Der Löwe als Dichter

Fabel zum Thema Kunst/ Künstler/ Kitsch

von  EkkehartMittelberg

Der Löwe als Dichter
Der Löwe hatte sein Reich mit harter Pranke erfolgreich regiert, aber er wusste, dass er nicht beliebt war, weil sich seine Macht auf Furcht seiner Untertanen gründete. Er wollte sich also als Dichter beliebt machen, bevor er die Herrschaft an einen Sohn übergab. Er war aber unschlüssig, in welchem Genre er schreiben sollte. Deswegen berief er seinen Thronrat ein und fragte. „Mit welcher Textsorte kann ich als Dichter populär werden?“
Die vorwitzige Elster gab die erste Empfehlung: „Serenissimus, wählt das altehrwürdige Drama. Von dessen Erhabenheit wird etwas auf Euch als Dichter abstrahlen.“
Der Dachs wollte als besonders schlau erscheinen und sprach: „ Ich würde Euch Aphorismen empfehlen, Durchlaucht, sie eignen sich in ihrer Kürze Eure Weisheit prägnant zu zeigen.“
Die Schlange erhob wichtig ihr Haupt und zischelte schmeichelnd: „Das Volk erwartet höfische Kunst von Euch, Erhabener. Deshalb schreibt Oden auf Eure gerechte Herrschaft, um es aufzuklären.“
Der Fuchs hatte sich zurückgehalten, und nun fragte ihn der Monarch: „Was ratet Ihr mir, Meister Reineke?“ Der senkte bescheiden sein Haupt, und als er demütig aufblickte, sagte er: „Schreibt Schlagertexte auf Wein, die Liebe und Spiele. Wenn das Volk glaubt, dass der Herrscher seine Bedürfnisse teilt, ist er populär.“ „Und wo bleibt die Kunst?“, fragte der Löwe. Reineke machte eine lange Denkpause, bevor er antwortete: „Des Volkes Liebe zu erringen ist die größte Kunst.“
Es gelüstete den Löwen, die Elster, den Dachs und die Schlange zu verschlingen, aber er legte die erste Probe seiner Liebe ab, entließ sie in Gnaden und machte den Fuchs zum Lektor seiner Schlagertexte.
28. 02. 2018

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (01.03.18)
Als Fabel ein Schlag ins Gesicht der Kunst... darum sehr realistisch. Hossa!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.18:
Merci Trekan, ich bin gespannt, ob der Text noch eine andere Interpretation zulässt.
matwildast (37)
(01.03.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 01.03.18:
Danke matwildast, das freut mich.
Gerhard-W. (78)
(01.03.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Sätzer (77) schrieb daraufhin am 01.03.18:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 01.03.18:
@Gerhard_W.: Ja, danke Gerhard, diese Patriarchen tarnen sich heute als Demokraten. Die Mittel der Manipulation haben sich aber nicht wesentlich verändert.
@Sätzer: Merci, erst dachte ich: Was meint der Uwe nur mit der Mischung aus Dachs und Fuchs? Doch dann fiel der Groschen.
LG euch beiden
Ekki
Marjanna (68)
(01.03.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 01.03.18:
Grazie für das Kompliment, Marjo.
Liebe Grüße
Ekki

 TassoTuwas (01.03.18)
Ein gelungenes Beispiel dafür, dass gute Fabeln nie an Aktualität verlieren. Mit schönen Liedern verkleistern die modernen Könige dem Volk den Blick auf die Realität!
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.18:
Lieber Tasso,
die Fabel ist ja ein Kind der Aufklärung, die glaubte, man müsse das Gute nur erkennen (Lehre der Fabel) , um gut zu handeln. Heute hat diese Erzählform keine Chance mehr, wenn sie moralisiert. Man lässt sie sich nur noch mit einem ironischen Unterton gefallen.
Herzliche Grüße
Ekki
Sabira (58)
(01.03.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.18:
Vielen Dank,Sabira, dem wahren Dichter ist das Volk nicht zu gering, ihm ins Herz und aufs Maul zu schauen.
LG
Ekki

 kirchheimrunner (01.03.18)
Ja, der Text ist genial:

Wie steht es denn bei uns:
Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz als Trio - mit einem selbstgeschriebenen (natürlich nichtssagenden) Text bei European Song Contest.

Ob sie aber damit die Gunst der Bürger erwerben würden, das sei bezweifelt. Selbst deren 3 Reden und Ansprachen lassen befürchten, dass nicht einmal Schlagertext Niveau erreicht werden kann.

