Ich bin ein freundlicher Mörder; ich habe Asperger! (Romanausschnitte)

Text zum Thema Abgrund

von  alter79

Schnucki ... ma n Euro? - Hicks. Glitzernd die Silbermähne. Und ich weg. Auf und ... Halt! Bleiben sie dran. Nur eine kurze Werbeunterbrechung. Ein Spot nur! Und der zeigt eine Menge an Schaum. Bunte Blubberblasen. Im Kameraschwenk dann: Porno. Nippel. Penis. Vagina. Geschlechtsverkehr ohne Gummi - auf dem Klo. Weit in der Tiefe. Großflächig am Boden. Überall Sperma auf den Fliesen. Kein Jugendschutz im Raum. Szene: Not safe for work! Während am Handy der Goldzähler rattert. Blutdruck 195/110. Puls 165. Badewanne. Kurvenreiches Volumen. Shampoo. Im Geschlechtsakt mit dem Gold vereint. Klappe. Ich wie Rumpelstilzchen persönlich. This Spot was presented to you by definierte Statur. Passende Beine. Road to darkness. Meine Lieblingswerbung. Tell me: is this love? Das Krächzen eines Raben?


Der Junge ist eben anders, höre ich.

Wie? --- Anders? - Muss ich mich dafür entschuldigen Mutter?


Der ist ein Vollidiot, spotten Nachbarn; besonders die an der linken Hand verkrüppelte Frau Müller aus dem ersten Obergeschoss unter uns; mit dem wie irre kläffenden Hund.


Ständig unaufmerksam ist der. Sagt die Grundschullehrerin, als wäre ich nicht da. Und er sieht nur aus dem Fenster. Legastheniker auch noch. Diagnostiziert der Schularzt. Sonderschule. Steht in einer Verfügung. Und dass ein hoher IQ nur hinderlich sei.

--- ? ---


Haben Sie mal seine Zeichnungen gesehen? Fragt der Psychologe den Anstaltsleiter. Wenn es so in seinem Kopf aussieht - na dann gute Nacht.

Das Monstrum hat meinen Sohn geschlagen und... Der gehört weggesperrt!

Und alle meinen mich: Jimmi Asperger: Beruf Schauspieler. Leitspruch: Wo ICH bin, ist auch ICH drin!


Ich stehe an der Ecke vom Weg zur Straße, wo sich vom Wald drüben die Luft mit modrigem Geruch aus Unterholz und Klärgrube mengt. Dazu vom Anstaltsgarten Blumen duften. Schmetterlinge flattern. Hummeln summen. Vögel zwitschern. Ab und an aus weiter Ferne ein Auto zu hören ist. Und ich bin sicher, es ist der beste Platz der Erde für Zecken, Bremsen, Mücken. Und auch eine Ecke, um an den Viechern unbemerkt zu sterben. Sich lautlos zu Tode zu kratzen.

Ey. Die Idee finde ich einfach grandios. - Man sagt zudem, ich sei auf den Tag XY Jahre alt und dass es Zeit sei für ausreichend Bremsen-, Mückenstiche, Zeckenbisse; den Sturz in die Jauchegrube gegenüber: Krepier doch endlich! ...my nice obstruction... Schon klar!


Kaum vor der Anstaltstür, klingelt das Handy. Eigentlich ein scheiß Teil. Jedenfalls für mich.

Halt! - Stopp! Ohne ist nicht! Sagt er. Minuten zuvor. - Kein Tagesausgang ohne Handy.
Wer - sagt das?
Ich, sagt er. ICH trage schließlich die Verantwortung!
Wofür?
Für Sie. Für alles, was Sie da draußen tun werden.
Sie?
Ja!
Und ich?
Sie auch. Sagt er.
Und wohl deswegen klingelt das Handy.
Doch ich kann nicht. Ich gehe nicht ran. Es sind meine Arme. Mein Geist. Meine Seele. Die sich den Fichten vor der Anstaltspforte ergeben. Deren Rauschen. Wenn der Wind die Wipfel biegt. Äste gegeneinander reiben. Baumstämme knarren. Jede einzelne Nadel mich anspricht. Von denen ich welche vom Boden aufklaube, um die mir in den Mund zu stecken. In das Handyklingeln. Zwei oder Drei hinunterschlucke. Mit dem Klingeln. Fluch der Karibik hat Doktor Munk mit der Frage wollen Sie das? aufgespielt. Was liegt sonst an? Spiel mir das Lied vom Tod. Ist eine Testfrage, Doktor, - oder was? Also - Fluch der Karibik? Bitte schön. Und wohl deswegen klingelt das Handy so nervig. - Eventuell wäre Spiel mir das Lied vom Tod doch besser. Oder nicht?
Hallo, sage ich.
Junge. Höre ich. Du wolltest dich doch melden!
Junge? Kenne ich nicht.
Junge. Sagt sie. Und dann höre ich weinen. Sag doch was
Sie sind verkehrt verbunden, sage ich.
Nicht auflegen, fleht die Stimme. Ich bin deine Mutter.
Wessen Mutter?
Die von Franz!
Ach, die von Franz. Ach so Das hätten Sie aber gleich sagen können.
Und? Ist er zu sprechen?
Der Franz?
Ja.
Moment. Ich muss dazu in den Unterlagen nachschlagen.
Ja, bitte.
Und Tatsache. In den Unterlagen steht Jimmi Franz! - JIMMI FRANZ BRUNO!
Jimmi Franz Bruno, sage ich der Frau.
Stimmt, sagt die. Ich bin die Mutter von Franz.
Ach Sie sind das Ich dachte schon es wäre Doktor Munk. - Sagen Sie, kennen Sie eigentlich den Fluch der Karibik?
Hast du denn deine Medikamente auch genommen, Junge?
Das Lied vom Tod wäre doch wohl besser gewesen. Oder, - was meinen Sie?

Es ist kalt. Ist März. Schon wieder. Dessen ungeachtet sitze ich ihrer Wohnung gegenüber im Auto. Warte noch zwei, drei Minuten, als sie das Haus verlässt. Steige dann aus. Gehe über die Straße. Den Schlüssel zu ihrer Wohnung in der Hand. Den Baseballschläger unter der Jacke. Niemand sieht mich. Glaube ich. In der Wohnung inspiziere ich, ob sich etwas verändert hat. Nein. Alles wie gehabt. - Beginne im Bad. Mit dem Spiegel. Es reicht ein Schlag. Totalschaden. Fege mit einem Wischer die Kosmetika von der Ablage. Trete auf Tuben. Bürsten. Kämme. Fläschchen. Springe hoch. Kicke gegen das Toilettenbecken. Schlage wuchtig drauf. Wasser spritzt. Überraschung! Denn schon unter einem eher mittelmäßigen Hieb platzt das Handwaschbecken wie dünnes Glas. Schlage es in Sekunden bis auf Bruchstücke aus der Verankerung. Der Duschwand reicht leichtes an tippen. Deren Glas zerfällt wie Eisblumen in der Sonne. Für die Küche hole ich den Feuerlöscher aus dem Flur. Sie hatte schon immer ein abstruses Sicherheitsdenken. Und nach dem Kühlschrankinhalt reicht der Schaum noch locker für tausend Gewürze. Die unteren Küchenschranktüren trete ich mit der Fußspitze ein. Für die oberen nehme ich den Schläger frontal. Es fühlt sich süß an - als würde ich sie zum letzten Mal küssen, als ein Honigglas zersplittert und mir einige Tropfen auf die Lippen gelangen. Egal, befehle ich meine Gedanken in die nächste Aufgabe. Egal! Und ab in den Wohnbereich. Minka hockt dort unter dem Tischtuch. Ihre Katze. Sieht mich. Miaut. Laut. Noch im Wagen stellte ich mir vor, sie an den Hinterbeinen zu packen und mit dem Schädel an die Wand zu schlagen. Doch schon bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht. Wie auch jetzt. Ich locke sie an. Mietz. Mietz. Öffne das Fenster und... Ziehe mein Butterfly, zerschneide die Polstermöbel. Die Bilder an den Wänden. Kippe ohne Mühe den Schrank um. Schlage darauf ein. Reiße das Telefonkabel aus der Wand. Werfe den Fernseher gegen die Wand. Zerlege im kleinen Zimmer nebenan mit einem Rundumschlag den Rechner samt Bildschirm. Die drei Rohrsessel. Zwei Korbstühle. Zertrete Kassetten und Disketten. Ihre Sammlung Schallplatten. Das Regal. Schiebe mit dem Fuß ihre Bücher zu einem Haufen. Einige Zeitschriften. Greife nach den Streichhölzern. Zünde die an. Hole mir im Schlafzimmer den bedruckten Seidenschal aus der unteren Schublade links. War sowieso meiner. Fetze die Tagesdecke und das Bettzeug runter. Auch das brennt nicht schlecht. Wie ihre Klamotten. Benötige für den Schlafzimmerschrank keine zwei Minuten. Geht schneller als ich dachte. Höre Sirenen jaulen. Egal. Was ist schon Zeit! Cruise zum Abschluss durch die Wohnung, die nun von fast allen Erinnerungen geräumt scheint. Zertrümmere dabei überall die Deckenleuchten. Gehe im Flur in die Hocke. Sehe wie erwartet das Urteil mit Aufschrift Amtsgericht bla-bla-bla im Briefschlitz. Doch das brauche ich nicht. Habe ein eigenes. Weiß auch, wo die Richterin wohnt. Die Rechtsanwältin. Eltern. Ihre jubelnden Freundinnen. Ihr strahlender Geliebter. Den als Nächsten. Schiebe den Baseballschläger unter die Jacke. Gehe über die Straße. Ist immer noch März. Wie all die Jahre zuvor. Steige in den Wagen. Kalt ist es. Kalt. März - Mann! Der April soll besser werden. Höre ich im Radio. Übertönt vom Horn der Feuerwehr. Polizei. Gebe Gas. Bin weg. Ihr Geruch im Auto. Join me in death.




Anmerkung von alter79:

Als Schreiber bin ich SURREALIST. Zitat ""Merkmale des Surrealismus: Epoche der Kunstgeschichte Seit Beginn des letzten Jahrhunderts wird die geistige Bewegung der Lebenskunst und der Lebenshaltung, die sich gegen traditionelle Normen äußert, als Surrealismus bezeichnet. Siegmund Freuds Psychoanalyse beeinflusste die Entstehung des Surrealismus im Jahr 1921. Die Künstler dieser Epoche glaubten nicht an die sichtbare Wirklichkeit, sondern sie wollten in ihren Werken eine „Überwirklichkeit“ darstellen.

Quelle:  https://freie-referate.de/kunst/merkmale-des-surrealismus

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (21.08.22, 11:23)
Nur Surrealisten können den Abgrund so perfekt beschreiben.

LG
Ekki

 alter79 meinte dazu am 22.08.22 um 08:33:
danke für den gedanken, lieber Ekki  - ich werde dranbleiben  
hrzl.
79
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