Meine #SCHREIBE von vor 25 Jahren *g (das Teil überarbeite ich gerade, da ich mit einem Schreib- Finger sonst nichts auf die Reihe bringe - bitte um Nachsicht) :-)
Schundroman zum Thema Abschied
von alter79
Wie man Schriftsteller wird, oder: One Way in die Scheiße
Roman von Michael Köhn
Für Alexander ist die Kindheit gelaufen -, seine Eltern leben getrennt. Innere Leere, Schuld - und das Gefühl, einsam zu sein, füllt er mit Gedanken und Erinnerungen an seinen Zwillingsbruder Jenne, an dessen Tod er sich schuldig fühlt.
Aus diversen Sinnkrisen heraus agiert er unmittelbar, ahnt, dass mit ihm grundsätzlich etwas nicht stimmt - sieht die Zukunft verbaut, verliert die Hoffnung. Die nahende Abiturprüfung will er dennoch unbedingt hinter sich bringen, weiß andererseits aber nicht warum.
Alexander bekommt Panik, flüchtet sich in Exzesse, sucht Liebe, wird kriminell, findet sich am entscheidenden Punkt seines Lebens wieder, als er einem Freund hilft Geld für eine lebenswichtige Operation zu ’besorgen’.
Nicht erst vor Gericht erfährt er die Wahrheit über seine Familie -, den SS-Vater als Schlächter von Oradour, seine Mutter, die 1944 angeblich einen Juden versteckt hielt, für dessen Tod sie verantwortlich sein soll.
Aber das Wichtige über seinen Bruder Jenne und sich - über das Leben - entdeckt er im Schreiben. In seinem Gewissen, dass voll ist mit großen Gefühlen und schmerzlichen Niederlagen, einer Schuld, die immer mehr wird.
Eine Chance aus dem Alptraum auszusteigen ist seine Existenz in der Literatur. Mehr will er nicht, weniger geht nicht.
Erzählt wird die klassische Entwicklungsgeschichte eines Jugendlichen; erzähltechnisch in Annäherung an den Cut/Up/Stil durch Einschub 60er/70er Jahre Musik/Texte.
Wie man Schriftsteller wird, oder: One Way in die Scheiße
Roman – Autor: Michael Köhn
Exit
Die Welt ist flach, hat ein paar Bäume, liegt in Berlin, heißt Schillerpark. Auf Mutters Ansage muss ich da regelmäßig durch, weil mein Erzeuger jenseits von Eden wohnt und ich bei dem die fälligen Alimente einsacken soll.
‘one two three o'clock four o'clock rock’
Bin ich in Eden, der Bude vom Alten, einem kotz-dunklen Loch mit muffigen Sperrmüllklamotten im dritten Hinterhof - wo ganze Straßenzüge extrem nach so was wie Kohl riechen - für mich stinkt es fett nach Scheiße - gibt es immer eine Schlägerei, bis ich meine Knochen brechen höre. Ich werde total sauer, ziehe die Pistole - schieße - und töte den Tyrannen. Sein an die Wand gespritztes Blut lasse ich trocknen, kratze es ab, bringe es Mutter. - Davon können wir gut zwei Wochen essen, sagt sie jedes Mal, und ich überlege was ’gut’ bedeutet.
’five six seven o'clock eight o'clock rock’
Augenblicklich liege ich da, denke nach ohne zu denken, erkämpfe mir Fetzen von Erinnerung, resümiere mein Leben, bin irgendwie hohl. Denn je mehr ich denke verschwimmt das Gedachte in einem trüben Brei, bekomme ich Kopfschmerzen. Also lasse ich das, döse in die Zukunft, währenddessen die Gegenwart (schon wieder) im Bett über mir passiert, aus dem nach einem Schrei im hohen Bogen Samen auf den Tisch mit den Esswaren spritzt und mich krass Rot sehen lässt.
‘nine ten eleven o'clock twelve o'clock rock’
Echt, ich kann nicht anders -, springe auf, greife mir den Typen, zerre ihn aus dem Bett, drücke seine Fresse ins Linoleum, steche ihm meinen Kugelschreiber in die Hand, zerschmettere sein Gelenk, während Hirn und Blut vermischt mit Pulverrauch sich in meinem Kopf rasant im absoluten Nichts auflöst.
’we're gonna rock around the clock tonight’
Einige Minuten später blicke ich aus dem Fenster einer Einzelzelle im 4ten Obergeschoss auf das Leben in der großen Stadt, spucke Tabakkrümel, blase Rauch aus, träume von Afrika, und schreibe mich gedanklich schon mal bei der Legion ein um der Möglichkeit wegen, ein straffreies Leben in Gesetzlosigkeit zu führen.
Mutter weint jämmerlich, aber nicht meinetwegen, nein, ihr fehlt der Grund für den Hass auf den Mann, den ich vor Wochen tötete, weil der nicht mein Vater sein wolle und mich deswegen schlug.
Dennoch, für Mutters Trauer um den Kerl kann ich nichts, die ist mir auch egal, denn mein Abgang von hier steht definitiv fest -, auch wenn die Gittertür hinter mir noch einige Tage ins Schloss fallen wird, um meinen Willen am Wegschwimmen zu hindern.
‘put your glad rags on and join me hon' we'll have some fun when the clock strikes one’
Zwo
Aufgewacht bin ich heute, muss so gegen zwölf gewesen sein, weil die Arschgeigen von Nachbarn sich lautstark stritten; genau wie meine Eltern früher. Geht ewig gleich um Kohle, Fressen, Saufen - was weiß ich. Kannste einfach nicht bei pennen ... Vor allem, wenn du selber mächtig Scheiß träumst. Hielt nämlich meine Nudel in der Hand - die war wie so ne Art Riesenschlange, die mich erwürgen wollte - und ich wiederum wollte mir deswegen das Ding abreißen, oder die Eier zerquetschen, oder so. Nicht auszudenken. Zum Glück bin ich ja wach geworden. Sollte also den Nachbarn dankbar sein, oder dem, was die Welt sonst noch so zusammenhält.
’when the clock strikes twelve we'll cool off then start rocking 'round the clock again’
0ne way
„Was soll der Scheiß?“
„Wirst du schon sehen, Alex“, quietscht Frankenstein, hält die sich wie irre windende Katze am Schwanz, befiehlt, „Modi, mach – kipp das Zeug rüber!“
Modi kippt, es stinkt nach Benzin - er zieht ein Feuerzeug aus der Hosentasche und klickt Flamme.
„Ey, du Arsch“, sag ich, „wenn du sie anzündest, schneid ich dir n Ohr ab, - echt!“
Modi stockt, blickt zu Frankenstein.
„Mach schon“, nölt der, „den kleinen Wichser hab ich doch voll im Griff!“
„Na dann mach, wenn du dich traust!“, und genau als Modi zündet, stoße ich zu. Modi brüllt wie Sau, hält sich die Hand, die Katze quiekt wie Rudi Rüssel auf der Flucht, windet sich aus Frankensteins Griff und flitzt in den kleinen Park am Bahnhof.
„Bist du bescheuert?“, schreit Frankenstein und haut mir voll in die Fresse. Gut, ich sehe zwar den Schlag noch kommen, kann aber nicht ausweichen, falle - und als ich liege, hechtet der Idiot volle Pulle auf mich rauf. Nur blöd, dass ich das Messer noch in der Hand halte ...
„Beim nächsten Mal gibt es mehr als nur vierzehn Tage Jugendarrest wegen Tierquälerei“, sagt der Richter zu Modi, dessen Mutter zu den Worten des Richters irre heult.
„Und du, mein Junge“, rumpelt der Typ dann mich an, „du hast bald alle Zeit der Welt um in der Anstaltstischlerei eine Lehre zu machen.“
„Was denken Sie, Herr Richter“, antworte ich, „wie ich mich drauf freue, Tischler zu werden.“ Sehe Frankenstein auf dem Gerichtsflur hinterher, bis dessen Vater fluchend den Rolli die Treppe runter hat.
„Quiekt auf Bohnerwachs wie ne junge Katze son scheiß Rollstuhl, stimmt ’s, Frank?“, rufe ich denen nach.
‘we're gonna rock gonna rock around the clock tonight’
Präambel
Jenne lag bäuchlings über dem Rand vom Klo.
‘when I grew up and fell in love I asked my sweetheart what lies ahead - will we have rainbows day after day - here's what my sweetheart said’
Seine nackten Füße schwebten frei über dem Hocker, mit dem Oberkörper planschte er in der Schüssel. Als er begann, wie irre am ganzen Leib zu zucken, zog ich ihm den Hocker weg, sah in den Lokus, und konnte mit Staunen sehen, dass um seinen Schädel herum das Wasser schaumig aufquirlte.
Uiii, war das aufregend, - so was wollte ich auch können, und zwar sofort! Ich zerrte deshalb an seinen Haaren, schlug ihm fest mit der Faust auf den Kopf, kitzelte seine Füße, doch nichts, Jenne rührte sich nicht einen Millimeter und wollte auch mit dem blöden Prusten nicht aufhören. Also ließ ich ihn machen, denn er konnte sehr, sehr wütend werden. Fast wie ich.
Nach einer Weile waren die Sprudelblasen weg, kamen Geräusche, als wenn er Zähneputzen würde. Roch es nach Kacke. War Grunzen und Schmatzen. Röcheln. Fiel glucksend ein Kieselstein ins Becken. Erloschen alle Geräusche der Welt von den Rändern her. Blieb es still.
‘Qué será, será, whatever will be, will be…’
Als Gott fertig war, setzte ich mich unter das Waschbecken und wartete gespannt, wann Jenne mit der Spieluhr auftauchen würde.
Die Beerdigung war zwei Wochen später.
Die Uhr, deren Inneres feucht glänzte, erhielt ich als Andenken. Genau wie die Stille im Schweigen, die ich, in einem Kästchen (weiß wie Jennes Sarg, in den ich später mit ner Zirkelspitze seinen Namen einritzte, wobei Teile der Farbe absplitterten und irgendwas in braun durchkam) zusammen mit einer Locke, einem Nuckel, einem Bild, irgendwo liegen habe.
Neulich öffnete ich, ohne eigentlich zu wissen warum, den lange vergessenen Sarg. Hatte auf das Teil nachträglich ein winziges, rot leuchtendes Skelett aus einem Überraschungsei rauf geklebt -, um die braunen Risse im Weiß zu verdecken -, und eventuell verleitete mich das dazu ... War dann allerdings ziemlich angefressen weil der Plastiknuckel - durch die feuchte Uhr vermutlich - unansehnlich geworden war. Noch schlimmer, dass die Locke nach Pisse oder Schwefel stank.
Ich glaube, wäre es nicht so was wie ne Erinnerung an Jenne, ich hätte sofort den Orkus mit dem vergammelten Scheiß gefüttert.
’When I was just a little boy I asked my mother, what will I be - Will I be pretty, will I be rich … Here's what she said to me - Qué será, será, whatever will be, will be …’
Nach seinem Tod erschien mir Jenne noch eine Zeit lang in echt. Er schaffte es locker durch die Tapete, aus Wolken, Sonne, Mond, Sterne - kuschelte sich an mich, egal wo ich gerade war. Wir erzählten uns vom Tag, hielten uns an den Händen, weinten, hatten uns lieb - alles fast wie früher.
Jahre später, beim morgendlichen Blick in den Spiegel, immerhin noch ein ’gut geschlafen?’, oder so. Doch dann auch das nicht mehr. Die einstige Innigkeit schlich sich fort, wie wenn man einen Suchtzustand beendet ohne schmerzhaft unter Entzug zu leiden - und zum Abend hin habe ich sowieso nie an ihn denken wollen, hatte Angst, ihn in der Kiste unter der Erde zu sehen -, von ihm zu träumen, umgeben von Ratten, morschem Holz, - den Körper voller Würmer, Augen aus fetten weißen Maden. Solche Fantasien. Pures Grauen von Geiern und bleichen Knochen unter heißer Sonne - wie im Westernfilm. Nee -, lieber nicht! Auch nicht davon, dass alles weg war, was mal da war, - geblieben nicht mehr als Fotos: Zwillinge im Kinderwagen mit Rasseln, Luftballons, bunten Stofftieren, dabei ’gulle - gulle, - da, da, da, - die sind ja süß ...’ hören - und ähnlichen Mist.
Doch seit der Pubertät ist aber alles anders. Mein Leben hat sich gedreht.
Jenne ist wieder da, wie früher. Und ich lebe mit ihm, wie er mit mir.
So macht es auch Sinn - und bisweilen tierisch Spaß -, obwohl er oft und viel dazwischen sülzt. Ich, ob ich will oder nicht, blöde Fragen beantworten muss, weil ihm Ereignisse meiner inzwischen gelebten Zeit fehlen.
Gut, meist will ich ja auch Auskunft geben - sind eben Zwillinge und bleiben das, auch wenn Kumpels von mir, wenn ich was mit ihm quatsche, das für ne Art Selbstgespräch halten. Mich für leicht irre, betrunken, - als Drogisten einstufen - oder so. Andere‚der is n totaler Vollidiot‘ sagen. Mir egal. Dieses wie jenes, denn ich liebe Jenne. Manchmal sogar mehr als mich, ’ey, ... stimmts, Keule?’ Siehste, er hat ’Ja’ gesagt, - freut sich, dass wir locker die Gesetze allen Irdischen (heißt das aller Irdischer?) aushebeln können, wenn wir nur wollen. Spitze, oder?
0ne way plus
... was mir zu Albträumen noch einfällt, dass manche nur träumen um ihre Probleme zu bewältigen, wie sogar Paul2 meint, - und der ist echt das aller blödeste Schwein das ich kenne, - ist andererseits aber mächtig schlau, der alte Knochen, - wäre er sonst so alt geworden? Um die vierzig rum, oder was.
Ach, Mensch - Scheiße, jetzt hab ich den Rest von dem was ich noch sagen wollte vergessen. Doch halt, eins noch, wenn ich gewollt träume - kann nicht jeder, ich weiß, ich weiß - dann, um eines Tages am Grab meines Alten zu stehen und - rauf - zu - pissen! Doch dass ich das vorhabe, weiß bisher nur ich, und niemand von all den anderen Idioten, nicht mal Paul1.
Wer Paul1 ist? Nein, nicht der Papst, das ist doch Paul der VI, der ab 1963 in den goldenen Kübel schiss. Der durch sein Pillenverbot alle geschlechtsreifen Frauen zur Mutter machen wollte, oder so... Also -, na -?, denk nach, Junge -, - und - alles - klar - ? Ja - ja, schon - schon, hör ich Zwilling, - nur heute ist ’s eben noch nichts mit dem aufs Grab pinkeln, weil der alte Sack nämlich noch in echt lebt. Stimmt leider... So trödele ich am Knochenplatz vorbei, heißt übrigens ’Golgatha Gnaden’, der uns alle mal schluckt (wo Jenne, Oma und Opa schon liegen), will hin zur Eckkneipe, saufen spielen. Doch nur nicht drängeln, Ruhe, keine Eile - es bleibt noch Zeit. Klar, hast ja Recht, ich bin wie oft zu früh. Kann also durch den Park, auch, um zwischen den Büschen in Ruhe meine Geschäft zu machen, denn um vier soll’s ja in der Kneipe erst losgehen, und bis dahin ist im Laden dunkel tuten und die Rollladen dicht.
Im Moment hab ich Little Richards ‘He got what he wanted’ auf den Ohren, bin mittelgut drauf, bis auf den Kater, n bisschen Druck aufm Arsch, von wegen gestern der ’Stoni’, leiere den Songtext mit, und freue mich fast, denn heute ist nicht nur Saufen angesagt, sondern auch Samstag. Ja, echt, Samstag - Junge! Und morgen ist schulfrei! Also, alles easy, beruhige dich, lass diese scheiß Gedanken an deinen Alten stecken -, denk nicht an die trotteligen Nachbarn, die Schule, denn Rita, die Wirtin vom ’Schillereck’, der Kneipe, in der Samstagnachmittag ein paar Kumpels und ich immer flippern, feiert heut Geburtstag - und es wird bestimmt super – ganz bestimmt! Ist nämlich so, wenn einer der Idioten feiert, ist für die anderen Ärsche für zwei Riesen ’frei saufen’ drin. Yeah, ich sag’s dir! Und bei Ritas Feier heute sogar für drei -, weil die nämlich die Wirtin der Stampe ist, wie ich schon erzählte. Oder etwa nicht? Oki, für die ganz Blöden noch mal: ’Schillereck’ is ne Kneipe wie von früher. Ne Destille alten Stils mit Soleier im Hungerturm, Hackepeterbrötchen, saure Gurken, selbst gemachte Bouletten, mit gelb gerauchten Zillebildern an den Wänden, zwei Frommsautomaten auf dem Klo, alles in einem altmodischen Flair, das einer Kneipe unverwechselbaren Charakter aufdrückt, wenn du weißt, Söhnchen.
Fragt mich zwar keiner nach, nicht mal du, - aber ich glaub, das Loch Rita wird dreißig. Doch wer weiß das bei Frauen schon so genau. Ich nicht. Kenn Ritas Dose gar nicht. ...Bisher! -, bisher - nicht!, muss ich nachschieben, weil ich manchmal drauf wichse, mir vorstelle sie zu bumsen - und ihn ihr irgendwann mal auch in Natur reindrücke. Echt!
Ey, glaub mir! - es wird so sein! - denn ähnlich ging’s mit Mücke los, ich war da gerade mal dreizehn, sie zwei Jährchen älter - und die fing an wie ein Weltmeister, war jedenfalls besser wie wichsen. Außerdem schrie die dabei: ‘Tor, Tor, Tor!’, oder so ähnlich, und ich musste ihr den Mund zu halten, war voll peinlich, ey. Doch egal, ist vorbei. Andererseits bin schon mal neugierig, wie’s in Ritas Loch so zugeht, und was die so zum Besten gibt dabei; na du weißt schon. Ich kann’s ja auch ruhig sagen: Vor Mücke hatte ich nur von meiner Mutter den Unterwäschekatalog mit den halbnackten Weibern drin. Danach Dr. Sommers geile Ratschläge in der Bravo - sonst nix, außer meiner Hoffnung und diesen feuchten Träumen. Also, viel echt ficken war da bisher nicht ... und ich denke, es ist damit, wie wenn du einen Ball trittst, du bestimmst das Ziel, doch der Ball rollt dahin, wo er hin will. Und das ist die ganze Scheiße, in so ’m Alter - wie ich jetzt bin.
’Junge, komm bald wieder’, jodelt Freddy in meine Gedanken ums Bumsen, Mückes Torschreierei, Ritas Loch - und das tote Kaninchen, das nun direkt vor der Kneipentür liegt. Und ich frag mich, warum bloß immer ich, weshalb diese blöden Assoziationen immer mir, bin ich krank, oder einfach nur bescheuert? Nee, weil du ständig geil und sowieso Tierfreund bist, - du Idiot.
Klar, stimmt, ich zahl schon seit der Grundschule n Monatsbeitrag von eins fünfzig an das Tierheim Lankwitz, und denke immer öfter ans Vögeln, an tausend Muschis, und seit vorgestern jede halbe Sekunde an Ritas Loch.
...Mensch, wenn die was ahnt...!
Weißt du, ich mag so Viecher - und will nicht, dass die kaputt gehen oder leiden, deswegen habe ich auch eben dem kranken Kaninchen mit den Basedowaugen den Rest gegeben.
Ein Schlag mit der Handkante ins Genick, wie’s mein Opa bei seinen Stallhasen immer machte, das war’s. Und das mit Ritas Möse wird auch schon noch, außerdem muss die erst mal das blöde Kaninchen wegräumen, sonst fällt noch irgendeiner der anderen Idioten auf die Schnauze. Egal -, denk jetzt was anderes, - denk, dass so ’n eigentlich idiotischer Ehrentag von Geburtstag zu unserer Truppe passt wie n Arsch auf den Eimer, schon wegen Freibier saufen. ...genau, Mann, frei kommt immer prima...
Und auch klar, dass noch ne Menge anderer Schlucker deswegen da sind. Die stören allerdings auf Dauer durch ihre Brüllen und irres Trallala immens die Spielkonzentration. Jedenfalls meine... Auch muss man den kostenlosen Suff bei so viel Mitbewerbern ratz - fatz schlucken, sonst ist der verdunstet, ehe man echt was von hat. Und dann, Mann, kurz drauf, ist auch noch die Toilettenbude knöchelhoch voll gepisst, so dass man schon von der Klotür aus direkt ins Becken treffen muss, um nicht in eigenen und fremden Pissscheiß zu treten. Jedenfalls treffe ich auf so ’ne Entfernung überhaupt nicht rein. Bin ich Artist? Eher Clown, wenn überhaupt. Und das Dilemma war schon voriges Jahr so. Vor’n paar Tagen, als ich Geburtstag hatte, kam die Scheiße schon unter der Klotür durch nach vorn gelaufen... Lag an Ritas Boulettenfraß mit Katzenfleischeinlage, oder so, denk ich. Und morgen wird sie das säuische Kaninchen verarbeiten. Ich kotz mal jetzt schon!
„Der Kartoffelsalat hat n winzig kleinen Stich, Kinder“, sagt sie (immer), „also Vorsicht!“ Ich glaub ja, sie hat sich vorher den Finger in die Möse gesteckt und dann umgerührt. Na ja, nicht übel, n bisschen Fisch dabei.
Paul2 hat sich dann ne Stunde später prompt in die Hose geschissen, weil das Klo laufend von all den anderen Idioten besetzt war. Echt, die müssen da übereinander gestanden haben - und alle kamen mit feuchten Schuhen in die Schankstube, bis Rita das Scheißhaus abgesperrt hat und alle zum Pissen rüber in den Park schickte. Mann, der olle Schiller wird sich gefreut haben, der gammelt da vier Meter hoch auf einem Podest rum und sieht alles, wenn er will, der alte Räuber... Der soll ja auch mächtig geschluckt haben, sagt man. Und mit den Weibern lief auch so einiges -, ich sag nur eins: Werther ... Mann! Schiller? Ach nee, war ja Goethe. Scheiße! Wissen aber nur wenige. Ja, Junge, durch eigene Blödheit muss man ’so oder so’ durch. ’So oder so’, - wie auch immer, war übrigens n Spruch meines Paukers; ’der liebe’ Gott habe ihn selig. Ich finde es ist so n richtig blöder Spruch mit ’so oder so’ und ’durchmüssen’, oder? Besonders, wenn so viel geschissen und gepisst wird wie bei Bouletten fressen und Freibier saufen mit Kartoffelsalat an Muschiduft.
Shit, meine Flipperpartner Klaus und Hans kommen heut nicht, wie eben einer in meine Richtung grölt - und dabei das V Zeichen macht. Ich gebe dem kleinen Arschloch dafür ein rundes spritziges Doppeldoppelarschloch Re. Der hat’s echt verdient.
„ ...und ab dafür, du dumme Sau...“, brülle ich...
Doch es stimmt, was der grölt, Rumpelklausi liegt im Krankenhaus. Hat n Bänderriss vom Fußballspielen mit der Kneipenmannschaft gestern.
Alle waren hackedicht, wie ich auf Nachfrage höre, - wie sollten die auch sonst spielen? - und Hansschwanz ist auf Entzug, hat deswegen Kneipenverbot.
„Hat seine Alte ihm gestern vor allen Leuten verordnet, als sie ihn gegen Mitternacht abholte“, weiß, 3., Rita, das Geburtstagsloch.
„Mann, war die Elke sauer“, erzählt sie weiter, „so hab ich die noch nie gesehen, wo er doch lediglich Mücke eben mal so zum Spaß über die Titten geleckt hat, wie immer um zwölfe, wenn Alfred zum Tagesausklang die Nationalhymne spielt.“
’Jailhouse Rock’ bringt Elvis gerade - und die Kneipe rockt mit.
Mir steht der Ast, weil ich in echt Ritas Loch rieche -, wie ich mich zu ihr vorbeuge.
„Stimmt!“, kicke ich in die Sardellendünste rein, und spiel mir dabei an den Nüssen, „mal sehen, wie lange Hansi sich an Elkes Gebot hält...“, ziehe mein weißes Zahnpastagrinsen zu Fats Dominos ’Blueberry Hill’ nach, denn ich weiß, wie das wirkt, behauptet Mücke; gerade die nun wieder...
„Muss er ja..., sie hat ihm sonst mit Trennung gedroht!“
„Na und“, sag ich mitten in Perry Comos ’Mandolins in the Moonlight’ rein und lecke mir über die Lippen, damit sie ahnt, dass er mir steht, „die haben sich mindestens schon vier - fünf Mal getrennt - und Elke hat ihn jedes Mal wieder rein gelassen.“
„Meinst du überall?“, macht Rita auf Humor, statt ihrerseits auf geil.
„Genau. Hinten und vorne...“, grinse ich gewollt anzüglich.
„So eine Sau.“
„Wen meinst du?“
„Elke und Hans - und vor allem natürlich dich, du blöder Taschenwichser!“
Scheiße! Ich glaube, Ritaloch weiß, dass ich sie Loch getauft habe.
Is aber eigentlich auch nix bei, sie so zu nennen, weil sie eins ist..., und Rudi auch schon mal an das Teil ran durfte, wie er neulich auf’m Klo prahlte. Und wenn ich’s mir überlege, notgeil wie ich immer bin, warum nicht heute mal ich?
’In the Getto’ dröhnt, dann ’Love me tender’.
Der Gerhard Wendland Fan von gestern scheint zum Glück tot zu sein, amüsier ich mich. Und Rita ist auch weg.
Mir schwillt darauf der Ständer etwas ab.
Pff, - mir eigentlich wurscht, was Rita über Hansi und dessen stockfischige Elke behauptet, weil es schließlich stimmt, was ich weiß ...; außerdem hab ich die selber schon mal zu Pat Boones ’Love letters in the Sand’ im Park geknepert.
Ey, die kannste aber echt vergessen, die hat so was von ner verdorrten Möse, da ist der staubtrockene Jahrhundertjuli 69 (was ne geile Zahl, oder?) ein Ozean gegen; oder war das der echt abartige Juli, wo die Homos nackt über ’n Kudamm tanzten?
Auch piepe -, immerhin ist Bernd zum Flippern da, und mit meiner Wenigkeit, wie mein Vater treffsicher über sich als Idioten immer sagt, sind wir ein gutes Team.
Aber echt, ’Wenigkeit’ ist genau wie ’Wichsgriffel’ und vieles Blöde mehr nur ’ne zum Auskotzen geborene Worthülse meines Alten. Andererseits geht es mir schon ohne an die Scheißausdrücke meines Vaters zu denken mies genug, - mindestens. Und das 24 Stunden am Stück - täglich!
Hör auf damit, gifte ich mich deswegen an: hör - ja - auf - damit - diese scheiß - blöden - Gedanken - zu - denken, - du - saublöder - geiler - Idiot – du!
„Sie sind Hypochonder“, ist die ebenso verblödete Meinung von meinem behandelnden Arzt über mich.