Da da da ... da da da ...
Da da da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha

Um so höher ist die Kunst dieser Fabel zu schätzen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.18:
Lieber kirchheimrunner,
ich stelle mir gerade die drei, trendy gekleidet, auf der Bühne von European Song Contest vor. Das ist so rührend komisch, dass man
ihnen vielleicht doch ein paar Bonuspunkte gönnt. Danke.
LG
Ekki

 GastIltis (01.03.18)
Hallo Ekki,
Märchen enden: und wenn sie nicht gestorben sind …
Wie Fabeln enden, weiß ich nicht. Deine könnte so enden:
… und seitdem hat man nie wieder etwas von ihm gehört.
Es sei denn, er hätte für Elvis, die Beatles oder … geschrieben. Ich weiß nicht, ob Schlagertexte in der heutigen Zeit noch eine Rolle spielen. Wichtiger sind doch Licht- oder Showeffekte.
Dein Text, bezogen auf die Zeit, als Fabeln noch eine Rolle spielten: super! LG von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.18:
lieber Gil,
du könntest fragen, ob Texte heute überhaupt noch eine massenwirksame Rolle spielen, eine propagandistische wohlgemerkt. Ich denke, daran wird sich trotz aller technischen Showeffekte nie etwas ändern, unter zwei Voraussetzungen: Sie müssen sich auf populäre Themen beziehen und schön einfach sein. Merci.
LG
Ekki

 Habakuk (01.03.18)
Panem et circenses! Ob der Löwe nichts vom Untergang Roms gehört hatte? Ach was red ich. Rom ist überall und zeitlos.

BG
H.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.03.18:
Danke. Ja, Habakuk, panem et circenses ist zeitlos und funktioniert immer noch oder erst recht, denn der Anteil der Unterhaltung am Gesamtprogramm der Massenmedien wird immer größer.
Dies sagt Wikipedia dazu:
"Schon zu Zeiten der römischen Republik wurde vom Senat für Bürger Roms extrem verbilligtes, teils sogar kostenloses Getreide zur Verfügung gestellt. Dies hatte den Zweck die Massen der Armen, die plebs, zumindest soweit zu versorgen, dass er keine Aufstände startete. Gleichzeitig wurden oft von vermögenden Adeligen Zirkus- und Gladiatorenspiele veranstaltet, die für jeden Bürger kostenlos besuchbar waren. Erfolgreiche Politiker wie z.B. Julius Caesar sicherten sich Stimmen bei den regelmäßigen Wahlen, indem sie einerseits große Mengen an Nahrung verschenkten und andererseits besonders prächtige und unterhaltsame Spiele veranstalteten. Dies sorgte dann dafür, dass der jeweilige Politiker gewählt wurde. Durch diese „Steuerung“ sorgten die Bürger einerseits für immer mehr Unterhaltung und kostenlose Nahrung, andererseits wurde ein Amt damit mehr oder weniger käuflich.
Heutige Bedeutung
Der Ausdruck bezeichnet auch heute noch die Strategie politischer (oder industrieller) Machthaber, das Volk mit Wahlgeschenken und eindrucksvoll inszenierten Großereignissen von wirtschaftlichen oder politischen Problemen abzulenken."
BG
Ekki

 AZU20 (02.03.18)
Ein steiler Abstieg. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.18:
Danke, Armin, der Löwe selbst wird es nicht so sehen, aber der kritische Leser braucht seine Rache ja nicht zu fürchten.
LG
Ekki

 monalisa (02.03.18)
Lieber Ekki,
gerade denke ich, dass sich manche Wahlrede wie ein schlecht vorgetragener Schlager anhört, die Füchse von Wahlkampfmanagern werden dafür auch noch Trainigsprogramme entwickeln, schwierig wirds beim Dresscode, 'Ultraleichte Kleidchen' à la Helene Fischer dürften nicht jedem/r stehen ;).
Dein Fabelkönig muss sich zwar nicht sorgen, ob er (wieder)gewählt wird, möchte sich aber die Gunst des Volkes erhalten, ob er auf der populistischen Schlagerschiene wirklich gut fährt und vor allen Dingen, wohin sie das Staatsvehikel führt, bleibt abzuwarten. Gewinner ist in jeden Fall wieder der Fuchs, erfahrene Fabelleser wundert das gar nicht :).
Hab 's gern gelesen und ein wenig schräge Assoziationen einflileßen lassen!

Liebe Grüße
mona

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.18:
Merci, Mona, dein nur scheinbar schräger Kommentar hat mich angeregt, noch einmal über die Parallelen von Schlagern und Wahlkampfreden nachzudenken: Beide versuchen den kontrollierenden Verstand zu unterlaufen und versprechen mit Wiederholungen die Erfüllung von Träumen. Ihre Wirklichkeit ist rosarot.
Liebe Grüße
Ekki

 harzgebirgler (01.08.21)
ein schlager schlägt noch immer in der welt
weit anspruchsvolleres leicht aus dem feld.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 01.08.21:
Merci, Henning,

Schlager sind halt ein Ohrenschmaus,
den Faden beißt nicht ab die Maus.

LG
Ekki
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram