Kurzprosatexte

Man fragt sich, sagt er. Und das stimmt, zumindest im gewissen Sinn. Aber so ist das ja häufig: irgendwie stimmt alles, und sei es nur im gewissen Sinn. Wobei niemand weiß, was dieser Sinn (der gewisse!) überhaupt sein soll. Plötzlich ist er...

Wie schrecklich! Kein aufgeweckter Stern schüttelt mich aus den Federn. Erfreut bin ich nur, dass es mich vor Kälte biebert. Drahtesel vollführt einen Drahtseilakt, aus lauter Übermut. Rammt einen Kleiderschrank, der seine Türen nicht...

Ich atmete bewusst langsam durch den Mund aus und starrte in den Spiegel. Meine Augen wirkten größer und lagen gleichzeitig tiefer. Bambi auf Entzug. Nachdem stundenlangen Sturmsegeln war ich endgültig landkrank und wollte nur noch in die...

Ich stand sehnsüchtig vor dieser hohen grauen Mauer, so als wäre die Zeit stehen geblieben. Ich schaute nun schräg nach oben und versuchte über diese mächtige Mauer zu schauen, was mir natürlich nicht so recht gelang. So konnte ich nur...

Es gibt kein richtiges Leben im falschen (Danke Theo). Es gibt kein richtiges Leben. Wir hätten alle etwas anderes werden sollen. Etwas besseres womöglich. Schreiner oder Tischler – ich weiß nicht einmal, worin der Unterschied besteht –...

Duisburg-Bergheim, Deutschland, In den Peschen 3-5 und die umliegende Beguinenstraße 1-3. Überregional sind die Peschen als sogenanntes Problemhaus für rumänische Wirtschaftsflüchtlinge bekannt geworden, wie Journalisten gern betonen. 2014...

„Das ist aber weich“, sagt die Frau, „ein tolles Material. Es schmiegt sich so richtig an den Körper an, was ist es denn?“ „Ohrläppchen“, antwortet der Verkäufer, „ganz naturbelassen, daher dieses weiche Gefühl, das Sie bei...

Die scheiß Antisemiten – jetzt haben wir die Juden Europas nahezu ausgelöscht, und die Zeiten und die Menschen sind immer gieriger geworden, immer neoliberaler, immer kapitalistischer, bis zum Exzess, zum Exitus, bis zur religiösen...

Immer nur Penetration, Schlucken und Spritzen und Geschlucktwerden, ficken und gefickt werden, An- und Ausziehen, rein und raus, Schleimhäute, Spermien und Scheidenmilch. Wir kommen aus diesem Schema einfach nicht heraus, können uns nicht...

Den alten Mann hatte keiner im Visier. Seine Wohnung verließ er unbemerkt und Besuch bekam er nicht. Er spielte keine laute Musik, feierte an Wochenenden keine Parties. Kurzum, er war der perfekte Mieter. Aber einen Haken hat jede Sache, und...

Ich hing wieder mal bei Jay mit meinen Fingern auf Gürtelhöhe, weil Jugend und Zölibat sich nicht vertragen. Wir führten die pseudo-philosophischen Gespräche, die alle Betrunkenen führen, weil sie glauben, die Welt zu verstehen, aber...

Ubi nil timetur, quod timeatur, nascitur (Publilius Syrus, 1. Jh. v. Chr.; Sententiae). Wo nichts gefürchtet wird, entsteht etwas, das zum Fü;rchten ist. Eine bescheidene Paronomasie auf vollen Touren. Aber auch ein kantiges Spiel der...

KENNETH, BONNY AND CLYDE Die Hitze sorgte dafür, dass der Horizont sonderbar schimmerte. Die Straße, die nach East Village führte, schien sich endlos auszubreiten. Bis auf das Diner, das ziemlich verlassen in der Einöde stand, war da nichts,...

Gerade führe ich ein intensives Gespräch face to face. Das Experiment besteht darin, dass ich gleichzeitig vor meinem PC sitze und ins Verlagsforum schreibe. Schräg gegenüber eine Frau, die mir Intimstes berichtet. Sie kann nicht sehen, was...

Gestern ging ich in den Schuppen und betrachtete die Wiege, die du gemacht hast, sie funktioniert noch, aber sie hat niemanden mehr, für den sie funktionieren soll. Du warst so unbedingt stolz, und, mein Gott, wie habe ich dich dafür geliebt....

Du hast es geschworen. Als ich Blut spuckend auf dem Rücksitz lag, hast du geflüstert, du würdest immer da sein. Es formte sich benommen in mir zu einem verschwommenen Nein. Ich will es nicht hören, ich möchte … Das Fühlen, ich tausche es...

Man betrügt sich selbst, wenn man schneller lebt, um mehr zu erleben: Was man dabei anhäuft ist nicht Fülle, sondern lediglich Ballast – ein wachsender Überhang oberflächlicher Wahrnehmungen, die niemals die Zeit haben, einzusinken, und...

Die Partei des Lebens zu ergreifen – das heißt nicht nur, es zu bejahen und vor unnötigem Leid und Tod zu bewahren; es bedeutet vor Allem, die Einzigartigkeit eines jeden Lebens zu würdigen – das Individuelle als das eigentlich Große,...

Eines der wichtigsten Erkenntnisse: dass wir immer schon im Paradies sind, stets hier und jetzt. Es sind unsere eigenen Forderungen, Vorstellungen und Handlungen, die daraus Fegefeuer und Höllen machen. Alles ist vollkommen und liegt offen dar...

Ich frage mich, was du jetzt denken würdest. Darüber, dass sie nach und nach alle deine Bilder abnahmen, dass sie das Gartenhäuschen entfernten, an dem du lehntest und die Bäume ausgruben, die du mühevoll gesetzt hast. Ist es gut unsere...

Meine Nächte sind heiser zerschrien, aber der Satz ist nicht mehr an Verzweiflung gebunden. Die Apathie hängt gleißend hell hinter den heruntergelassenen Rollläden, aber ich sperre hier mehr als die Wärme aus. „Mein armes Mädchen.“ Die...

Wenn mich heute keiner anspricht, dann lass ich es sein. So hatte sie es sich vorgenommen. Es war noch sehr früh am Morgen, als sie ihr Fahrrad an einer der dafür vorgesehenen Anrichtungen des Zuges platzierte, woraufhin sie gleich ein Mann...

Und dann war er da, dieser Ton, kurz bevor du unter Wasser gezogen wirst. Das ist weniger Geräusch, mehr Gefühl, das du hörst, dass es gleich anders wird. Aber auch ein Versprechen, dass du irgendwann mal wieder Boden unter den Füßen hast,...

Erinnere mich an das Schlimmste: Ahnte in dieser Nacht nichts von den Schatten, die mich jagten! Ich schlenderte in dieser Gasse, schwach beleuchtet von Straßenlaternen. Plötzlich überfielen sie mich, rissen mir die Organe aus dem Leib und...

Feingehacktes. Vollmond erleuchtet den Nachthimmel des dreizehnten März. Mit freiem Auge kann man verschwommen die Strukturen der Oberfläche des Mondes erahnen. Er zieht seine Bahn und ist im Begriffe in Richtung Westen hinter den weißen...

Melchior steht am Wegesrand und ist am Autostoppen. Der alljährliche Job als heiliger Dreikönig ist abgearbeitet worden, nun geht es wieder zurück nach Neu-Delhi „Ich konnte und musste keine Schätze von Weihrauch, Gold und Myhre verteilen,...

Mächtig ragt er auf vor uns. Hier sind wir klein. Nur langsam und demütig dürfen wir uns ihm nähern. Wir ringen nach Atem, erkämpfen, ja ertrotzen uns die Audienz mit ihm, dem Berg, der uns mit missbilligender Miene empfängt und uns dann...

Ich setze mir Ziele. Ich erreiche sie ohne unnötigen Aufenthalt und mit der größtmöglichen Effizienz. Und wenn ich ein Ziel erreicht habe, suche ich mir ein neues. Sofort. Am liebsten sind mir Ziele, die nur dazu da sind, um ein weiteres Ziel...

Frauke liegt auf der Couch vor dem großen Swimmingpool und nippt an einem kältebeschlagenen Glas mit karminrotem Fruchtsaft, während sie dem Delphin, der im Becken ruhig seine Kreise zieht, hin und wieder eine Handvoll Rote Rüben zuwirft. Der...

Den Alltag, als Alltag zu definieren, hat irgendwie etwas von einer Heimsuchung. Assoziiert man ihm doch gerne so was wie „grau“ oder „trist“ oder für “ langweilige Arbeitstage“ und „unfreundliche Kunden“. Es verhält sich so,...

Setz mich hier hin auf den Boden, wie ein Kind hebe ich Scherben auf und bastle daraus ein Mosaik. Ich heb Scherben auf, ich mach es mit wenig Geschick. Ich heb Scherben auf und kleb sie aneinander, Stück für Stück. Erinnerungsscherben aus...

Da bleibt etwas. Und anders war es auch nicht zu erwarten gewesen. Ob sie es geplant hatten? Wir wissen es nicht, und jetzt, da es nicht mehr zu ändern ist, sieht die Welt anders aus. Es hat eine Zeit gegeben, aber war nicht immer Zeit? Keine...

Zwischen einförmig grauen Hausmauern friert die Morgendämmerung. Es ist so still. Nebel hängt in der Luft, gerinnt am Fallrohr der rostigen Dachrinne, sammelt sich in schweren Tropfen, die träge vor sich hin hängen, wachsen und schließlich...

Manchmal begegne ich mir noch. Es wird seltener, denn meist wechsle ich rechtzeitig die Straßenseite. Aber nur eine Unachtsamkeit und es passiert. Wir lächeln uns an und schon ist da diese Süffisanz. Ich kenne dich, lese ich daraus. Und es ist...

Am frühen Abend, als die Dämmerung an diesem Ort so langsam einsetzte und sich rötlich zarter Nebel am Horizont bildet, erwächst aus diesem Schauspiel allmählich eine „eingebildete Stille“, die es nicht zu geben scheint, die aber dennoch...

Er läuft. Durch den abendlichen Nebel, immer die Straße entlang, in gleichmäßigem Tempo. Dann biegt er in eine kleine Seitengasse. Seine Schritte hallen zwischen den hohen Hauswänden. Ein Hund bellt irgendwo, aber auch das vergeht. Die Gasse...

Alles wird matt und vergeht. Etwas zerbricht und du gehst. Erkenntnis fällt herbstlaubgleich. Ich seh dir nach totenbleich.

Ich stehe im Windfang eines Glockenturms und zähle die Häuser. Besteige meinen Regenbogen und reite über das Meer von Haus und Hof. Kahlgeschorener Mittagstisch, die Hunde fressen deine Beine ab. Der Stuhl auf der Straße brütet ein gekochtes...

Die Straßen sind gesäumt von toten Passivrauchern, Beifahrern, Mitläufern, Schreibtischtätern, Beischläfern, Zusatzeinkommenverdienern, Abkassierern, Fahrkartenkontrolleuren, Blockwarten, Mittätern, Gut-gemeint-haben-Wollenden,...

Bei diesem Text handelt es sich um einen P-18-Text, daher ist an dieser Stelle keine Vorschau auf den Inhalt möglich. Die gibt es nur für angemeldete und nachweislich volljährige Nutzer. Das ist bedauerlich, aber nicht zu ändern.

Weihnachten; Ist immer wieder neu wie ein neugeborenes Kind. Wie viele hungrige Kinderaugen fallen auf einen unserer Christbäume, wo Überfluss erzeugt und Maßlosigkeit praktiziert wird. Unser Wunschdenken wird vom Überangebot fehlgeleitet....

Draußen pladdert der Regen. Es ist ein nasser trüber Tag, kein schöner Tag. Auch das Land ist „kein schöner Land“, sondern übersät mit Pfützen. Das Laub klebt auf den Wegen und Straßen und schließlich auch an den Schuhen. Ich laufe,...

Terra salutares herbas eademque nocentes nutrit et urticae proxima saepe rosa est (Ovid, 43 v. Chr. bis ~17 n. Chr.). Die Erde nährt heilsame Kräuter, zugleich auch schädliche, und neben der Brennnessel steht oft die Rose. Die Brennnessel ist...

Kann mal bitte jemand die Welt kurz anhalten? Ich würde gern aussteigen.

Sie schaut aus dem Fenster, hinaus auf die Straße. Ein dunkler Novembernachmittag, Regen peitscht an die Scheiben. Hinter sich hört sie die Wanduhr die Stunde schlagen. Siebzehn Uhr. Er würde jetzt gleich nach Hause kommen. Rennen würde er,...

Fallen die herben Sonnenstrahlen schon heute am frühen Morgen auf den Asphalt der Straße, so das sie sich darauf spiegeln wie auf einer Eisfläche, kommen mir da sehr bald trügerische Gedanken wie die Autofahrer dies denn meistern werden. Denn...

Er steht am Fenster. Alles ist ihm zu viel. Er ist gesättigt vom Leben, von der Welt, von denen, die er die da nennt. Dieses Problem muss er angehen. Nicht heute, nicht hier, nicht an diesem Fenster. Festlegen will er sich nicht, denn Planen ist...

MEHR GING WOHL KAUM JE KAPUTT, blieb auf der Strecke, WURDE ZERSTÖRT & VERNICHTET ALS IN DER zwölfjährigen \"HEIL\" - ZEIT 1933-45