Der tastet mich dazu ab, drückt hier und da und fragt, ob es weh tut. Echt, dieses Megaarschloch von Doktor denkt wirklich mich als saufenden Spinner abtun zu können. Und der kommt mir dabei vor wie mein Alter; wie dieser Idiot in mir, der sein Sohn ist.
Scheiße - ey!, komm endlich zu dir!
Nee! Das geht nicht einfach so weil, in meinem Schädel knallt immer noch ungebremst fett der Kater von gestern rum. Wackeln die Puddingbeine der Tage zuvor im Tangoschritt bis zu den Hüften hoch, ohne dass ich die unter Kontrolle krieg. Wie denn auch?
Und als wenn das alles nicht reicht, rummst mein Herzschlag satt bis in die Schalltüten ran. Ich glaub, so is’ Liebeskummer! - und das seit meiner Pubertät! Doch weswegen?
All diese Scheiße in mir knackt gegen den metallisch klopfenden Puls an -, gegen die vorgestern beim Arzt gemessenen 110 in Ruhe. Dagegen soll ich Tabletten fressen - dann wieder hin. Aber ich will nicht... und geh doch.
„Sie sind...“
„Ich weiß“, sag ich, „Hypochonder, Herr Doktor.“
Ey, was n Arschloch. Und zusätzlich zu Allem frag ich mich - und möchte es endlich mal wirklich genau wissen, wo der hohe Blutdruck herkommt: 190 zu 135. All das frage ich mich in letzter Zeit mindestens stündlich oder so. Auch so Fragen warum und wie die Pumpleistung meines Herzens den über hohen Blutdruck mit plötzlichem Druckverlust foppt, dass ich ab und an auf dem Hintern liege (...doch nicht nur da, Keule). Dazu meine ewig gierende Raucherlunge. Und fast genau unten irgendwo drin, arschtief hinten im Darm, trifft seit Tagen der frisch ausgespülte Lungenteer und all der andere Scheiß ungebremst auf das Penicillin eines fast überstandenen stinkigen Windtrippers... Das heißt, wenn ich kräftig huste, und das muss ich schon ganz früh morgens - kommt wohl von der Schleimhautreizung vom Rauchen und Saufen - kacke ich mir gnadenlos in die Hose, wenn ich nicht schon vorher hab kotzen müssen. Aber vielleicht ist das auch ne Fehldenke - und alles ist andersherum?
Ach was, das Ganze Universum ist ein Kunstfehler vom Doc, meine ich, - dass ich die ersten Stunden des Tages gezwungenermaßen auf dem Klo lebe. Doch immerhin ist das n besseres Niveau als mit’m alten Idioten von Pauker um acht morgens im ’Im Frühtau zu Berge’ zu singen ..., kurz vorm Abi. Der alte Sack spinnt doch total.
Sollte mit dem auch gleich den 100jährigen Arzt wechseln. Der kennt mich nämlich bis in die kleinste Arschfalte und wenn’s in die Vollen geht, lässt der sich von mir auch immer weniger was vorlügen -, das abgezockte, alte Affengesicht. Wirklich, alte Leute sind zum Kotzen. Nicht nur, dass die alles besser wissen wollen, die stinken.
Doch scheiß drauf, glaub mir, beim Aufzählen meiner eigenen Wehwehchen bin ich längst nicht durch. Wenn ich zum Beispiel an meinen Vater..., weswegen erzähl ich dir später - ich sag nur andeutungsweise, dass er meine Mutter beklaut hat, fremd fickt, und so - dann bekomme ich eine solche Wut, dass mir regelmäßig mehr als das Messer in der Tasche aufgeht...
’Tutti Frutti’! grölt Little Richard dazwischen. Wie soll man sich da...
Fingerübungen.
„Bei mir zu Hause steht ein Piano ...“, sagt sie.
Und der Irrsinn beginnt von vorn.
Den Rest schreibe ich in mein Journal.
Schreibe Vanessa ins Journal.
Alexander.
Wir.
Liebe...
Mit drei Ausrufezeichen davor und dahinter.
Vanessa hat mir neulich mit Blut ein Veilchen auf den Umschlagdeckel vom Journal gemalt. Mit Samen meinen Namen. Ein Kreuz auf die Stirn geritzt, - dabei ist ihr der Fingernagel abgebrochen. Ein scheußlicher Ton. Zur Strafe hat sie sich mit meinem Blut ihren Liebessaft aufgefüllt.
„Eines Tages trinke ich dich leer... Alexander ...“
So weiß ich endlich wieder wie ich heiße.
Werde wegen Vanessa, Alexander und dem blutigen Veilchen auf meinem Journal jeglichem Regen aus dem Wege gehen.
Nun -, ich bleibe ein Versuch im Wissen um mich.
Den Therapeut macht das zufrieden.
Mich fast auch.
... was ist schon Glück allein...
Ne Frage der Ärztin: „ ...gefällt Ihnen das Leben so?“
„Nee“, sagt Frank, mein Bettnachbar.
Ey, was ne knappe Antwort für nen satten Kaputtbefund.
Frank quakt laufend was wie Pille Palle. Ist 17. Süchtig. ’H’.
Augen stumpf, farblos. Fresse bleich. Ist durch und durch mager, irgendwie krank. Starres Glotzen. Zucken. Ist leicht reizbar.
N ’Drifter’, der sich mit kleinen Tricks aus der täglichen Scheiße zieht, - auch hier. Ging am Bahnhof Zoo anschaffen.
... immer am Rand der Ekelgrenze: Schwanz im Hintern. Arsch am Maul. Lecken, lutschen, ficken, Kohle ziehen. Stoff kaufen. Schuss in die tausendmal vernarbten Venen. Abdröhnen. Pennen. Waschen, - kurzes Ausruhen aufm Bahnhofsklo. Anschaffen.
Ey, der ist echt n Treibholz der Stadt, n Arsch im Strudel seiner selbst. Schiebt gerad n kurzen Affen auf langem Weg.
Zittert, schwitzt, kotzt, weint, schwört, hat echt die Krätze, - bettelt um scheiß ’Schore’, - quatscht mich laufend von der Seite an.
‘Don't hang around and let your problems surround you there are movie shows … downtown - maybe you know some little places to go to where they never close … downtown’
„Ey, Alexander, du, Alter, hör ma - ich, - ich kann auf Bestellung furzen!“
„Echt?“
„Klar - , mein Vater war schließlich Kunstfurzer, - und ich hab’s von ihm geerbt.“
„Was furzte der denn so?“
„Mozarts kleine Nachtmusik.“
„Und du?“
„Über Berge und Höhen - kann ich besonders gut.“
„Kenne ich nicht!“
„Soll ich mal ...“
„Ja, mach.“
„Du, Alex, Alter, hör ma - ich, - ich kann auf Bestellung scheißen!“
„OK, dann scheiß mal Mozarts kleine Nachtmusik!“
„Warte bis nach dem Abendbrot, dass geht nur mit vollem Darm.“
„OK ...!“
So ist es nun mal -, man scheißt nur aus vollem Darm gut.
Dem entgegen ist hier nichts voll -, bleibt alles leer. Denn hier lebt man ausschließlich die wachen Momente der Vergangenheit, die der schlafenden Fantasien. Hier existiert man in hoch dosierter Psychopharmaka der Sorte Haldol, Tavor und Valium - minimal. Hier werden aus brüllenden Löwen und reißenden Hyänen Stubentiger für den Sofarand des Augenblicks geformt. Aber es wird nichts für die Zeit danach erreicht, sondern alles für die Stunde ’Jetzt’, - das mit nem Stempel auf Stirnen: Achtung, Gutachter!
Auch wird im Supermarkt der kaputten Gefühle ohne Gewähr geredet, gesungen - und versprochen. Es wird gebastelt, werden Eisen geschmiedet, die keine sind. Suppen gekocht, die nicht nähren. Hilflosigkeit in Köpfe gepflanzt, deren Hirne schon vor Zeiten verdorrt sind. Es wird Papier zu Asche und bleibt Papier, nur anders, - das dann, in die Gegend gestreut, alles grau färbt - erst - dann schwarz. Dieses schwarztote Dasein, das in den Friedhöfen des Lebens Brunnen vergiftet, Fressen und Beziehungen. Es ist das, was Feige aus uns allen macht - und Mutige in den Tod befiehlt, Opfer gebiert, Täter ermuntert. Und das alles von diesen unlustigen Klempnern der Seelen - mit Instrumenten der Psychoanalyse, - ausgeführt von unbeholfenen Anwendern in Schlaghosen.
... vergib ihnen nie, Herr, denn die wissen, was sie tun -, wollen aber nicht tun, was sie können.
... lass deren Mitwisser sterben - wie die Opfer ihre Täter, denn was könnte man denen sonst ’Gutes’ tun?
„Ey, Frank, du musst aufhören hier alles voll zu scheißen, sonst kommst du nie in den Garten!“
„Du meinst den Paradiesgarten - da, wo nur Draht drum rum ist. Wo man durch die Maschen richtige Menschen sehen kann. Kinder? Wo es nach Achselschweiß, Arsch und Möse riecht - und Betten zum Auslüften aus den Fenstern hängen?“
„Genau!“
„Da, wo der bescheuerte Muli am Zaun steht und sich täglich die Pfeife blutig wichst?“
„Genau da!“
„Ja -, da will ich auch hin, ...was muss ich dafür tun?“
„Ich werde es dir sagen. Doch zu erst musst du aufhören, überall hin zu scheißen. Kompri?“
„Ja!“
* Zitat
Unterscheidung zwischen realem Gehirn und kognitiver Welt.
"Der reale Organismus besitzt ein Gehirn, das eine kognitive Welt erzeugt, eine Wirklichkeit, die aus Welt, Körper und Subjekt besteht, und zwar in der Weise, dass dieses Subjekt sich diese Welt und diesen Körper zuordnet. Dieses kognitive Subjekt ist natürlich nicht der Schöpfer der kognitiven Welt, dieser Schöpfer ist das reale Gehirn, es ist vielmehr eine Art 'Objekt' der Wahrnehmung, es erfährt und erleidet Wahrnehmung. Das reale Gehirn ist in der kognitiven Welt eben so wenig gegeben wie die Realität selbst und der reale Organismus." (zit. nach Schmidt - Konstruktivismus)
... ich bin geboren, um zu sterben ... bin wie du...
Bernd besucht mich.
„Wie geht’s?“
„Gut, - ey, leck mal an der Briefmarke ..., mach ...“
„Was soll das denn?“
„Nicht fragen, lecken ...!“
„ ...crazy wie immer“, sabbert er - leckt.
„Schmeckt nach nix!“
„Der Geschmack kommt noch. Lass uns in den Park gehen.“
Erreiche mit ihm die Bank mit Müh und Not, - Bernd schon halb tot, irgendwie.
„Was n mit mir los?“
„Siehst du Farben?“
„Nee - es riecht nach Eiter... Fäulnis ... Bier ... Mir ist schlecht!“
Dann kotzt er, brüllt dabei, „grüß Gott, du alte Mülltonne!“
Geht über den Fluss in den Hafen. Pinkelt auf die Entenattrappe am Teich. Hat die erste Stufe genommen. Vergisst das Ende der Kindheit, empfindet ein Gefühl von Unendlichkeit und gegenwärtiger Zukunft.
Liegt im Bauch seiner Mutter. Ist über den Jordan. Hol über, Fährmann.
Ist ein Kind mit trotzig aufgeworfenen Lippen. Ein Federstrich von Mädchen in durchquatschten Abendstunden unterm Schillerdenkmal. Ein Aufreißer in blauen Nächten. Eine Phimose auf der Schlachtbank des Chirurgen; der Mann ohne Vorhaut, wie er mir anvertraut - und deswegen ständig geil, heult er. Ewig im Essig. Dauernd im Mehl. Ein unruhiger Arsch in Senfsoße.
„Mann -, es juckt schon wieder!“
Rupft sich Büschel von Haar aus. Rotzt sich in die Hand. Schmiert sich Speichel ins Gesicht. Teerfarbenen Ausfluss. Kommt in ein gleißendes Licht. Fällt um wie tot - und aus seinem Halsloch fließt rot das Leben raus.
Rot! Ich kann es sehen; schreibe auf, wie Mohnblumen platzen. Diesen irren Knall einer explodierenden Fruchtblase, die einen eklig weißen Schleim gebiert. Aber ich schreibe. Unbeirrt. Immer wieder - schreibe - wie der Torero sich um den Stier dreht. Vom Horn getroffen stirbt. Berichte über Spaziergänge im mannshohen Gras. Steige über lauernde Löwen. Hungrige Bären. Falle aus der Zeit in einem Gespräch mit Jenne. Beschreibe ihm den Untergang der Oberschicht. Den modrigen Rotz über die Lügen hundertjähriger Talare. Liege platt wie ein toter Schweinswal auf einer Sandbank vor Sylt. Gleichgültig alternativ. Ruhelos aber heißblütig. Alles eine einzige Katastrophe.
„Bernd?“
Er stolpert mir in die Arme -, die Rebellenjahre hängen ihm faserig aus dem Knickohr.
