Selbstverwirklichung - eine "Glücksformel" als der Weisheit letzter Schluss?
Essay zum Thema Glück
von Bluebird
Kommentare zu diesem Text
Aristoteles hätte darauf vielleicht geantwortet: „Werde, der du bist! Werde ein (wahrer) Mensch“
Und was soll in diesem Zusammenhang "vielleicht" heißen? Hast Du das nicht nachgeschaut?
Hier ist ein Abschnitt aus der Nikomachischen Ethik zu Studienzwecken:
9. [...] für die einen ist Glück so viel wie sittliche Vortrefflichkeit, für andere ist es Einsicht und für die dritten etwa die Weisheit des Philosophen. Wieder andere fügen den genannten Elementen oder einzelnen davon das Moment bei: „in Verbindung mit der Lust“ oder machen die Lust zur unerläßlichen Bedingung. Und endlich nehmen manche noch das äußere Gedeihen mit hinzu. Von diesen Ansichten ist ein Teil vielfach verbreitet und stammt aus alter Tradition, teils sind ihre Vertreter gering an Zahl, aber von ausgezeichnetem Rufe. In beiden Fällen ist es unwahrscheinlich, daß die Meinungen ganz und gar verfehlt sind, vielmehr werden sie wenigstens in einer, unter Umständen sogar in sehr vielen Beziehungen das Richtige treffen.
Mit denen nun, die das Glück als sittliche Vortrefflichkeit oder irgendeinen der sittlichen Vorzüge bezeichnen, stimmt unsere Definition überein, denn zu sittlicher Trefflichkeit gehört das Tätigsein in ihrem Sinn. Der Unterschied ist gewiß nicht klein: ob man das oberste Gut im Besitzen oder Benützen, in einem Zustand oder in aktiver Verwirklichung erkennt. Denn ein Zustand kann vorhanden sein, ohne daß etwas Wertvolles dabei herauskommt, z.B. bei einem Menschen, der schläft oder sonstwie in völliger Dumpfheit vegetiert. Beim aktiven Verwirklichen dagegen kann das nicht vorkommen, denn dies heißt: mit Notwendigkeit handeln, wertvoll handeln. Wie bei den Festspielen von Olympia nicht die den Siegerkranz erringen, die am schönsten und am stärksten aussehen, sondern die Kämpfer – denn aus ihren Reihen treten die Sieger -, so gelangen auch zu den Siegespreisen des Lebens nur die Menschen, die richtig handeln.
Deren Leben ist auch in sich selbst voll Freude. Die Freude gehört nämlich zu den seelischen Zuständen. Gegenstand der Freude aber ist für jeden das[,] wovon er „Liebhaber“ ist. Zum Beispiel ein Pferd für den Pferdeliebhaber, ein Schaustück für den Liebhaber solcher Darbietungen. Genauso gerechtes Handeln für den Freund der Gerechtigkeit, generell gesagt: sittliches Handeln für den Freund sittlicher Trefflichkeit. Für die gewöhnlichen Leute liegen die einzelnen Freuden miteinander im Streite, weil sie nicht von Natur Freuden sind. Der Freund des Edlen dagegen hat seine Freude nur an Dingen, denen der Charakter des Freudebringenden von Natur zukommt. Das ist der Fall bei den sittlich wertvollen Handlungen: sie sind daher freudevoll sowohl für die Freunde des Edlen als auch in sich. Deren Leben bedarf somit in keiner Weise der Freude wie eines Schmuckstücks zum Umhängen, sondern es hat die Befriedigung in sich selbst. Dem Gesagten ist nämlich noch beizufügen, daß von „sittlich wertvoll“ überhaupt nicht die Rede sein kann, wenn jemand keine Freude an edlem Handeln hat: niemand kann als gerecht bezeichnet werden, wenn er nicht Freude hat an gerechtem Tun, und niemand als großzügig ohne Freude an großzügigem Handeln. Und so ist es auch in den übrigen Fällen. Ist dies aber richtig, so sind sittliche Handlungen in sich freudevoll. [...]
Indes gehören zum Glück doch auch die äußeren Güter, wie wir gesagt haben. Denn es ist unmöglich, zum mindesten nicht leicht, durch edle Taten zu glänzen, wenn man über keine Hilfsmittel verfügt. Läßt sich doch vieles nur mit Hilfe von Freunden, von Geld und politischem Einfluß, also gleichsam durch Werkzeuge, erreichen. Ferner: es gibt gewisse Güter, deren Fehlen die reine Gestalt des Glückes trübt, zum Beispiel edle Geburt, prächtige Kinder, Schönheit; denn mit dem Glück des Mannes ist es schlecht bestellt, der ein ganz abstoßendes Äußeres oder eine niedrige Herkunft hat oder ganz allein im Leben steht und kinderlos ist. Noch weniger kann man von Glück sprechen, wenn jemand ganz schlechte Kinder oder Freunde besitzt oder gute durch den Tod verloren hat. Wie gesagt, gehören also zum Glück doch auch solch freundliche Umstände, weshalb denn manche die Gunst der äußeren Umstände auf eine Stufe stellen mit dem Glück – während andere der sittlichen Trefflichkeit diesen Platz geben.
10. [...] Natürlich können wir nun weder Rind noch Pferd noch sonst ein Tier als „glücklich“ bezeichnen, denn keines kann Anteil bekommen an einem Tätigsein, wie wir es beschrieben haben. Aus demselben Grund kann auch ein Kind nicht „glücklich“ heißen, denn es ist noch gar nicht fähig in solchem Sinn zu handeln, weil es zu jung ist. Und wenn man Kinder dennoch glücklich nennt, so geschieht dies, weil man hofft. Denn wie gesagt: das Glück setzt ethische Vollkommenheit voraus und ein Vollmaß des Lebens. [...]
11. [...] Was hindert also zu sagen: Glücklich ist, wer im Sinne vollendeter Trefflichkeit tätig und dazu hinreichend mit äußeren Gütern ausgestattet ist – und zwar nicht nur in einer zufälligen Zeitspanne, sondern so lange, daß das Leben seinen Vollsinn erreicht? [...] Steht dies fest, so werden wir als glücklich jene Lebenden bezeichnen dürfen, bei denen die genannten Elemente vorhanden sind und vorhanden sein werden – wir sagten „glückliche Menschen“: der Nachdruck liegt allerdings auf „Menschen“.
Soviel über diese Probleme. Daß jedoch die Schicksale der Nachkommen und der ganzen Schar unserer Freunde auch nicht das geringste für das Glück ausmachen sollen, das zeugt von wenig Gemüt und widerspricht der üblichen Anschauung. [...] Es genügt wohl[,] im allgemeinen Umriß davon zu sprechen. Wenn nun von den persönlichen Schicksalsschlägen die einen mit drückender Wucht auf dem Leben lasten, die anderen dagegen verhältnismäßig erträglich scheinen, es genau so unterschiedlich auch bei Unglück im gesamten Freundeskreise ist, und wenn da ein Unterschied besteht, ob eine schmerzliche Erfahrung jeweils einen Lebenden oder einen Toten betrifft – ein Unterschied, viel stärker als z.B. der, ob bei Tragödienaufführungen ungesetzliche und grauenvolle Geschehnisse der eigentlichen Handlung vorausliegen oder wirklich auf die Bühne kommen -, so muß auch ein derartiger Unterschied entsprechend gewürdigt werden oder eher vielleicht noch die Tatsache, daß Zweifel darüber möglich sind, ob die Abgeschiedenen an irgendeinem Gut oder irgendeinem Übel Anteil haben können. Denn das Ergebnis dieser Überlegungen scheint zu sein: selbst wenn etwas bis zu den Toten dringt, Gutes oder das Gegenteil, so kann es, absolut genommen oder in der Beziehung auf den Toten, nur Schwaches oder Geringfügiges sein. Ist es dies aber nicht, so kann es nach Menge und Art nur so sein, daß es weder Unglück in Glück verwandeln noch einen bestehenden Glückszustand wegnehmen kann. Also: irgendeinen Einfluß auf die Abgeschiedenen scheint das Wohlergehen der Freunde, desgleichen auch deren Mißgeschick, zu haben. Art und Grad dieses Einflusses ist aber so, daß weder der Glückliche unglücklich gemacht noch irgendeine andere derartige Änderung bewirkt wird.
