fallen raben in den graben?
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von alter79
Beim ersten Mal da tut’s noch weh’
Ich möchte mich nicht messen lassen müssen. Allein, das Messen: Lassen: Müssen: - Krank! Vollkommen krank. Und weit am Asperger vorbei. Ich möchte auch nicht in Turbomanier über meinen Roman berichten. Müssen. Nicht in drei Sätzen mein Leben offen legen. Darüber hinaus noch in einem Video. Nein. Meine Fresse! Nicht mal im Stehen. Ich möchte nicht. Und ich bitte das zu respektieren. Und höre es schon. Höre ihn entrüstet. Schnaufen. Kennt das jemand? Entrüstet schnaufen? Von wegen Respekt. Schnaufen: „Respekt, mein Junge, muss man sich verdienen!“ Na bitte. Und wie? - Nein. Ich möchte mich nicht. Messen: Lassen: Müssen! Einzig durch Widerstand. Dann wäre ich dabei. Nur – Munk – der will eben genau das nicht. Der kommt mir wieder und wieder mit dem Messen: Lassen: Müssen! Gut, ich habe ihn in letzter Zeit vernachlässigt. Die Arbeit am Tagebuch. Weißt schon. „Nix“, sagt Munk. „Nichts (gegenüber einem andern) von Ihrer Seite aus [nun auch]
weiß ich!“ Immerhin schreibe ICH dein Tagebuch. Aber ohne mich, sage ich lahm; kann man überhaupt lahm sagen ohne an den Fußballspieler zu denken? - frage ich lahm. „Ohne mich wärst du nichts, Munk. Denn ICH bin der Asperger!“ Und was meinst du, wer ich bin, kontert der. „Was meinst du?“ Mal ehrlich? Ehrlich? „Ich meine, dass du Lahm bist, der Fußballspieler – und von Autisten keine Ahnung hast, Alter!“
„Siehst du“, sagt er. Und plätschert dabei munter wie die Spree im Frühling. „SehenSieAsperger“, korrigiert er sich, „dahabenwirunsdocheinenschönenTherapieansatzerarbeitet. Und nun gib mal die Trompete her!“ Und da weiß ich’s wieder, bin erneut fest davon überzeugt: ’Der Mann ist ein Vollidiot!’ Ein Mensch im weißen Kittel, der überhaupt nichts weiß. Munk. Ein Schauspieler, der einen Arzt in einem Irrenhaus spielt. Lediglich der Titel der TV- Serie fällt mir nicht ein. Doch seine Visage. Seine Visage kommt mir bekannt vor. Immerhin - ich weiß Hilfe. Denn oft gebraucht, wie neu, steckt das schwarze Tuch um den Spiegel abzudecken in der Fuge hinter dem Waschtisch. „Wenn Sie das tun, Asperger“, brüllt Munk mich mit Speichel im Blick an, „sind wir geschieden Leute!“ Und? Habe ich es nicht eben gesagt, - Speichel im Blick: Der Mann ist ein kompletter Idiot! „Außerdem haben Sie überhaupt keinen Asperger, Jimmi - Sie heißen nur so. In Wahrheit sind Sie BIPOLAR! Was? „BIPOLAR!“ Das hat was von Eisbär, denke ich. Greife zur Zahnbürste und ermorde den Spiegel mit einem Hieb. „Hören Sie auf, Jimmi“, fleht Munk, „bitte! Sie sind doch Schauspieler wie ich.“
„Und?“
„Wir könnten doch mal zusammen.“
„Hören Sie, Munk. Ich bin Schauspieler und kein Schmierenkomödiant. Ich habe schon mit Brecht. Und Weigel. Tabori. Zadek. Wer zählt die Namen, nennt die Länder. Den Galileo Galilei. Den Puck. Auch Theseus: ’Dein Vater sollte wie ein Gott für dich sein!’. Richard den III: ’Dass Hunde bellen, hink’ ich wo vorbei.’ Die ganze Palette Klassiker. Wer, Munk, sind Sie denn schon dagegen. Was? Nein. Sie kommen bei mir überhaupt nicht vor!“
’Doch mit der Zeit so peu a peu gewöhnt man sich daran’
Ein unmögliches Ende von Liebe. Ob es ein Heilmittel gegen den Schmerz gibt, weiß ich nicht. Es ist mir auch egal. Denn sollte es eins geben, beträfe es nicht meine Art von Schmerz. Da bin ich sicher. Weil nämlich mein Schmerz Erinnerung heißt. - Wenn ich mir die alten Geschichten erzähle. Von der Jugend. Der großen Liebe. Von längst gestorbener Zeit. Die, von der jüngeren Erinnerung. Über meine Auflösung als Ich. Einzig die Liebe wird nicht enden. Nie. Dazu war zu viel Leben. War ich überall. Hals über Kopf dabei. Wie man so sagt. Jedenfalls steht das so in meinen Notizbüchern. Wie die Absichten und Wünsche. Die Entscheidungen. Falsch oder nicht. Die ich getroffen habe. Die andere Leute für mich trafen. Gute und schlechte. Mit denen ich längere oder kürzere Zeit verbracht habe. Mit dir. Mit dir. Und mit dir da auch. Als Liebe inklusive Arbeit. Heiraten. Kinder zeugen. Eine Familie ernähren. Alles komplex und vorhersehbar. Doch vollkommen gegen meine Bestimmung. Denke ich jetzt. Wo ich alt bin. Von Doktor M. gefangen gehalten werde. Ihm zu Fuß sitze. In seinem Schreibkeller. In den Tagebüchern. Zu finden in Teilen seines Romans ’Ich – Autist’. In knapper Sprache. Fast gefühllos in ihrer Klarheit. Dem abgehackten Rhythmus. Wenn der mich beschreibt. Und ich dich. Du. Mein Schöne. Für die ich mein Leben gegeben hätte. Quatsch. Für die ich mein Leben gegeben habe! In den letzten Tagen immer wieder. Weil du gestorben bist. Und das ohne mein Wissen. Ohne meine Erlaubnis. Und so unspektakulär. Dabei hätte ich dich gerne zu Tode gevögelt. Und mich gleich mit. Auf der Höhe der Lust verglühen. Oder ähnlicher Mist. Immer dann, wenn die Party irre tobte. Egal wo die stattfand. Ob auf dem Küchentisch. Im Fahrstuhl. In einem Taxi. Auf der Autobahn bei 180 Sachen. Wenn es einem in dieser unbeschreiblichen Sekunde kommt. Dann! Was heißt schon in Vorwürfen versinken. Es war einfach so. Denn du konntest nicht. Die OP hat dich verstümmelt. Und mich gleich mit. Und so war es dann. Das Gefühl verlassen zu sein, obwohl du da warst. In immer neuen Wendungen. In Versuchen von Anläufen. Doch es ging nicht. Nichts ging. Und damit wurde das Glück dünner. Die Freude, dich zu haben. Die wechselte zu Wut. Und ohne mein Zutun zu Hass. Auf das Leben. Hass. Der ab da nie müde wurde. Der mich aus dem Haus trieb, um in Bars und Hurenhäusern Satisfaktion zu finden. Um mich in den Arrestzellen der Polizei zu sammeln. Neu zu schichten. Um erneut zur Maschine Mensch zu werden. Eine selbstquälerische Reflexion zum Krieg im eigenen Haus. Weit an allen Gesetzen vorbei. Der Flüchtigkeit des Daseins bewusst. Ihrer Fragilität. Ja. Denn zwischen uns wurde es zu etwas. Traurigem. Hoffnungslosen. Eine pessimistische Brille. Die das Schöne fern hält. Dafür die Verzweiflung anzieht. Immer mit der Frage war es das? Und irgendwann war’s das dann auch. Doch du und ich, wir gingen weiter. Trotzdem. Und gerade deswegen. Du da lang. Ich nach dort. Der ich fünf Buchseiten weiter an deinem Grab weine. Um mich herum Eis klare Luft. Die du so gemocht hast. In die hinein du ein letztes Mal tief Atem geholt hast. Und ich als voll getroffener Nerv mit der Frage allein - was zum Teufel ich hier ohne dich noch zu suchen habe? Wenn du verstehst, was mir eine Leerstelle bedeutet ...
Therapiestunde die ERSTE: Von deutschem Boden darf nie wieder leere Langeweile ...
„Wenn ich ihn höher hänge, fällt er steifer!“ Ist Karli überzeugt.
An den Grenzen meiner Tage rollen Panzer endlos lang.
Stürzen Drohnen. Fallen Schüsse. Gellen Schreie. Strömt das Blut.
„Ich habe mir eine Lebenskarte gezeichnet - um den rechten Weg zu finden“, jauchzt Ulla.
Und im Inneren meines Seins sticht ein Messer. Mir direkt ins Herz hinein. Und so wird - wo heute noch eins ist - morgen keins mehr sein.