Die Erwählung des 16. Kuten oder Als aus dem Lostopf immer wieder derselbe Name gezogen wurde

Essay zum Thema Mystik

von  Bluebird


Ein in Trance fallendes Staatsorakel etwa, das unseren Kanzler berät, wie es für den Dalai Lama und die tibetische Exilregierung selbstverständlich ist, wäre für uns unvorstellbar. 1
Manchen mag dieser Satz überraschen. Eine politische Regierung, die sich sich von Göttern bei ihren politischen Entscheidungen beraten lässt? Echt jetzt?
  Will man entsprechende Berichte aus berufenen Mündern - beispielsweise den des derzeitigen Dalai Lama - Ernst nehmen, so scheint dies den Tatsachen zu entsprechen.
  Es wohl so ist, dass keine wichtigen politische Entscheidung getroffen wird, bevor nicht der tibetische Schutzgott durch  den Kuten, das Staatsorakel, geredet hat.
   
Auch bei der Wahl des Kuten überlässt man nach Möglichkeit nichts dem Zufall, wie man an folgendem Beispiel sehr gut sehen kann:

Es gab verschiedene Hinweise darauf, dass Lobsang Jigme tatsächlich der von Dorje Dragden (tibetische Schutzgottheit) Auserwählte war. Und doch blieb ein gewisser Zweifel bestehen, da mehrere Personen Anzeichen einer Trance gezeigt hatten. Also ließ man das Los entscheiden. …
Es wurde eine Zeremonie abgehalten, bei der viele Mönche beteten und die Gottheit anriefen. Dann zog man einen Zettel mit einem Namen aus der Urne: Lobsang Jigme.
  Diese Zeremonie wurde nicht nur einmal, sondern mehrfach durchgeführt. Jedes Mal wurde dieser Name gezogen. Es gab keinen Zweifel mehr. 2
Natürlich ist mir klar, dass Skeptiker sofort einwenden werden, dass diese Geschichte keine Beweiskraft habe, da hier eine Manipulation der Wahl nicht ausgeschlossen werden kann. Vielleicht stand ja auf allen Zetteln ein und derselbe Name, wer weiß? Oder aber die Geschichte wurde - zwecks göttlicher Legitimierung - frei erfunden. Auch das wäre möglich.
    Gleichwohl sehe ich persönlich aber keinen Grund an der Aufrichtigkeit der maßgeblichen Mönche zu zweifeln. Dann aber läge in der Tat die Deutung sehr nahe, dass sich die Schutzgottheit sein Orakel selber ausgesucht hat, wodurch er zu reden gedachte.
  Gemäß des gegenwärtigen Dalai Lama hat dieser 16.Kuten (1944-84) in schwierigen Zeiten alles richtig vorhergesagt und lebensrettende Hinweise gegeben.

Wie nun? Möchte ich jetzt Werbung für tibetische Schutzgottheiten machen? Keineswegs!
  Aus christlicher Sicht gibt es nur einen wahren Gott. Hinter anderen Göttern verbergen sich Dämonen, wenn man 5. Mose. 32, 17 3 Ernst nehmen will. Wäre dies tatsächlich so, wäre der tibetische Buddhismus tief im Okkultismus verstrickt.
  Aber natürlich ist das nur die christliche und meine Sicht. Letztlich muss sich da jeder selber ein Urteil bilden.


Anmerkung von Bluebird:


1 aus "Dalai Lama"
2 aus" Ich bin das Orakel des Dalai Lama", S.197 + 198
3 Sie haben Geistern geopfert, die keine Gottheiten sind, Göttern, die sie nicht kannten, neuen, die vor Kurzem erst aufgekommen sind, die eure Väter nicht geehrt haben.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Willibald (09.08.21)
O Gott!
Schwer keine Satire zu schreiben auf Bluebirds Argumentationsschema. Aber ein Gott oder der Zufall schützt ihn davor, Einwände ernster zu nehmen als bis zur Schuhsohlenhöhe. Also, was solls's. Satiren auf blauvogeläugige Texte finden sich ...

 Bluebird meinte dazu am 09.08.21:
Eine Argumentation wird nicht dadurch widerlegt, dass man sich über sie lustig macht, Willibald!

 Willibald antwortete darauf am 09.08.21:
Natürlich nicht, lieber Bluebird. Aber die Gegenargumentationen, die es hier gibt, hast du mit großartigen Formeln abgetan, wenn du sie überhaupt zur Kenntnis genommen hast Satiren auf blauvogeligen Denkstil sind da offensichtlich effektiver und genauso ineffizient - bei wem wohl?

 Bluebird schrieb daraufhin am 09.08.21:
Ich bin gespannt auf "Gegenargumentationen", ob nun von dir oder anderen.

 loslosch äußerte darauf am 09.08.21:
bluebird wie immer dicht an der aktuellen lage. in den 1960er jahren soll konny bei der pythia vom rhein (madame buchela) um rat nachgesucht haben.

 Feliks Gershon Bokser (09.08.21)
Hammer! Sehr aktuell! Danke, gerne gelesen!

 Willibald (09.08.21)
Nun ja, Bluebird, da gibt es was zu deinen Themen:

a) Anfang und kosmologische Argumentation: Wenn-Sätze und das expandierende Universum

 a


b) Erbsünde und Übel in der Welt: Das Retterprogramm Gottes im christlichen Denken

 b


c) Moral als Beleg für Gottes Existenz?
 c


d) Blauauges Wunderglaube, ein bisschen ernst
 d



Kommentar geändert am 09.08.2021 um 10:46 Uhr

 Bluebird ergänzte dazu am 09.08.21:
Habe mir jetzt mal den Text d) - Balabolka sei Dank - zu Gemüte geführt. Informativ und humorvoll!
Ich sage mal Folgendes dazu: "Vieles was die katholische Kirche als göttliche Wunder deklariert hat, wäre - nach meinem Dafürhalten - eher dem dämonisch-okkulten Bereich zuzuordnen"
Und das ist wirklich nicht lustig, sondern zeugt - wiederum aus meiner Sicht - von einer erschreckenden Naivität und Inkompetenz der Prüfer.

Antwort geändert am 09.08.2021 um 14:04 Uhr

 Willibald meinte dazu am 09.08.21:
Das Schwingsesselding von Bluebird könnte insofern was recht Diabolisch-Dämonisches sein, als es Spott und Hohn Gift und Galle, Schmunzel und Rapunzel stimuliert. Und das ergießt sich alles über Gläubige und ihren Glauben. Weiss der Teufel, ja.

 DanceWith1Life (09.08.21)
Wenn man mal davon ausgeht, dass die Kirche z.B. die letzten sagen wir mal 16 Jahrhunderte, hauptsächlich dem Mammon diente, ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich Anhänger dieses christlichen Glaubens ständig durch Vergleiche mit anderen Religionen ins "rechte" Licht zu rücken versuchen.
Wir haben es also wieder mal mit einem ziemlich durchsichtigen Ablenkungsmanöver zu tun, das zwar nett und wohlwollend geschrieben, in Anbetracht der Tatsache, dass es den Leser für sehr doof hält, eigentlich unverschämt ist.

Kommentar geändert am 09.08.2021 um 13:36 Uhr

 Regina (09.08.21)
Es ist recht schwierig, zum Lamaismus Stellung zu nehmen, wenn man sich da nicht wirklich auskennt. Regierung und Religion waren jedoch auch in der Vergangenheit Europas verbunden. Die mittelalterlichen Kaiser mussten sich in Rom von der katholischen Kirche legitimieren lassen, im alten Griechenland gab es das Orakel von Delphi. Heute wird es mehr unter der Hand betrieben: Viele Stars, Wirtschaftsbosse und auch einige Politiker haben Wahrsager als Berater. Um dem Business etwas nachzuhelfen, gibt es auch Zauberer, man nennt sie jetzt Energiearbeiter.

 Bluebird meinte dazu am 09.08.21:
Ich habe Einiges zum Thema "tibetischer Buddhismus" gelesen und glaube schon verstanden zu haben, worum es da so geht. Zumal da ja nun auch wirklich keine Geheimniskrämerei betrieben wird.
Dieter Wal (58)
(17.08.21)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram