Alle 1.502 Textkommentarantworten von TrekanBelluvitsh

01.04.24 - Diskussionsbeitrag zum Text  Wie der russische Geheimdienst Geständnisse produziert von  Graeculus: "Zunächst einmal finde ich, dass man Joachim Fest nicht sorglos zitieren sollte. Denn - Achtung! Persönliche Meinung: - er persönlich hat die Erforschung des Nationalsozialismus durch seinen Klüngel mit Speer großen Schaden zugefügt und sie womöglich um 10 Jahre zurückgeworfen. Der Nationalsozialismus war auch eine besonders extreme Spielart des Faschismus (Gegenüber dem italienischen Faschismus hat der sowjetische Bolschewismus z.B. gar keinen besonderen Vorsprung). Ich würde stark in Zweifel stellen, dass er von der sowjetischen Vorgehensweise etwas lernen musste. Gewalterfahrungen gab es in Deutschland genug und auch faschisitoide Vordenker wie Heinrich Claß, die schon im Kaiserreich aktiv und bekannt waren. Es ist eben kein Zufall das viele spätere nationalsozialistische Führungspersonen bzw. welche aus dem ihnen nahestehenden völkischen Bewegung und national-konservativen Kreisen gegen Ende des Kaiserreichs sozialisiert wurden. Ich würde auch Solschenizyn widersprechen bzw. seine hier von dir zitierte Aussage erweitern wollen. Das bolschewistische Herrschaftssystem konnte durchaus auf Erfahrungen mit einem Lagersystem zurückgreifen. Das Reich der Zaren war nicht viel besser. Diverse Feliks Dzierżyńskis gab es auch schon vor 1917. Der Unterschied zum Zarenreich und er Sowjetunion war in meinen Augen eher die Erwartungshaltung. Die Revolution versprach das Gewaltregime der Zaren zu beenden. Stattdessen ersetzte es einen Unterdrückungsapparat durch einen anderen. So blieb den Revolutionären wie allen Menschen in der SU nur drei Möglichkeiten: a.) Sich anpassen, b.) Der Verfolgung anheim fallen, c.) verzweifeln."

02.04.24 - Diskussionsbeitrag zum Text  Wie der russische Geheimdienst Geständnisse produziert von  Graeculus: "Ich würde bestimmte Verhör- und Foltermethoden und --taktiken nicht als Indiz dafür heranziehen, dass das eine System etwas vom anderen gelernt hat Denn die Menschen, die diese erdacht oder kopiert haben, sind in der Regel ja nicht diejenigen, die über das Lagersystem an sich entschieden haben, schon gar nicht, ob ein Staat darauf zurückgreift oder nicht. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass man bestimmte Foltermethoden auch schon in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Handschriften und Pamphleten findet. Darum ist der Herzog von Dingsbums, der so etwas anordnete kein Vorbild für Faschismus oder Bolschewistisch gewesen. Man könnte z.B, auch umgekehrt behaupten, die Sowjets hätten von den Deutschen gelernt, nämlich von den deutschen Konzentrationslagern im heutigen Namibia vor dem Ersten Weltkrieg. Das wirkliche Problem ist, dass eine solche Annahme wie von Fest, die Besonderheit des Nationalsozialismus relativiert. Und es gibt ganz klare Besonderheiten. Ich möchte nur zwei Beispiele nennen: 1.) Im Zweiten Weltkrieg (bis Ende 1944) wurden - je nach Schätzung - zwischen 13 - 15 Millionen Fremd- und Zwangsarbeiter nach Deutschland verbracht, in den allermeisten Fällen gezwungenermaßen. Dies Zahl kommt noch auf die KZ-Häftlinge drauf. Das führte z.B. dazu, dass im Jahre 1944 49% der in der Landwirtschaft Beschäftigten in Deutschland Fremd- und Zwangsarbeiter waren. Richtig "in Schwung" kamen diese Verbrechen erst nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion. Der Großteil der Menschen, die ihm zum Opfer fielen, wurde also in gut 3 1/2 Jahren verschleppt. Zum Vergleich: 13- 15 Millionen Menschen ist die Zahl, die von Historikern heute geschätzt wird, wenn es um den von Europäern und ansässigen Führungsschichten betriebenen Sklavenhandel zwischen Afrika und Amerika geht. Und dies geschah in Jahrhunderten(!). 2.) Die Sicht auf Shoa und die Konzentrationslager an sich werden heute von zwei Orten/Namen dominiert: Auschwitz und Dachau. Das "Problem" dabei ist, dass beides auch Arbeitslager waren. Hier starben Millionen. Da gibt es nichts zu relativieren. Zwangsarbeiter gab es in jenen Lagern aber auch, zusammen mit den entsprechenden Produktionsplätzen. Man schätzt z.B. das ca. 50% der Arbeitsleistung im deutschen Panzerbau während des Krieges von Zwangs- und Fremdarbeitern erbracht wurde (wenn auch weniger in der der Endfertigung). Es gab also Überlebende, die berichten konnten. Will man jedoch die Besonderheit des von Deutschen begangenen Genozides verstehen, sollte man sich vier andere Namen ins Gedächtnis rufen: Belzec, Sobibor, Treblinka und mit ihnen die "Aktion Reinhard". Diese Lager in Polen, errichtet im Rahmen der "Aktion Reinhard", waren reine Vernichtungslager. Hierhin wurden ALLE Menschen gebracht, um ermordet zu werden. Es gab keine Selektion. Und im Gegensatz zu Auschwitz und Dachau waren sie auch nie als Dauereinrichtungen gedacht (Die Existenzvon Auschwitz und Dachau wurde ja nur der Kriegsverlauf beendete.) Sobibor, Treblinka und Belzec wurden 1942 aufgebaut und 1943 geschlossen und alles, was an sie erinnerte, wurde dem Erdboden gleich gemacht. In unserer Erinnerungskultur kommen diese Orte nicht vor, denn a) da ist nichts mehr und b) es gab keine Menschen, die davon erzählen konnten (Lagerinsassen) oder wollten (Lagerpersonal). Ich könnte noch mehr Beispiele anführen. Aber ich hoffe, es ist klar, was ich sagen will: Bei aller mörderischer Wirklichkeit des Sowjetsystems, fehlte ihm und den mit diesen Verfolgungen beauftragten Institutionen der absolute Wille zur Vernichtung. Der Holdomor nahm die Vernichtung von Menschen in Kauf zugunsten der Industrialisierung der SU. Das bedeutet nicht, dass er nicht mörderisch war, oder das den Menschen, die die entsprechenden Anweisungen gaben, das Leid von Millionen gleichgültig war, oder sie ihre seltsamen Visionen rücksichtslos verfolgten. Auf breiter Basis sucht man jedoch einen solchen systemimmanenten, exterminatorischen Willen in der SU wie in vielen Unrechtsstaaten vergebens - mit Ausnahme von Deutschland in den Jahren 1933 - 1945."

03.04.24 - Diskussionsbeitrag zum Text  Wie der russische Geheimdienst Geständnisse produziert von  Graeculus: "Ich wollte dir überhaupt nicht unterstellen, dass du die NS-Zeit relativieren willst. Dafür a) kenne ich dich zu gut und b) sind weder du noch ich nicht dumm genug. Was die Aufarbeitung angeht, stimme ich dir zu. Als Deutscher kennt man die Unzulänglichkeiten bei der Aufarbeitung der NS-Zeit in unserem Land (BRD und DDR) nur zu gut. Und dennoch ist gerade jene Aufarbeitung im internationalen Vergleich vorbildlich. So hat man z.B. in den USA nach dem Bürgerkrieg die Schwarzen fast 100 Jahre lang aus der Geschichte "entfernt", oder in Japan weigern sich weite Teile der Gesellschaft bis heute anzuerkennen, dass Massaker von Nanking 1937 überhaupt stattfand. In der SU gab es das nie. Das ist auch nicht erstaunlich, weil es die Institution - NKWD bzw. KGB - immer noch gab. [Kleine Anmerkung: Bis heute wird der KGB zuweilen immer noch "Geheimdienst" genannt. Das ist falsch. Der KGB war eine politische Polizei, die sich eine nachrichtendienstliche Abteilung unterhielt.] Zum anderen arbeitete der NKWD/KGB ja nicht im luftleeren Raum. Die politische Struktur über ihm existierte ja unverändert. Ein auch nur ein wenig offener Diskurs hätte die Machteliten in der SU gefährdet, weil ihre Verantwortung offen gelegt. Darum hieß die Entstalinisierung ja auch Entstalinisierung. Es war alles Stalins Schuld. Und der war schon tot. Da hatte die KPdSU noch mal Glück gehabt. Noch ein Wort, das mir wichtig ist: Du verweist ja völlig zurecht auf das heutige Russland und willst aufzeigen, dass seine faschistischen Strukturen auch historisch bedingt sind, bzw. eine Folge mangelnder historischer Aufarbeitung sind. Dem stimme ich zu. Es ist mir jedoch wichtig auf etwas hinzuweisen: Es ist NICHT Putins Russland. Es ist Russland. Ein politisches System kann sich nicht halten, wenn es nicht die Zustimmung weiter Teile der Gesellschaft findet und andere Teile sich mit ihm arrangiert haben Es ist auch nicht so, dass alle Russen*innen Angst vor einer Zeit ohne Putin haben. (Obwohl das ein Faktor ist.) Viele Russen profitieren von dem aktuellen System und sind darum seine Unterstützer. Sie haben gar kein Interesse daran, am politischen System etwas zu ändern. Diejenigen, die das wollen, sind in der Minderheit. Ironischerweise sind es gerade Kritiker*innen aus dem Westen am modernen Russland, die das alte Bild von Russland/der Sowjetunion (zumeist ungewollt) ab und zu wieder hervorholen: Der Riese auf tönernen Füßen. Zerschlägt man diese Füße, fällt der Riese. Ich bin der Überzeugung, dass dies nicht passieren wird. Putins Herrschaftssystem ist fest in der Gesellschaft verankert. Es würde auch eine Niederlage in der Ukraine überstehen. (Was nicht heißt, dass diese innenpolitisch folgenlos bleiben würde. Vor allem für jene, die Putin als "Feinde der Heimat" darstellt.) Es ist halt nicht so, wie viele nach der Wende annahmen, dass die Demokratie sich ob ihrer Vorteile automatisch durchsetzt. Und "Wandel durch Handel" ist eine noch größere Schimäre gewesen. Das war schon immer nur das argumentatorische Feigenblatt, um mit jedem noch so korrupten und unterdrückerischen Staat Geschäfte machen zu können."

15.01.17 - Diskussionsbeitrag zum Text  Wie die Alten sungen von  loslosch: "Die haben selbst genug Heulen, brauchen dazu gar keinen Wind."

30.12.13 - Diskussionsbeitrag zum Text  Wie endet der römische Totenschein? von  loslosch: "Oh, er durfte also endgültig nichts Endgültiges sagen? Paradoxon, ich höre dir trapsen..."

19.06.19 - Diskussionsbeitrag zum Text  Wie ernst ist es euch denn mit der Rettung des Klimas? von  eiskimo: "Darum muss der Staat ja auch dirigistisch eingreifen. Hat bei der Glühbirne ja auch funktioniert."

19.07.19 - Diskussionsbeitrag zum Text  Wie ich bei Wimbledon scheiterte von  eiskimo: "Ich denke ohne all das hätte der Profisport sich durch die Kapitalisierung schon lange selbst zerstört."

19.09.15 - Diskussionsbeitrag zum Text  Wie kam der Präfekt ins Glaubensbekenntnis? von  loslosch: "Hab mich im Namen geirrt: " Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger von Syrien war." hier. Um das einordnen zu können, muss man aber auch den literaturhistorischen Zusammenhang beachten. Es fällt heute vielen schwer, aber die Antike kannte den "allwissenden Erzähler" nicht, bzw. hätte das auch nie anerkannt. Das Minimum war also so Sätze wie "die Muse hat mir erzählt" - was nicht heißt das solche Äußerungen der Wahrheit entsprechen. Ein interessantes Beispiel ist dabei der Atlantis-Monolog von Platon. Dort ist ja die rede davon, dass er diese Geschichte aus Ägypten kennt, was viel Atlantisjünger bei ihrer Suche nach der vorgeblich versunkenen Stadt beeinflusst. Das muss aber nicht heißen, dass diese Geschichte ursprünglich au Ägypten stammt. Vielleicht hielt sich Platin dabei auch einfach nur an die literarischen Gepflogenheiten der Zeit. Und auch die Bibel benutzt dieses Stilmittel. Auch darum ist z.B. Bibelarchäologie kritisch zu betrachten - mal abgesehen davon, dass die Bibel gar kein historisches Buch sein will."

24.01.13 - Diskussionsbeitrag zum Text  Wie man sich selbst überrascht von  EkkehartMittelberg: "Sobald ich fliegen kann, wirst du, lieber Ekki, dass sofort wissen, denn dann ändere ich meinen Avatarnamen sogleich in TrekanBelluvitshLilienthal um. ;-)"

03.11.17 - Diskussionsbeitrag zum Text  Wie man´s macht ... von  loslosch: "Ich dachte eher an einen Eingeborenen mit einem Knochen durchs Hirn... ???... Haar... Haar nicht Hirn... der nur trommeln kann. So sad..."

Diese Liste umfasst nur von TrekanBelluvitsh abgegebene Antworten bzw. Reaktionen auf Kommentare zu Texten. Eigenständige Textkommentare von TrekanBelluvitsh findest Du  hier.

 
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TrekanBelluvitsh hat übrigens nicht nur Kommentare zu Texten geschrieben, sondern auch  eine Autorenkommentarantwort,  102 Antworten auf Gästebucheinträge,  8 Antworten auf Kommentare zu Teamkolumnen und  7 Antworten auf Kommentare zu Kolumnen verfasst.

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