Alle 398 Texte von Moja

Die zwei Frauen, die wuchernde Büsche und stille Bänke umrunden, stehen plötzlich vor mir. „Was lesen Sie?“, fragt die Jüngere, mich ausgiebig musternd. „Gedichte.“ – „Eva Strittmatter?“ Und ohne meine Antwort abzuwarten,...

der Nachmittag am See, dann kommt mit ihrem Dackel eine Spaziergängerin ein Plätschern in der Luft bloß ein Schwimmer das Schild vom Grünflächenamt warnt: BADEN VERBOTEN LEBENSGEFAHR! da ragt eine Leiter über den Steg aus dem Wasser steigt...

Im Zug stehe ich die ganze Fahrt über eng gedrängt. Gelände, Bäume, Sträucher, Schienen und Bahnsteige, Köpfe und Jacken gehen ineinander über, bis die Türen wieder aufgehen, Leute aussteigen, andere hineindrängen, der Zug anfährt....

Ein Parkbaum zieht meinen Blick an. Er ist kahlästig, wortkarg, statt der Blätter trägt er die Nummer 123. Von welcher Art er ist, erkenne ich nicht. Amtlich erfasst ist er wie ich, sein Bestand ist als Vorgang in einer Akte abgelegt wie...

Das Lächeln der Silberlocken fragt mich aber ich lese mein Buch hinter mir türkische Sätze nas toschje, uns auch, sagt ein Russe la, la, antworten die arabischen Silberlocken Schwarze eingepackt in Mützen & Jacken nur der Mann hinter dem...

Vor dem Haus steht ein Paar abgetretener herrenloser Schnürstiefel, U-Bootgröße. Das braune Leder ist fleckig, rissig, die Schuhspitzen wölben sich nach oben. / Als ich heute vorbeikomme, stehen die Schuhe, ein Stück vorgerückt, auf dem...

Begehrlich blickt der kleine Bengel auf das heruntergefallene Vanille-Eis. „Lass das liegen“, ruft die Mutter empört und stößt zornig den Kinderwagen voran. Breitbeinig, spitzbübisch, bereit den Finger in das schmelzende Eis zu stecken...

Da sah ich ihn kommen, er preschte durch das weit geöffnete Tor. Ich saß auf der schattigen Veranda, den verlassenen Vorhof im Blick. Es ging auf Mittag zu, die Sonne brannte sengend herunter. Der staubige Hof lag im hellen Sonnenlicht. Der...

Der Vater steigt die Treppe zum Park hinab. Der Sohn dagegen rennt freudig über den Mauersims, am Ende angekommen, zögert er – und streckt dem Vater die Arme entgegen. „Nein“, sagt der, „finde selbst deinen Weg hinunter. Man muss sich...

Altberliner Gründerzeitvilla, schäbiger Charme mit Kerzenschimmer im Erkerfenster das Publikum ist zur Lesung geladen begibt sich in Grüppchen von den Stühlen zum Wein in den Abend hinein Könnt ihr noch? – fragt die Schweizer Autorin und...

Aus der Bibliothek kommend fällt mir die rotgescheckte, blütenweiße Katze auf, an ihrer himmelblauen Leine geht eine Frau. Einträchtig gehen beide nebeneinander her. Die junge Katze schreitet aufrecht über den Vorplatz, vorsichtig ihre...

Sitzt da glitzernd am Ende des Bahnsteigs in knallengen Schuppenhosen mit seinem silbernem Ich verkommener Fischgott abgerissener Nix trockener Wassergeist schwimmt fliegt nicht mehr sitzt aus während seine Füße in Schuhen mit Klebeband...

Als sich mein Tag mal wieder wie grauer Kaugummi dehnte, festgeklebt am zähen Regen, trieb ich nach draußen auf die Straße, vielfarbig umspült von so allerlei. Sah eine Alte einen Kinderwagen schieben, saßen zwei kleine Regenmäntel drin,...

Der Junge legt ein Schlüsselbund auf die Waage und sieht auf die Anzeige, 50 Gramm. Er wirft mir einen verschmitzten Blick zu und steckt die Schlüssel in die Hosentasche. Ich rücke an der Kasse vor, lege Milch, Brot und eine Konserve Rotkohl...

Januarerster ohrenbetäubend still Tage später Zwitschern Gefieder Flügelpaare Schwingen Flattern in der Luft Flug ohne Abdruck

Vögel flattern im Zimmer umher, fliegen durch die Terrassentür wieder hinaus. Ich sehe ihnen nach, im verwaschenen Himmelsblau ballen sich düstere Wolken. Vögel jagen kreischend über den Hof, schießen dicht über meinen Kopf hinweg....

Regen plätschert zwischen den Fenstern, Wind schlägt geräuschlos die Buche. Beruhigung zieht in den erhitzten Tag. Vormittag verwandelt die stille Straße in ein geschäftiges Fließband, auf dem die Parade stolzer Lieferwagen rollt, stockt,...

Soeben fährt ein Mopedfahrer an mir vorbei. Den habe ich doch schon mal gesehen! Ich sehe ihn immerzu. Er ist der Fahrer von vorhin und auch der von gestern und vorgestern. Aber nein, er ist es nicht! Und auch ich bin nicht die von gestern und...

Leer der Park, ich gehe auf den See zu Blütenduft in der Luft, Fluggeräusche und Vogelstimmen, Schmetterlinge flattern aus Büschen über die Wiese vom orangen PARKRANGER unterm alten Kastanienbaum hängt die Klappe hinab eine zerknüllte Tüte...

Ein luftiges Blasenformat gefüllt mit Sauerstoff nebst ergiebigem Gesprächsstoff zwischen den Zeilen lädt ein zum Verweilen; grundsätzlich kann jede Zeile ohne Eile inhaltlich beginnen, im Wesentlichen aber füllen Zeilen einen Absatz,...

Fast eine Familiengeschichte der Tisch überflutet von Helle ein aufgeklapptes Heft geduldige Stühle, die weiße Lampe überwölkt von Gardinen wie eine zarte Lichtschrift verwischt die Leere der Tasse – teilt ein Foto ausdauernd mit. Die...

Das Meer ist immer schon vor mir da, ruft – und ich gehe hin, den Atlantik im Rücken sehe ich der Stadt ins Antlitz das jedes Mal dichter vor mir steht ein steinerner Saum, weiße Geschlossenheit bis zum Hafen wild wucherndes Hinterland einst...

Mein Blick fiel durch das offene Fenster, zum Glück war ich nicht zu müde und die Straßenbeleuchtung war hell genug, als ich bemerkte, wie plötzlich aus der scheinbaren Leere der Straße und Dunkelheit der Nacht ein Fuchs auf der Fahrbahn...

Zwei Figuren auf Surfbrettern tauchen ihre Paddel ein. Wasser spritzt auf, sie füllen die Bildleere vor mir wie ein Gebilde. Ihre flüchtigen Formen entfernen sich, jede wie für sich allein, verschwinden in der Bewegung, lösen sich am Rand...

funkelnde sterne angesteckt auf blassblauem grund im lichtschein der birke baumelt ein körper, den kopf im laub bleichgesichtig starrt er mich an den kenne ich schon er hängt sonst auf dem balkon gegenüber im grünen vorhang er hat die seite...

In der Strandbar ein Maifeuer, Leute in Liegestühlen lauschen dem Liedsänger. „Du gehst durch die Nacht, um mal zu schauen, ob einer von den drei Millionen in deiner Stadt dich versteht." Und du gehst durch den Abend, die Luft ist...

Elke war noch keine vierundzwanzig Stunden zuhause, als Tariq sie am Telefon bedrängte. Sie erzählte einsilbig von der Reise, fragte, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen war. Sie bat ihn um eine Auszeit, sie bräuchte eine Weile, um über...

Zwei Wochen vergingen, bis Tariq anrief und um ein letztes Treffen bat. Es wäre sehr wichtig für ihn, betonte er. Ein paar Tage nach dem Telefonat, traf Elke sich mit Tariq. Er hatte einen Treffpunkt in der U-Bahn ausgemacht, auf dem Bahnsteig,...

Der Sommer ging dem Ende entgegen. Elkes Situation hatte sich grundlegend verändert. Als in ihrer Firma über Entlassungen gemunkelt wurde, war sie zwar skeptisch gewesen, doch hoffte sie auf eine Weiterbeschäftigung. Dann wurde das Firmenkonto...

Schweigen in der Telefonleitung, verklungen die einsilbigen Antworten, nur noch konzentriertes Schweigen zwischen ihnen. Tariq saß da, rauchte nervös. Würdest du mir helfen, hatte er Elke gefragt, ich bin auch Afrikaner. Warum kannst du das...

Tariq und Elke liefen vorbei an arabischen Geschäften. Ihre Blicke streiften die arabischen Sprüche an den Ladentüren, die gerahmten Koransuren an den Wänden, Bilder der Kaaba in Mekka, aus Bäckereien duftete es nach Sesampaste. Elke spürte...

An diesen Ort zu fahren, eine Kleinstadt in Brandenburg, kostete Elke Überwindung. Tariq holte sie vom Bahnhof ab. Leute sahen sie scheel an, beschimpften und beleidigten ihn, doch er ließ sich nicht provozieren. „So ist das hier immer“,...

Tariq lehnte am Küchenschrank, während Elke das Geschirr abtrocknete. Sie drehte sich zu ihm um. „Warum bleibst du hier?“, fragte sie unvermittelt. Sein Gesicht wurde schmal, Tränen traten ihm in die Augen. „Ich möchte meine Kinder...

Seit diesem Tag hatte Elke merkwürdige Zweifel, sie spürte, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie dachte darüber nach, kam jedoch zu dem Schluss, dass es nicht nur an Tariq lag. Sie fragte sich ernsthaft, warum sie sich im Ausland besser fühlte...

Auf der Landstraße – ein Sommer Ende der Sechziger Jahre – eine lange Kolonne sowjetischer Militärlastwagen, bedrohlich dunkelgrün aufragend vor ihnen, angespannt steuerte der Vater das Auto an trostlosen Kasernen vorbei, die Eltern...

Als Tariq sich wieder meldete, wollte er wissen, was er ihr getan hätte, dass sie ihn so allein ließ. Er wollte sie sehen, er liebte sie doch. Wie konnte sie ihm erklären, dass sie sich auf keine feste Beziehung einlassen wollte, gern Zeit...

In der Nacht vor Tariqs Geburtstag ging es Elke schlecht, das Herz raste, sie bekam Fieber, in ihrem Kopf summte es unaufhörlich. Sie fand keinen Schlaf. Morgens war sie schwach. Die Vorstellung, in seine Stadt zurückzukehren, bedrückte sie....

Neben mir geht ein zartgrauer Mensch wie eine lebendige Idee von einem Mann, nach dem es mich verlangt die Arme auszustrecken, ihn zu umfangen, das Graue an ihm einzufärben. Meine Arme werden halbschwer vom Innehalten. Mit jedem Wort sagt er...

Mit wehendem Wintermantel kam er auf sie zu. Sie sahen einander in die Augen. Und gingen aneinander vorbei. So einen stelle ich mir, die Hälfte von dem, dachte sie. Er grüßte. Sie blieb stehen. „Ja, Sie meine ich.“ Er winkte ihr zu. Sie...

Ich saß am See die Augen zu döste wie ein trockener Lufthauch eine Straßenbahn ratterte ich dachte sie mir einfach weg so blau war der See der Himmel auch die Sonne feixte & heizte ihn mir ein er war so besonders und schön war er auch ein...

Wenn ihr gefährlich stumm wird singt sie mit ungezähmter Zunge stopft sie Silben in sinnlose Sätze mit Worten wie leere Zimmer Orte ihrer selbst niemand sonst findet darin Platz wo unerlöst das Mädchen wartet - das sie ist.

Hohläugig weint die Frau kippt den Nachmittag ins Glas ertränkt ihren Atem Wörter quellen undeutlich auf durch lange Sätze stolpert sie gegen die Küchenwand dahinter dreißig dünne Sommer in Sackgassen, stöhnt sie die durch diese Küche...

Erst kürzlich, als ich über den Flohmarkt schlenderte, erinnerte ich mich an die Kaffeemühle meiner Eltern. Mein Vater hatte sie mir überlassen. Deutlich sah ich sie vor mir: das schwarze Gehäuse mit der geschwungenen Kurbel und dem lockeren...

Andrea durchstöberte die Geschäfte nach einem passenden Geburtstagsgeschenk. Ihr war nicht klar, wonach sie eigentlich suchte. Sie wünschte sich, dass das passende Geschenk einfach sie aussuchte, sich von selbst fand. Es sollte daliegen in...

Das Haus aus Lehm gestampft bröcklige Kreidechiffren auf roter Wand erzählen vom Kommen und Weggehen im dunklen Winkel ein Wassertopf auf Beinen das Telefon in der Holzschatulle verstummt meine Erinnerung hält Türen offen für Wind der...

Dämmerlicht vorm Fenster in die Stille wehen warme Herzworte im Garten ist Versuchung und Versprechen und du bist wieder ein Mädchen aus rosa Kreide auf einer Mauer mit einem lindgrünen Regenschirm und einem winzigen Anker am Hals Goldstaub...

Hinter mir in der S-Bahn eine Gruppe von Kindern, die ich hören, aber nicht sehen kann. „Meiner ist hellblau, meiner pink“, rufen sie. „Ich sehe etwas, was du nicht siehst und das ist orange“, höre ich eine Frauenstimme sagen. / Im...

Die Liebe des Mannes verharrt stolz in geballten Hosentaschen. Die Liebe der Frau vergießt Tränen auf blassem Papier. Das Kind in der Mitte erfindet sich Liebe im Verschütteten.

Der Mittelmeerbauch voll zirpender Handys Mittelwelle schwappt über Mittelerde Kursuntergang, echoloten befreundete Fische Das Meer fällt ab, taucht ins Gedächtnis des Wassers – dieses Taumeln und Sinken von Elementen an imaginären...

Sommer 1962. Als die große Schwester aus dem Ferienlager zurückkehrt, zeigt sie stolz ihre Fotos. Auf einem zieht eine bedrohlich dunkle Wolke über die See. Die Kleine starrt wie gebannt das Schwarzweißfoto an. Sie hat noch nie die Ostsee...