringen Leben, schützen es von Natur aus und entwickeln keine Waffen um zu töten. 
Doch Biochemie gibt ihnen auch Waffen in die Hand. 
Für Heraklit war wohl diese Entwicklung noch nicht absehbar. Andere Kriege bringen andere Dinge hervor. Eventuell auch "Mütter".

Liebe Adventsgrüße
Alma Marie

Kommentar geändert am 07.12.2022 um 01:32 Uhr

 Tula meinte dazu am 07.12.22 um 11:38:
Hallo Alma
In der antiken Familie wurde der Vater sehr wichtig genommen, er entschied über Ordnung und Geschicke innerhalb der Familie.
Das ist wohl der Knackpunkt: in unserer abendländischen Tradition assoziieren wir den philosophischen Begriff 'Vater' sofort mit dem der Zeugung und Schöpfung. Den (Gott-Vater) gab es zu Heraklits Zeiten nicht, allenthalben den mit Blitzen um sich werfenden Zeus.
Die griechischen Stämme und Städte,die aus ersteren hervorgegangen waren, verstanden sich durchaus als Familie. Sie lagen ständig im Streit und wenn man einen solchen nicht schlichten konnte, musste der Vater entscheiden. Krieg war nicht Samenspender und Schöpfungskraft, sondern der Vater-Richter der griechischen Familie. Eigentlich ein sehr passender Vergleich.

LG
Tula

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:08:
Eine sehr komplex geratende Frage, lieber Tula, wenn wir uns auf die griechische Mythologie einlassen (der Heraklit vielleicht eher fernstand). Krieg: Ares. Zeus nimmt zwar an Kriegen teil, steht aber eher für Vater-Richter (ohne dabei selbst von Grausamkeiten in seinem Liebesleben Abstand zu halten). Auch die anderen Götter (Apollon, Athene, selbst Hephaistos) nehmen in der einen und anderen Weise am Krieg, beispielweise am Trojanischen, teil. Sie sind alle hineingewoben, und die Grundordnung ist - wie Du richtig schreibst - eine patriarchale.

Nehmen wir einmal an - und das geht dann auch an Dich, liebe Alma -, daß der Krieg eher männlich ist. Welche Rolle spielt dann in der Welt das andere, das mütterliche Prinzip?
Alma meint (und darüber haben wir schon an anderer Stelle einmal gesprochen), die Mutter stehe eher für Frieden. Das gefällt mir, weil ich mir eine dualistische Welt besser vorstellen kann als eine monistische. Dann aber hätte Heraklit etwas übersehen: Zwar ist er sich der Wichtigkeit der Gegensätze in der Weltordnung bewußt, aber er sieht diese Gegensätze im Kampf miteinander und übersieht den großen Gegensatz: den von Frieden und Krieg, Aufbau und Zerstörung, Hervorbringen und Vernichten.Von Yin und Yang.

Mögen die Mütter ihre Stimme zu Gehör bringen!
Taina (39) meinte dazu am 07.12.22 um 16:56:
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 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:00:
Jeder Aufbau von etwas Neuem setzt eine Zerstörung des Alten voraus, und oft übertrifft das neu Aufgebaute das alte.
Deutschland (BRD) nach dem Zweiten Weltkrieg ist ein bekanntes Beispiel, ein weniger bekanntes der spektakuläre Wiederaufbau von Rhodos nach einem schweren Erdbeben 227/6 v.u.Z., dem übrigens eines des Weltwunder der Antike zum Opfer gefallen ist, der "Koloß von Rhodos", d.h. eine riesige Statue des Sonnengottes.

Aber letztlich "gewinnt am Ende die Zerstörung", d.h. die Entropie - so wie wir alle letztlich tot sein werden.
Hobbes (38)
(07.12.22, 07:46)
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 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:09:
Du besuchst jede Cabaret-Aufführung im Süden? Da kann ich nicht mithalten, und ich bedauere, deinen Erwartungen an mich nicht entsprochen zu haben.

 LotharAtzert meinte dazu am 10.12.22 um 14:18:
Peter hatte vielleicht gehofft, daß du zu seinem Werk über Husserl und Heidegger was sagst. Er kann ja nicht wissen, was du alles schon ...

 Graeculus meinte dazu am 10.12.22 um 15:32:
Vielleicht. Ich verstehe Hobbes nicht. Es ist nicht so schlimm wie bei AngelWings, geht jedoch in diese Richtung.

 Mondscheinsonate (07.12.22, 08:34)
Es heißt nicht "DIE Krieg", wenn also das männliche Geschlecht so gerne beansprucht, darf es das hier ruhig. :)
Aber, im Ernst, Frauen führen erbarmungslose Kriege, nur ohne Waffen.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:13:
Frauen ohne Zweifel - auch Mütter? Aber ich weiß ja, Du hast das Muttersein von seiner Schattenseite her kennengelernt. Dir darf man da mit idyllischen Vorstellungen nicht kommen.
Und ich fürchte, Du bist damit auch im Recht. Gar zu leicht macht man sich über Mütter Illusionen.
Und was das Geschlecht von "Krieg" angeht, so waren die Römer da vielleicht klüger (bellum: Neutrum).

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 07.12.22 um 19:48:
@Graeculus

Römer: dem stimme ich zu

@Mondscheinsonate


Aber, im Ernst, Frauen führen erbarmungslose Kriege, nur ohne Waffen.

Da gibt es zumindest kaum Tote! Zumindest ist die Todesrate  sehr gering.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 07.12.22 um 20:41:
Siehe meinen vorletzten Text. Worte sind auch Waffen.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:05:
In einem nicht allzu physischen Sinne kann man Menschen durch Worte töten. Und solche Worte habe ich auch von Frauen schon gehört.
Daß man danach wenigstens physisch noch lebt, kann man - darin stimme ich Alma doch zu - als einen gewissen Vorteil ansehen; es gibt einem wenigstens die Chance, danach wieder auf die Beine zu kommen.
(Meine Mutter hat das übrigens immer als Vorteil der Vergewaltigung gegenüber dem Mord angesehen: "Immerhin lebe ich noch." Darüber kann man streiten.)

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:09:
Noch zu Alma:

Ich weiß nicht, wie das mit dem grammatischen Geschlecht des Krieges in anderen Sprachen steht - soweit sie ein grammatisches Geschlecht kennen. Was ich nur weiß: im Griechischen maskulin, im Französischen feminin.
Aber die Gleichsetzung von grammatischem und biologischem Geschlecht ist ohnehin problematisch, auch wenn es die Grundlage der Gender-Sprachreform ist, die wir derzeit erleben.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 07.12.22 um 23:25:
sächlich?


(Meine Mutter hat das übrigens immer als Vorteil der Vergewaltigung gegenüber dem Mord angesehen: "Immerhin lebe ich noch." Darüber kann man streiten.)
Nein, darüber, dass man lebt kann man nicht streiten, höchsten über das "wie". Deine Mutter hat damit recht.


Herzlichst
Alma Marie

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:54:
Im Französischen ("la guerre"), Femininum, also 'weiblich', im Lateinischen ("bellum") Neutrum, also 'sächlich'. Griechisch: Maskulinum, wie auch im Deutschen.
Eindeutig zum Krieg = männlich neigen die Sprachen also nicht. Aber natürlich gibt es viele Sprachen, die kein grammatisches Geschlecht kennen. Das Chinesische z.B. nicht, oder?

Hatte meine Mutter recht? Daß 'man' (also in der Regel eine Frau) danach noch lebt, ist klarerweise so; aber sie meinte wohl, daß das Leben danach doch einen Wert habe, was sie wohl mit dem "wenigstens" ausdrücken wollte. Als Mann habe ich da wohl nichts Entscheidendes mitzureden, aber ich habe den Eindruck, daß viele Frauen heute mehr die Schwere des Traumas betonen ... und erleben.
Das hängt wohl auch davon ab, ob man das Leben als höchsten Wert ansieht.

Einen herzlichen Gruß zum Abend, den wir mit einem düsteren Thema begehen
Wolfgang
Taina (39) meinte dazu am 08.12.22 um 16:33:
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 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 16:42:
Das verbotene Wort ist feminin! Wer hätte das von Rußland gedacht? Danke für den Hinweis.

 Tula (07.12.22, 09:46)
Moin Graeculus
Ich denke, die Mutter (Erde) aller Dinge wollte Heraklit auch gar nicht abstreiten. Eher antikes Denken, die Griechen bekämpften ja nicht nur die Perser, sondern vor allem sich selbst. 
Das Zitat ist ja so auch nicht ganz vollständig. Eher ein antikes Amboss oder Hammer sein. Krieg entscheidet (nach Heraklit) über die Existenz jedes einzelnen. Es ist nicht der Frieden, der uns zu Königen oder Sklaven macht.

LG
Tula

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:19:
Es stimmt, das Zitat ist nicht vollständig; aber ich habe gedacht, daß seine Fortsetzung für meine Frage nach dem mütterlichen Prinzip "in den Dingen" eher nebensächlich ist, denn es findet auch dort keine Erwöhnung.

Ich finde im kompletten Heraklit (eigentlich ein Witz, weil alles, was wir von Heraklit kennen, nur kurze Bruchstücke seines Werkes sind) keinen einzigen Hinweis auf die Berücksichtigung des Weiblichen. Aber da waren - wie Du weißt - die Griechen insgesamt etwas unterbelichtet. Wie so anders ist da der Taoismus! Es lohnt sich, über das Weibliche in der Ordnung der Dinge nachzudenken.

 FrankReich (07.12.22, 10:14)
Gilt Heraklit nicht auch als Erfinder der Metapher? 😂😂

Ciao, Frank

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:21:
Euer Wohlgeboren belieben zu scherzen. Vor allem ist das zitierte Zitat nicht metaphorisch gemeint oder doch allenfalls in dem Sinne, daß Heraklit "Krieg" in einem weiteren Sinne meint. Und das läßt auch in diesem Verständnis meine Frage völlig offen.

 FrankReich meinte dazu am 07.12.22 um 18:07:
Der Krieg wird in diesem Zitat personifiziert und die Personifikation ist nun mal eine Nebenform der Metapher. 🤔

Ciao, Frank

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:10:
Es stimmt, "Vater" ist eine Metapher ... die Aussage insgesamt ist es nicht. Ich hatte Deine Aussage als Scherz aufgefaßt, weil Heraklit natürlich nicht der Erfinder der Metapher ist; Homers Werk ist voll davon.

 FrankReich meinte dazu am 08.12.22 um 07:52:
Nun, eine Scherzfrage ist sie schon, denn erstens ist es fraglich, ob dieses Zitat überhaupt und wenn ja, als Urfassung von Heraklit stammt und zweitens, ob es sich wirklich lohnt, dieser offensichtlich fragmentarischen Behauptung einen Aphorismus zu widmen, denn sie wird auch nicht schlüssiger durch Austausch der Personifikation "Vater" durch bspw. "Ursprung", es sei denn, Du verstehst den Urknall als Krieg, dann allerdings erübrigte sich auch die Geschlechterfrage, "Vater" wäre damit ebenso ein Platzhalter wie "Krieg", eine Umwandlung des Spruches in "Der Krieg ist die Wurzel allen Übels" würde ich soeben noch durchgehen lassen, da hier die Metapher in ihrer Neutralität ebenso wie ihr abstrakter Bezugspunkt Sinn macht, obwohl auch in diesem Fall der Begriff "Krieg" nur ein Substitut für "Mensch" darstellt. 

Ciao, Frank

 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 16:20:
Heraklit-Zitate, wie sie überliefert sind, kann man leider nicht mit einem Original vergleichen.
Insgesamt erscheint mir Heraklit - und zwar nicht nur aufgrund dieses einen Zitates - als eine Art Proto-Darwinist (da muß man nicht beim Urknall anfangen), der mit Charles Darwin die gleiche Einseitigkeit teilt: die gegenüber dem Element der Kooperation in der Evolution, worauf m.W., als erster der russischen Anarchist Pjotr Kropotkin ("Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt") hingewiesen hat.

 Judas (07.12.22, 10:26)
Vorsicht ist zumindest die Mutter der Porzellankiste, so viel weiß ich!

 Pensionstarifklempner meinte dazu am 07.12.22 um 10:51:
Wann fand der Krieg der Porzellankisten statt ?
Taina (39) meinte dazu am 07.12.22 um 11:29:
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 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:22:
Vorsicht ist die Mutter, meinetwegen der Porzellankiste. Sie sorgt sich, daß das, was sie liebt, nicht Schaden nehme.

 Pensionstarifklempner (07.12.22, 10:49)
Nehmt den Vätern die Muttersprache. Nur im WIRRWARR kann unser guter Mutterboden erhalten bleiben. 
Es grüßt ein ein alter weißer Mann ( 70).
Agnete (66) meinte dazu am 07.12.22 um 15:19:
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 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:24:
Die Sprache lernen wir eher von der Mutter; insofern ist "Muttersprache" gut gesagt. Ich weiß freilich nicht, ob das in allen Sprachen so gesehen wird. M.W. reden manche vom Mutter- statt vom Vaterland.
Mutterschaft ist ja um so viel eindeutiger als Vaterschaft!
Dieter Wal (58) meinte dazu am 07.12.22 um 23:10:
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 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:12:
Mutterloge in einem Männerbund, das ist in der Tat auffallend. Sagt das etwas Psychoanalytisches über die Freimaurer?
Dieter Wal (58) meinte dazu am 07.12.22 um 23:49:
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 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 16:22:
Auch der Mithras-Kult war ja eine reine Männerreligion; allerdings sind mir bei ihm keine Verweise auf ein mütterliches Prinzip bekannt. Dir?
Danke für die Hinweise auf die Freimaurer, die mir neu waren.
Dieter Wal (58) meinte dazu am 08.12.22 um 16:40:
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 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 22:42:
Tendenziell sprach der Mithras-Kult in erster Linie Soldaten und Beamte an. Übrigens die einzige mir bekannte reine Männer-Religion (wenn wir die Freimaurer nicht als Religion zählen).
Das in der Ikonographie aus dem geopferten Stier fließende Blut fällt tatsächlich befruchtend auf die Erde. Darin könnte man in der Tat ein weibliches Motiv sehen - aber wie Du schon schreibst: etwas spekulativ.

Die Venus ist natürlich weiblich - aber mütterlich?

Hast Du Dich einmal mit dieser Religion befaßt? Ich hatte einst den Einfall zu einem Parallelwelt-Roman, in dem nicht das Christentum, sondern der Mithras-Glaube die Geschichte des Abendlandes bestimmt hat. Im dritten Jhdt. war es ja nicht ganz ausgeschlossen, daß es so kommen würde.
Ausgangspunkt des Plots: Simon von Kyrene hält einen Stier am Seil, als Jesus nach Golgatha geführt wird. Der Stier reißt sich los und trampelt Jesus nieder. Zur Kreuzigung ist es deshalb nie gekommen, und die Mithras-Anhänger preisen dieses Ereignis als Sieg ihres Gottes an.
Dieter Wal (58) meinte dazu am 08.12.22 um 23:10:
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 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 23:19:
Man kann die Freimaurer vielleicht als Gesinnungsgemeinschaft bezeichnen, was etwas allgemeiner als Religion ist.

Gold, Weihrauch und Myrrhe als Mithras-Weihgaben, das wußte ich nicht - ebensowenig, daß das im Matthäus-Evangelium eine Anspielung ist.

Woher hast Du das? Und worauf sollte es anspielen? Daß auch die Mithras-Anhänger sich Jesus anschließen?
Allerdings sehe ich da ein Zeitproblem: Zur Zeit der Entstehung des Matthäus-Evangeliums dürfte der Mithras-Glaube in seiner römischen Version noch gar nicht existiert haben. In Teilen geht er ja auf persische Traditionen zurück, aber dann gibt es eine Lücke von mehreren hundert Jahren,  bis er sich in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. im Römischen Reich ausbreitete. Die Frühgeschichte dieser Variante liegt m.W. im Dunkeln.
Also: eine Quellenangabe würde mich freuen.

 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 23:21:
Natürlich nur, wenn Du die Zeit dazu hast.
Dieter Wal (58) meinte dazu am 08.12.22 um 23:40:
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Dieter Wal (58) meinte dazu am 09.12.22 um 13:56:
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 Graeculus meinte dazu am 09.12.22 um 13:57:
Verstehe. Es bleiben bei mir zwei Bedenken plus eine Frage:

Bedenken 1: Die Entstehung des Matthäus-Evangeliums wird von Klaus Berger ins Jahr 71 u.Z. gelegt. Damals gab es noch keinen Mithras-Kult im Römischen Reich. Die Anspielung müßte sich daher auf eine rein persische Tradition beziehen.

Bedenken 2: Weihrauch, Myrrhe und Gold sind mir weder aus dieser noch aus der römischen Tradition bekannt. Das Feuer war den Persern heilig, wurde aber nicht als Geschenk für Andersgläubige verwendet.

Frage: Wie kommst Du auf die Jungfrauengeburt Alexanders des Großen?

 Graeculus meinte dazu am 09.12.22 um 14:04:
Liegt Dir Fachliteratur über Mithras vor, die das bestätigt?

Nein. Im Gegenteil: ab der 2. Hälfte des 2. Jhdts. u.Z.

 DanceWith1Life (07.12.22, 11:43)
Wie so oft bei, ich nenn's mal, nachdenklichen Wortspielen, liegt es im "Auge des Betrachters" die Intention des Autors zu erfassen.
Falls die Intention dergestalt war, darauf hinzuweisen, dass Krieg gar nicht die einzige Option sein kann (wovon ich fast auszugehen geneigt bin). Die meist humorvollen Kommentare wollen dies ja nicht wirklich verneinen, trotzdem scheint es kein Leichtes, dies so einfach zu bestätigen.
Was für mich persönlich eigentlich nur bedeuten kann, es gehört mehr als ein guter Gedanke dazu dieses Ungleichgewicht zu lösen.
Das klingt viel geschwollener als es geplant war, aber damit kann ich leben.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:29:
Die Intention Heraklits könnte deutlicher nicht sein, auch wenn man die Fortsetzung des Zitats berücksichtigt:

Krieg ist aller Dinge Vater, aller Dinge König. Die einen erweist er als Götter, die andern als Menschen, - die einen läßt er Sklaven werden, die anderen Freie.

Krieg, Kampf, Auslese.

Meine Intention ist mir selber nicht klar. Mir fällt lediglich auf, daß da etwas fehlt bei Heraklit. Welche Rolle spielt es bei "allen Dingen"? Ich bin fern davon, eine Antwort darauf geben zu können, was genau das Mütterliche in der Welt bewirkt.
Aber die hierzu geäußerten Gedanken sind interessant und anregend. Das freut mich und genügt mir.

 TrekanBelluvitsh (07.12.22, 13:03)
Während der Weltkriege im 20. Jahrhundert hatten die Dinge jede Menge Mütter. Die arbeiteten in den Fabriken der Dinge.

Davon abgesehen hatte Heraklit unrecht. Der Krieg bringt nichts hervor. Er ist allerdings der Katalysator für bereits vorhandene Entwicklungen. Beispiele: das Flugzeug im Ersten Weltkrieg und der Niedergang des Zarismus in Russland.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:32:
Im Patriarchat dienen die Frauen männlichen Interessen ... und deren Kriegen.

Der Krieg bringt nichts hervor? Da kannst Du nicht mit zwei Beispielen beweisen. Spontan fällt mir die ungeheure Bedeutung des Maschinengewehrs ein. Vorher: die des Gewehrs und der Artillerie.

Außerdem bin ich der Ansicht, daß die Perserkriege eine extrem große Bedeutung für Europa hatten.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 07.12.22 um 17:02:
Naja, in Wahrheit ist das Maschinengewehr ein weiterer Beweis für meine Behauptung. Denn es wurde vor dem Ersten Weltkrieg eingeführt. Allerdings war man sich nicht bewusst, wie man es einsetzen sollte. In Deutschland wurde es kurzfristig sogar taktisch der Artillerie unterstellt. Dann wurde es in separate Einheiten gegliedert. Erst mit beginn der Kämpfe im August 1914 wurde sehr schnell klar, dass man das Maschienengewehr als integralen Bestandteil der Schützenkompanien verwenden muss.

Die Waffe war also da. Auch die Diskussion über ihre taktische Verwendung war da. Diese wurde in Friedenszeiten theoretisch geführt (und nicht eindeutig entschieden). Erst im praktischen Einsatz zeigte sich, welche angedachten Einsatzprofile einen Sinn ergaben und welche nicht. Und dies geschah sehr schnell. ERGO: Ein sehr gutes Beispiel dafür, wie der Krieg als Katalysator eine bereits bestehende Entwicklung vorantreibt.

(Es geht hier um das Maschienengewehr im deutschen Heer.)


Das die Perserkriege ein große Bedeutung haben, werde ich nicht leugnen. Aber ich sehe Kriege in erster Linie eben nicht als Unglück. Das tue ich nicht, weil sie es nicht sind. Aber Kriege sind immer eingebettet in die Politik, Kultur und Gesellschaft ihrer Zeit. Sie fallen nicht vom Himmel und niemand schlittert in einen Krieg - mal abgesehen vom Angegriffenen. Und darum ist ein Krieg für mich nie der Ausgangspunkt. In ihm beginnt nichts, was nicht schon vorher als politisches Narrativ gesetzt wurde.

Dasselbe gilt für die Technik. Gerade in diesem Bereich gilt Newtons "We are standing on the shoulders of giants". Es war ja nicht so, dass niemand eine Ahnung von Kernspaltung hatte und plötzlich über Hiroshima und Nagasaki zwei Atombomben explodierten.

Der Krieg ist eine Zäsur. Allerdings ist er das nur im Bezug auf die direkt ausgeübte Gewalt. Im Bezug auf Politik, Gesellschaft und Technik ist er lediglich eine Beschleuniger und steht niemals unabhängig von diesen da.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 07.12.22 um 17:05:
Ein ausführlicheres Beispiel über den Zusammenhang Krieg - Technik - Gesellschaft findest du in meinem kurzen Essay über den  israelischen Kampfpanzer "Merkava"

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:18:
Es trifft zu, daß das Maschinengewehr nicht im Ersten Weltkrieg erfunden wurde. Erstmals in größerem Stil im Burenkrieg eingesetzt, oder?