Mit denen nun, die das Glück als sittliche Vortrefflichkeit oder irgendeinen der sittlichen Vorzüge bezeichnen, stimmt unsere Definition überein, denn zu sittlicher Trefflichkeit gehört das Tätigsein in ihrem Sinn. Der Unterschied ist gewiß nicht klein: ob man das oberste Gut im Besitzen oder Benützen, in einem Zustand oder in aktiver Verwirklichung erkennt. Denn ein Zustand kann vorhanden sein, ohne daß etwas Wertvolles dabei herauskommt, z.B. bei einem Menschen, der schläft oder sonstwie in völliger Dumpfheit vegetiert. Beim aktiven Verwirklichen dagegen kann das nicht vorkommen, denn dies heißt: mit Notwendigkeit handeln, wertvoll handeln. Wie bei den Festspielen von Olympia nicht die den Siegerkranz erringen, die am schönsten und am stärksten aussehen, sondern die Kämpfer – denn aus ihren Reihen treten die Sieger -, so gelangen auch zu den Siegespreisen des Lebens nur die Menschen, die richtig handeln.
Deren Leben ist auch in sich selbst voll Freude. Die Freude gehört nämlich zu den seelischen Zuständen. Gegenstand der Freude aber ist für jeden das[,] wovon er „Liebhaber“ ist. Zum Beispiel ein Pferd für den Pferdeliebhaber, ein Schaustück für den Liebhaber solcher Darbietungen. Genauso gerechtes Handeln für den Freund der Gerechtigkeit, generell gesagt: sittliches Handeln für den Freund sittlicher Trefflichkeit. Für die gewöhnlichen Leute liegen die einzelnen Freuden miteinander im Streite, weil sie nicht von Natur Freuden sind. Der Freund des Edlen dagegen hat seine Freude nur an Dingen, denen der Charakter des Freudebringenden von Natur zukommt. Das ist der Fall bei den sittlich wertvollen Handlungen: sie sind daher freudevoll sowohl für die Freunde des Edlen als auch in sich. Deren Leben bedarf somit in keiner Weise der Freude wie eines Schmuckstücks zum Umhängen, sondern es hat die Befriedigung in sich selbst. Dem Gesagten ist nämlich noch beizufügen, daß von „sittlich wertvoll“ überhaupt nicht die Rede sein kann, wenn jemand keine Freude an edlem Handeln hat: niemand kann als gerecht bezeichnet werden, wenn er nicht Freude hat an gerechtem Tun, und niemand als großzügig ohne Freude an großzügigem Handeln. Und so ist es auch in den übrigen Fällen. Ist dies aber richtig, so sind sittliche Handlungen in sich freudevoll. [...]
Indes gehören zum Glück doch auch die äußeren Güter, wie wir gesagt haben. Denn es ist unmöglich, zum mindesten nicht leicht, durch edle Taten zu glänzen, wenn man über keine Hilfsmittel verfügt. Läßt sich doch vieles nur mit Hilfe von Freunden, von Geld und politischem Einfluß, also gleichsam durch Werkzeuge, erreichen. Ferner: es gibt gewisse Güter, deren Fehlen die reine Gestalt des Glückes trübt, zum Beispiel edle Geburt, prächtige Kinder, Schönheit; denn mit dem Glück des Mannes ist es schlecht bestellt, der ein ganz abstoßendes Äußeres oder eine niedrige Herkunft hat oder ganz allein im Leben steht und kinderlos ist. Noch weniger kann man von Glück sprechen, wenn jemand ganz schlechte Kinder oder Freunde besitzt oder gute durch den Tod verloren hat. Wie gesagt, gehören also zum Glück doch auch solch freundliche Umstände, weshalb denn manche die Gunst der äußeren Umstände auf eine Stufe stellen mit dem Glück – während andere der sittlichen Trefflichkeit diesen Platz geben.