„Ey, - Gänseblümchen...“
„Du bist doch selber vollkommen high, du blöder Russe!“
„Keine Panik, Hippie, - ich bringe dich zum Ausgang.“
„Nur bis zum Ortsschild vom Dorf ...“
„Yepp! Genau das -, und nicht einen Schritt weiter.“
‘When you're alone and life is making you lonely you can always go … downtown - when you've got worries all the noise and the hurry seems to help I know … downtown’
Mit Vanessa zueinander gedreht, ausgestreckt, von einer fremden Kraft aufeinander gelegt, die Kleider vom Leib im hüfthohem Gras Ende August - wo noch Sommer ist - in blauen Nächten, das Havelwasser dunkelgrün blüht, ich ein Gefühl von Liebe, dass die Brust schmerzt, ein tief greifender Moment über Stunden, dass alles echt ist und wahrhaftig, Zeit, die nie spurlos verschwinden wird, - die im Zurückdenken nicht kitschig und peinlich sein wird, die mehr als ein Punkt auf fettem Klee ist und bleibt, gefühlsreiche Sprachlosigkeit...
‘Any woman he wants he'll get - he will break any heart without regret - so he strikes like - Thunderball’
„Was für ein zu Hause!”, bin ich begeistert.
‘This dream is for you - so pay the price’
... echt mehr, als nur ein Steinhaufen - dieses Haus.
Ein Traum -, ein stolzes Geschöpf mit Seele, das in Wellen gegen den Himmel ansteht, dessen schwarzer Blick in ein reglos dunkles Blau geht. Ein Refugium mit unterschiedlichen Höhen. Und ich sage dir, in mir erhebst du dich an die zweitausend Meter und darüber.
‘You Only Live Twice or so it seems’
... du, jetzt noch höre ich dich von Liebe flüstern.
Heiß wie der Wind, der vom Fluss herüber weht, streichen deine Worte über meine Haut, dringen in mein Herz, erobern meine Seele, - fühle ich den Widerstand der Luft gegen den der Erde, zeigst du mir deine einzigartige Welt, die immer wieder durch mich hindurch gleitet. Und genau da will ich bleiben, den Drachen meiner Sehnsucht steigen lassen.
‘And love is a stranger who'll beckon you on’
Ein Luftstrom wird ihn emporheben, trägt ihn bis über die höchsten Berggipfel, wird ihn zur Sonne geleiten, dann wieder hinab, - denn du bist mir unendliches Dasein, bist meine Welt.
So erlebe ich dich als wogende Verdichtung, die in der Luft ständig ihr Aussehen verändert. Bin dabei, tief in dich einzutauchen - um in dir zu zergehen. Lust zu finden, Raserei, indem unsere rhythmischen Brandungen an die Hänge der Gebirge stoßen, sich dort im Nebel auflösen. Von dem unbeirrt steigen wir strahlend auf - bis unsere Zeit jenseits der Ebene verglüht. Vergangen die Leidenschaft, schwarz und schön, kalter Lava gleich, die ich heiß, rot und zündend sicherlich nie mehr so erfahren werde.
‘One life for yourself and one for your dreams’
... Wüste.
Regellos gemustert mit kleinen Flecken von braunem Dornengestrüpp an Windungen von ausgetrockneten Flussläufen. Dunkelgrüne Kakteen umsäumt sind Wälder aus Sand, in denen Herden von Ziegen weiden, - weit hinten Löwe, Giraffe, Nashorn. Und ich weiß auch, es lässt sich mit dieser Erkenntnis leichter sterben als sonst. In einer Zeit, als die Kondensstreifen das Licht der untergehenden Sonne schon längst über alle Horizonte zerstreut haben, stehe ich mit dir, Vanessa, letztmalig am Ufer des Flusses, um Abschied zu nehmen.
‘Don't think of the danger or the stranger is gone - this dream is for you - so pay the price - make one dream come true - you only live twice’
... ich bin bei ihr, in ihrem Haus, bin bis zum Wahnsinn verliebt, verlasse sie aber - trotzdem -, denn mein Wochenendurlaub ist passé.
Bin auf dem Weg zurück zu Herrn Dr. Meyer, als wenn ich schwul wäre -, ein Lebensproblem lebe, mir einen Arm, Bein, Kopf, den Arsch neu annähen lassen will - retour in dieses bescheuerte Irrenhaus.
Wahnsinn... Echt. Denn mir fehlt nichts, - nicht mal der eben beschworene Wahnsinn. Trotzdem will Meyer mich therapieren, - und ich habe Ja gesagt, wer weiß warum - ich jedenfalls nicht - und der gibt mir diese einmalige Chance, sagt er, in Zukunft ohne Alk zu leben.
... vom LSD weiß er nicht, - oder will nicht wissen. Da geht’s ihm wie mir.
Ist voll OK scheiße, ey...
‘We have all the time in the world - time enough for life to unfold’
Vanessa muss nach Brasilien, Rio, ihr fast geschiedener Mann lebt da, soll was Finanzielles geregelt werden.
„Wie lange?“
„Zwei, drei Wochen...“
„Du wirst mir fehlen!“
„Du mir, Liebster...“
‘When the moon is in the seventh house - and Jupiter aligns with Mars
- then peace will guide the planet and love will steer the stars - this is the dawning of the Age - of Aquarius …’
Kein Jenseits ist, - kein Auferstehen ... niederknien auf St. Golgatha Gnaden.
Mutters Grab besuch ich.
Die liegt in mitten Millionen Altertümern der Zeit. Zwischen einem an steifen Armen hängenden Jesus aus grauem Sandstein. Flankiert von der heiligen Jungfrau Maria auf unheimlich schwarzem Marmorsockel. Alles nahe - und unweit der dutzend verstorbenen Pfarrer. Jene mit protzigem Goldkreuz auf geschätzten zwei Meter Höhe, unmittelbar neben der Kapelle.
Weißt ja, wenn du von der Holländerstraße kommst, scharf rechts rein.
Ey, bei Jenne, Opa und Oma sei für Mutters Pott kein Platz gewesen, hör ich gestern vom Bestatter.
...was n?, - kein Platz für n bisschen Asche in ner Blumenvase?
Keine Möglichkeit im Schoß der Familie den ewigen Schlaf zu schlafen ... Was sagt denn dein Herz dazu, Bruder?, der Verstand?
Jenne legt gelbe Rosen ab. Ich rote.
Werfen drei Bund welker Tulpen auf den Kompost.
Und, weil ich es mir aussuchen kann, lege ich mich zum alten Gemüse auf n Haufen. Wühle mich zwischen was wie Lorbeerkränze toter Boxer, die ihre letzten Siege längst hinter sich haben.
Und genau deshalb ist es auch so friedlich hier.
Kein Krieg, kein Kampf, kein Gesabbel, - alle Motoren aus.
Echt, ey, - ist n himmlisch stilles Fleckchen. Lediglich der Wind -, ein ganz feiner, leiser, sabbelt mit warmem Einschub dazwischen. Bewegt sanft Ahorn, Linde, Eiche, reichlich Tanne. Pustet in blaue Himmel, tanzt um weiße Wolken. Ein unsichtbarer Specht tockt regelmäßig.
Ich erkenne seinen Rhythmus, halte mir die Ohren zu ...
Auf dem Rücken n Engel mit silbernen Flügeln, steigt krächzend ein Rabe Richtung Süden auf, verschwindet im weißen Dunst einer startenden Air France Maschine des nahen Flughafens.
Ey, ich weiß, wo der landen wird. Sind nämlich von hier zu Ritas Kneipe nur um die 5000 m Luftlinie, - ist also in 20 Minuten da.
Könnte ich auch.
„Thomas ...“, sag ich zu meinem Begleiter, der n cooler Bewacher ist - der auf einer Holzbank im Schatten der Sonne sitzt, augenscheinlich fest pennt, „ ... ey, du, Thomas, Alter, - kannste mir ma helfen, die Urne meiner Mutter auszubuddeln und die Asche bei Jenne einzustreuen?“
„Junge“, sagt der, „ ...ich geh in n paar Tagen in Rente, - dann kannste ja noch ma alleine herkommen ...“
„Hast Recht, Tommi, - lass uns lieber n Bier trinken gehen.“
„Ne gute Idee!“
Genau in diese geile Illusion hinein springt der König der Tiere - eben noch auf nem Grab eines preußischen Offiziers wachend, der sich vom Invalidenfriedhof verirrt haben muss - aus kapitaler Höhe herab, macht vor mir Männchen, verdreht dramatisch seine Augen, die Halbmeter lange Zunge staubtrocken, „ ...schon OK“, sag ich, „kannst ja mitkommen, - denk aber dran, Rita schenkt Berliner Kindl aus, kein Löwenbräu ...!“
„Gut, dann nehm ich eben ne Flasche.“
Und wieder bin ich Axt, das gefrorene Meer - kein Auferstehen - nirgendwo, nicht im Jenseits, hier, wohin wir einst Hand in Hand gingen, - treibe ich durch die Zeit, ein Fremder in der Fremde, zahle den Preis ... als mir ein fetter Überschallknall was an Rost aus dem Hirn pustet.
„Diese Russen -, die Schweine“, ist Tommi sauer, „da wird einem ja das Ohrenschmalz hart ...“
„MIG 17“, sag ich, „ die Schrottmühlen der NVA schmeckt man schon über Meilen ...“
Sehe Mutter mit frisch gewaschenem Haar, Seidenkleid, Pumps Louis XV, einem über die Schulter geworfenen Blueberry Love Kaschmirschal, als hätte sie nichts anderes getan, als diese edlen Teile hundert Jahre spazieren zu tragen, - darauf wartend, dass ihr Held sie auf Händen trägt, - in einem weißen Rolls Royce Silver Shadow Cabriolet an die Côte d'Azur entführt.
Setze einen Doppelpunkt ins Journal der Unwirklichkeiten - überschreibe mein schmerzhaftes Leergefühl, das Fehlen von Mutter, die mir nicht mal Jenne rüberbringen kann, mit Jugendstil.
Sie nennen mich Christuskalb.
Dachte zuerst, ich hätte mir wehgetan. Waren ein paar Blutstropfen an der Schulter. Doch nichts -, erst ne halbe Stunde später färbten sich ganze Hautpartien rot. Sammelte sich Blut in den Augenhöhlen. Perlte schließlich überall hellroter Saft hervor. Lief aus dem Darm, - mein Kot tiefrot, vermute ich.
Das war im Sommer des vergangenen Tages. Dann konnte ich nicht mehr aufstehen. Und das Rätsel ging Hügel für Hügel weiter. Station für Station. Patient für Patient. Fast wie auf dem Zauberberg.
... die einzige Erkenntnis dazu: In allen Fällen ist Leber und Rückenmark schwer geschädigt, zu einer geleeartigen Masse degeneriert. Genau das macht Angst. Schürt Aberglaube und Irrwitz. Wachsende Spekulationen, die, als Vermutungen getarnt, landauf, landab eilen, von Bett zu Bett hasten.
Frage: liegt es am Essen, dem Soja- Reiskuchen aus Argentinien?
Kommt es von den Strahlen des Sputnik.
!... nein, es ist die Blauzungenkrankheit ...!
Oder eine Heimsuchung -, eine Strafe Gottes...?
Die Tat der Heiligen Jungfrau, um uns zum Herrn zu führen?
Ich höre die ersten Betroffenen schon winseln: Gnade...
Die brechen tatsächlich auf, wandeln zur Schwarzen Madonna des demütigen Herrn, salben sich mit Nivea Creme: Gnade!
Ey, ist Gnade überhaupt zu erwarten?
Oder fliegt man lieber zum Mond, pflanzt dort einen Apfelbaum.
No way, nichts hilft, alles leidet weiter.
„Wenn du siehst, wie sie elendig draufgehen, gehst du weg, denn du bist machtlos, - und das hält man auf Dauer echt nicht aus ...!“, wispern die Co-Alkoholiker selbstmitleidig. Doch ich hab’s gehört ... da könnt ihr flüstern wie ihr wollt.
Ein anderer - der das sagt - ich enttarne hinter vorgehaltener Hand Dr. Meyer als Hauptschuldigen - der steht mit gesenktem Haupt hinter dem Gebäude mit dem weißen Kunststoffdach, unter dem die kranken Seelen im Schutz vor Regen die ersten Wochen und Monate ihres Hier sein verbringen, weil: Der schnell helfende Impfstoff gegen diese Krankheit, genannt reine Liebe, ist noch weitestgehend unerforschtes Terrain, aber es wird. Und bekanntlich stirbt die Hoffnung - erst wenn alle tot sind, sozusagen, sagt Meyer noch. Und er könne bei Leberschäden sowieso nichts tun, wolle auch nicht, Punkt!, denn viele * verbluten innerlich - und das ist vielleicht erst ne Riesensauerei.
Als er das sagt, glaube ich hinter dem Wort viele und vor dem Wort verbluten das Wort *Tiere gehört zu haben...
Echt?
Tiere?
Ja!
Tiere!
Ein widerliches Schwein - der.
Deshalb werde jeder mit Leberschaden in unabsehbarer Zeit auf Bio Essen und Nicht Trinken umgestellt, führt er weiter aus. Manchmal gehe dem vorweg eine null Promille Bluttransfusion. Bis zu zweieinhalb Liter.
Hilft aber nur kurzzeitig.
Oder eben Homöopathie, Regulierung des Säure- Basenhaushalts, bestimmt Meyer, - seufzt, „ ...ach, ich weiß einfach nicht mehr weiter ...“, denn schließlich wären ihm die Patienten nicht nur Erwerbsquelle, er hänge ohnehin an ihnen wie Sau.
Eins noch: Auch die klinische Forschung ist längst auf der Suche nach einem Heilmittel.
Berichtet wird zum Beispiel von einem Kalb namens Waldemar, das Blutblasen an der Nase und am Ellenbogenhöcker habe; doch schon nach der ersten Gabe vom verdünnten Gift der gepunkteten Froschklapperschlange sei es Waldemar viel besser gegangen. Nun trinkt er wieder - fröhlich - sitzt bei Rita - und ist der lebende Beweis, dass es auch anders gehen kann.