Daß Kriege eingebettet sind in Politik, Kultur und Gesellschaft ihrer Zeit - d'accord. Aber sie bringen den Druck, auch den Druck, sich zu entwickeln, zur Kumulation.
Die Kriegsführung der französischen Revolutionsarmeen und dann Napoleons haben die preußischen Reformen erzwungen. Dann heißt es: sich entwickeln oder untergehen! Kriege sind Krisen in höchster Potenz. (Ein Wort, daß Deiner Zäsur nahekommt, das ich aber bevorzuge.)
Die Ukraine merkt es gerade, und Putins Rußland wird es wohl auch noch merken.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 08.12.22 um 02:50:
Das moderne Maschinengewehr entstand im Jahre 1885. Alle (schweren und wassergekühlten) Maschinengewehre des ersten Weltkriegs aller Nationen sind Nachbauten bzw. Weiterentwicklungen des sogenannten Maxim-MGs. Diese spielten bei den rasanten eroberungen der Kolonialmächte in Afrika gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle.

Besonders taktisch ausgeklügelt war ihr Einsatz jedoch nicht, weil er gegen Gegner erfolgte, die ihrerseits über nichts Vergleichbares verfügten. Die bloße Feuerkraft war hier ausreichend.

Für das Deutsche Kaiserreich war die Lage eine andere, denn die Gegner in den künftigen kontinentaleuropäischen Kriegen würden ihrerseits auch über Maschinengewehre verfügen. Die Taktik ist da also entscheidend.


Ich verstehe gut, was du mit "Krise der höchsten Potenz" als Beschreibung meinst. Es ist eine gute Beschreibung, jedoch abhängig von der Betrachtungsebene. Denn natürlich gibt es im Krieg selbst auch Krisen. Diese können räumlich und zeitlich sein, aber auch strukturell.

Das unterscheidet z.B. fundamental die ukrainische von der russischen Seite. Die Krisen der Ukraine im aufgezwungenen Krieg sind in erster Linie räumlich und zeitlich. Die strukturellen Defizite sind hingegen auf wenige - wenn auch teilweise entscheidende - spezielle Bereiche ihres militärischen Apparats beschränkt. Die russischen Probleme in der Kriegsführung sind fast alle struktureller Art. Selbst wenn die politische Führung gewillt wäre, diese zu beheben, stände sie vor einer Herkulesaufgabe. Das ist sie jedoch nicht.

 Graeculus meinte dazu am 08.12.22 um 16:25:
Richtig, was Du über den Unterschied zwischen Ukraine und Rußland schreibst. Das artikuliert etwas, was mir halbbewußt war.

Auch den Unterschied zwischen dem Einsatz von MGs in Afrika einerseits und im Ersten Weltkrieg andererseits sehe ich wie Du - allerdings mit dem Zusatz, daß deswegen im Ersten Weltkrieg weitere Entwicklungen einsetzten (vor allem die von Tanks), also eine Art Kettenreaktion.
Agnete (66)
(07.12.22, 15:24)
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 Tula meinte dazu am 07.12.22 um 16:36:
Hallo
Genau bzw. eben nein. Das Zitat gehört in die Antike. Was immer Heraklit mit Begriffen wie Krieg und Vater genau umfassen wollte,  'Vater' ist bei ihm ziemlich gewiss nicht der 'Erzeugende' (die schöpferische Kraft), es sei denn die Umgestaltung im Sinne von Herrschen oder Dienen. Das vollständige Zitat lässt sogar wenig Zweifel. Die Vater-Schöpfer-Figur  entspricht unserer christlich-abendländischen Perspektive. Dazu hatten die Griechen Gaia und ganz nebenbei eine Reihe weiblicher Gottheiten, einige von ihnen ebenfalls eher kriegerisch eingestellt, wenn auch als Schutzgöttin.

LG
Tula

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:41:
Ich hätte gedacht, daß ich mich beim Aphorismus ganz gut auskenne. Nun habe ich aber sicherheitshalber in einem Sachwörterbuch der Literatur nachgeschaut:

Aphorismus, kurzer, schlagkräftig und äußerst prägnant formulierter Prosasatz zur Einkleidung eines eigenartigen persönlichen Gedankens, Werturteils, einer Augenblickserkenntnis oder Lebensweisheit, durch gesitreichen Inhalt und individuellen Stil unterschieden vom Niveau des Sprichworts.

Damit kann ich, was meine Zuordnung betrifft, leben; um ein Sprichwort handelt es sich ja gewiß nicht.

Es stünde schlecht um Heraklit, wenn seine Aussage unsere Gegenwart nicht mehr beträfe. Der Vater (als Metapher) ist derjenige, der Dinge erzeugt, hervorbringt. Ja, in aller Welt, gehört dazu nicht auch eine Mutter?
Es mag sein, daß in der damaligen patriarchalen Ordnung diese Frage nicht so nahelag wie heute. Umso mehr sollte sie heute gestellt werden: Was trägt das Mütterliche zur Ordnung der Dinge bei? Ist es das Konzept des Friedens, der Erhaltung und Bewahrung? Ich weiß es nicht. Die Antworten hier sind vielstimmig, und die von Mondscheinsonate sollte man nicht übersehen.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 16:50:
An Tula:

Die griechischen Götter sind - anders als der Gott des Moses - in der Tat keine Schöpfer; und ich denke, daß Heraklit - so fern ihm die griechischen Mythen auch gelegen haben mögen - keinen Schöpfer im Sinn hatte, sondern "nur" Vater. Nun ist bzw. war Zeus ist stehender Formel "der Vater der Menschen und Götter". Der Vater also. Und der Vater ist der Erzeuger sowie, patriarchalisch gedacht, der Herr, der Herrscher.
Ich bleibe bei der oben erwähnten Bemerkung, daß im gesamten überlieferten Corpus des Heraklit (wenig genug ist es ja) keinerlei Berücksichtigung des weiblichen Elements in der Ordnung der Dinge erkennbar wird. Sicherlich hatte er von Gaia gehört, doch er erwähnt sie nirgends. Da fehlt mir etwas.
Jarina (33)
(07.12.22, 16:46)
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 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:23:
Daß Heraklit falsch zitiert wurde, nehme ich nicht an, obwohl man das nicht überprüfen kann, denn das Zitat ist nicht bei mehreren Autoren überliefert. Eine Originalschrift von Heraklit kennen wir ohnehin nicht.

Die weitere Verwandtschaft gebe ich Dir gerne zu - Hauptsache, sie ist nicht nur männlich.

An die Wichtigkeit von Frauen zu denken, war der patriarchalen altgriechischen Gesellschaft nicht ohne weiteres gegeben. Unter den Männern möchte ich nur Aristophanes (mit zwei berühmten Komödien) nennen, und weibliche Autoren der Antike sind noch verstümmelter überliefert als Heraklit. Von der legendären Sappho: kein einziges vollständiges Gedicht erhalten. In den Fragmenten setzt sie sich allerdings durchaus mit Krieg auseinander: sie liebt ihn nicht.
Dieter Wal (58)
(07.12.22, 17:05)
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 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:27:
Das von Heraklit verwendete Wort ist tatsächlich πόλεμος, und das hat einer weitere Bedeutung als nur den bewaffneten Kampf. Heraklit meint auch jede Art von Streit.
Da er aber in dem vollständigen Zitat erwähnt, die einen mache er zu Herren, die anderen zu Sklaven, ist sicher auch der bewaffnete Kampf (--> Kriegssklaverei) gemeint.
Den demokratischen Gepflogenheiten (Rede - Gegenrede) stand Heraklit wohl ablehnend gegenüber. Aber wir können es auch für diesen Bereich übernehmen.

 EkkehartMittelberg (07.12.22, 20:55)
Ich bestätige gerne, dass der Frieden die Mutter aller Dinge ist.
Heraklits Ausspruch gibt den Bellizisten zu viel Wind in die Segel. Ich halte ihn auch für übertrieben.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:30:
Ich halte ihn für einseitig. Und ergänze diese Einseitigkeit gerne durch Deine Aussage über den Frieden.
(In der griechischen Polis-Geschichte dauerten Friedensphasen übrigens nie länger als 30 Jahre; jede Generation sollte die Möglichkeit haben, sich Ruhm zu erwerben. Es war halt eine agonale Kultur, die es sogar vorzog, Dichtung in Form von Wettkämpfen zu gestalten.)