10. [...] Natürlich können wir nun weder Rind noch Pferd noch sonst ein Tier als „glücklich“ bezeichnen, denn keines kann Anteil bekommen an einem Tätigsein, wie wir es beschrieben haben. Aus demselben Grund kann auch ein Kind nicht „glücklich“ heißen, denn es ist noch gar nicht fähig in solchem Sinn zu handeln, weil es zu jung ist. Und wenn man Kinder dennoch glücklich nennt, so geschieht dies, weil man hofft. Denn wie gesagt: das Glück setzt ethische Vollkommenheit voraus und ein Vollmaß des Lebens. [...]
11. [...] Was hindert also zu sagen: Glücklich ist, wer im Sinne vollendeter Trefflichkeit tätig und dazu hinreichend mit äußeren Gütern ausgestattet ist – und zwar nicht nur in einer zufälligen Zeitspanne, sondern so lange, daß das Leben seinen Vollsinn erreicht? [...] Steht dies fest, so werden wir als glücklich jene Lebenden bezeichnen dürfen, bei denen die genannten Elemente vorhanden sind und vorhanden sein werden – wir sagten „glückliche Menschen“: der Nachdruck liegt allerdings auf „Menschen“.
Soviel über diese Probleme. Daß jedoch die Schicksale der Nachkommen und der ganzen Schar unserer Freunde auch nicht das geringste für das Glück ausmachen sollen, das zeugt von wenig Gemüt und widerspricht der üblichen Anschauung. [...] Es genügt wohl[,] im allgemeinen Umriß davon zu sprechen. Wenn nun von den persönlichen Schicksalsschlägen die einen mit drückender Wucht auf dem Leben lasten, die anderen dagegen verhältnismäßig erträglich scheinen, es genau so unterschiedlich auch bei Unglück im gesamten Freundeskreise ist, und wenn da ein Unterschied besteht, ob eine schmerzliche Erfahrung jeweils einen Lebenden oder einen Toten betrifft – ein Unterschied, viel stärker als z.B. der, ob bei Tragödienaufführungen ungesetzliche und grauenvolle Geschehnisse der eigentlichen Handlung vorausliegen oder wirklich auf die Bühne kommen -, so muß auch ein derartiger Unterschied entsprechend gewürdigt werden oder eher vielleicht noch die Tatsache, daß Zweifel darüber möglich sind, ob die Abgeschiedenen an irgendeinem Gut oder irgendeinem Übel Anteil haben können. Denn das Ergebnis dieser Überlegungen scheint zu sein: selbst wenn etwas bis zu den Toten dringt, Gutes oder das Gegenteil, so kann es, absolut genommen oder in der Beziehung auf den Toten, nur Schwaches oder Geringfügiges sein. Ist es dies aber nicht, so kann es nach Menge und Art nur so sein, daß es weder Unglück in Glück verwandeln noch einen bestehenden Glückszustand wegnehmen kann. Also: irgendeinen Einfluß auf die Abgeschiedenen scheint das Wohlergehen der Freunde, desgleichen auch deren Mißgeschick, zu haben. Art und Grad dieses Einflusses ist aber so, daß weder der Glückliche unglücklich gemacht noch irgendeine andere derartige Änderung bewirkt wird.
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, auf welcher Datenbasis Du bereit bist, ein Urteil über Nichtchristen zu fällen.
Kommentar geändert am 04.04.2020 um 23:43 Uhr