 Quoth (07.12.22, 21:45)
Ohne Konflikt, gewaltlos oder gewaltsam, ändert sich nichts.
So lese ich es.
Und Konflikt braucht es auch, um unerwünschte Änderungen zu verhindern, siehe heutige  Razzia.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:33:
Ohne Konflikt ändert sich nichts, das wird Heraklit gemeint haben. Gibt es aber nur Konflikte, wird unser Leben düster und traurig, möchte ich hinzufügen.
Heraklit hatte ein so feines Verständnis für die Bedeutung von Gegensätzen - aber den Gegensatz von Krieg und Frieden, von Vater und Mutter reflektiert er nicht. Das leuchtet mir nicht ein.

 loslosch (07.12.22, 22:08)
Saddam Hussein gelang eine steigerung, denn er drohte 1990 die mutter aller schlachten an.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:34:
Der Krieg gebiert auch Angeber, Maulhelden. Wie die Affen, die sich pompös auf die Brust trommeln.

 Augustus (07.12.22, 22:09)
Die Mutter hat hier im Fall nichts zu sagen. Sie ist entmündigt, wird bevormundet. Die Mutter kommt erst dann zur Geltung, wenn Vater, Sohn, Opa sterben. 
Selbst in asiatischen Kulturen übernimmt nach dem Tod des Vaters, der Sohn das Oberhaupt der Familie und die Mutter hat zu gehorchen. 

Der Krieg ist der Vater aller Dinge, in Abwesenheit des Vaters herrscht der Sohn, quasi die Vorbereitung für den nächsten Krieg, da der Sohn eine zukünftige Vaterfigur darstellt, sprich: der Frieden ist die Zeit in der der nächste Krieg schon gesät wird. 
Die Mutter kommt demnach eine Rolle der Dulderin zu, die all dies ertragen und erdulden muss.

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:38:
Aber die Mutter - und daß Heraklit das übersieht, erstaunt mich - bringt doch die Kinder hervor, welche dann in ihrer männlichen Version die Welt beherrschen! Noch merkwürdiger: sie erzieht auch die Kinder, inkl. die Knaben.
Das Patriarchat ist natürlich fast (!) universell. Aber einseitig in seinem Blick auf die Welt.

 AngelWings (07.12.22, 22:15)
Das Ding! Also wie Menschen sind also ein Gestande?

 Graeculus meinte dazu am 07.12.22 um 23:39:
Falls du dich an "Ding" störst: das ist, wie ich oben schrieb, der Übersetzung geschuldet; genauer: "Krieg ist der Vater von allem."

 Regina (01.01.23, 09:35)
Die Kulturgeschichte Europas besteht nicht nur aus altgriechischen, patriarchalischen Wurzeln. Die keltische, die germanische und die jüdische Kultur haben daran mitgewirkt.

 Graeculus meinte dazu am 01.01.23 um 18:05:
Das ist richtig, ist mir aber nicht neu. Neu wäre es mir, wenn Du mir zeigen könntest, daß sie weniger patriarchalisch sind. Wieviele Prophetinnen gibt es im Tanach? Kommt dort irgendwo das weibliche kosmologische Prinzip zum Tragen?

 Regina meinte dazu am 02.01.23 um 18:11:
Im Vergleich zu anderen Kulturen in ihrer Nachbarschaft leben Jüdinnen relativ frei. Von den Kelten wissen wir nicht mehr so viel, aber man hat sie mit weiblichen Priesterinnen assoziiert, die Germania, heißt es, zog mit in den Krieg. Noch heute haben Frauen in Europa relativ mehr Freiheitsrechte als in anderen Weltgegenden.

 Graeculus meinte dazu am 02.01.23 um 23:28:
Für den heutigen Staat Israel mag das insgesamt gelten (sofern man nicht zu den Ultraorthodoxen gehört).
Im Tanach gibt es ein Buch Esther mit einer weiblichen Hauptperson, bei der es sich jedoch nicht um eine Prophetin handelt, sondern um eine Geliebte des persischen Großkönigs Dareios, den sie davon überzeugt hat, die Juden aus der babylonischen Gefangenschaft in ihre Heimat zu entlassen; der Text gilt freilich als romanhaft.

Von der keltischen Religion weiß ich nicht viel - aber das ließe sich herausfinden.

Die frauenfreundlichste Religion, die ich kenne, stammt nicht aus Europa - da handelt es sich um den Taoismus, und der hat tatsächlich das weibliche Element (Yin) in seinen kosmischen Vorstellungen vorgesehen. Das heißt allerdings nicht, daß die Frauen in der traditionellen chinesischen, konfuzianisch bestimmten Gesellschaft eine erfreuliche Stellung besessen hätten.

Übrigens kannten alle Gesellschaften die Versklavung von Frauen (für sexuelle Zwecke) und Kindern. Das ist ein ganz düsteres Kapitel. Da sind auch die Kelten und Germanen nicht ausgenommen.
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